Ein Stadtplan für die Götter
Wo beten und meditieren die Augsburger? Antwort auf diese Frage gibt seit Kurzem ein interaktiver Stadtplan. Doch nicht alle Gemeinschaften fanden dort einen Platz – aus unterschiedlichen Gründen
Wie andere Städte Deutschlands hat auch Augsburg jetzt einen Religionsatlas. Entwickelt im Auftrag des Runden Tisches der Religionen sowie des städtischen Friedensbüros, wurde er mit Mitteln aus dem Manhae Friedenspreis finanziert, den die Stadt 2012 in Südkorea erhielt. Der Online-Plan ist für neugierige Alteingesessene ebenso gedacht wie als Orientierung für Neu-Augsburger oder für Studenten, die sich wissenschaftlich mit der religiösen Vielfalt der Stadt beschäftigen wollen.
Die interaktive Karte zeigt bisher 46 Bet- und Kultstätten in 14 Stadtteilen. Neben zwölf evangelischen und 15 katholischen Gemeinden findet sich auch Unbekannteres wie die Rumänisch-orthodoxe Gemeinde hl. Erzdiakon Stephan, die seit 1930 bestehende Russisch-orthodoxe Gemeinde zu Ehren der Gottesmutterikone „Freude aller Trauernden“, das Bodhidharma Zendo Augsburg in Hochzoll, das Buddhistische Zentrum Augsburg der Kagyü Linie in Göggingen, je eine Portugiesische und Italienische katholische Mission. Die Struktur folge den Strömungen im Buddhismus und den Kon- fessionen der „Buchreligionen“, wie Christiane Lembert-Dobler, Leiterin des Friedensbüros, erläutert. Die Orte der Gemeinden werden mit Namen und Kontaktdaten vorgestellt, die Kurzporträts sind mit den jeweiligen Vereinen, Kirchen, Zentren und der Synagoge abgesprochen. Esoterische Gemeinschaften werden laut Lembert-Dobler nicht aufgenommen.
Dass diese Strukturierung nicht konsequent gelang, zeigen die Einträge Ezidentum und Alevitum. Beide wurden und werden in großen Teilen mündlich tradiert, entziehen sich der Definition „Buchreligion“. Auch die Kategorisierungen unter „Islam“haben Schwachstellen. Das Alevitum ist als Konfession des Islam gelistet, ist jedoch teilweise islamischen Ursprungs und viele Aleviten sehen nicht den Koran, sondern allein ihre Lieder und Überlieferungen als bindend an. Der Sufismus steht ebenfalls als eigene Konfession neben Sunnitentum, Schia, Alevitentum und Ahmadiyya, dabei ist er historisch wie theologisch Teil der sunnitischen Orthodoxie, richtet sich mitunter sogar besonders streng an den Pflichten der Scharia aus und fügt diesen lediglich spirituelle hinzu. Das hätte sich mit kurzer Recherche herausfinden lassen.
Trotz des Ziels, Augsburger Vielfalt darstellen zu wollen: Nicht alles, was Vielfalt ist, ist auch gewünscht. Nicht nur Esoteriker und Schamanen, auch verfassungsfeindliche Organisationen haben keinen Platz im Plan, erklärte Lembert-Dobler bei der Vorstellung. So steht keine jener drei Moscheen, die von Graue-Wölfe-Vereinen betrieben werden, im Verzeichnis. Doch auch das in den 2000er Jahren von irakischen Flüchtlingen gegründete „Orientalisch-deutsche Haus“in der Riedinger Straße ist Mitglied in einem proPraktiken blematischen Dachverband: Die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) wird wegen ihres prominentesten Mitglieds, dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), vom Hamburger Verfassungsschutz als extremistisch beeinflusst eingestuft. Leitung und Inhalte des IZH entsprächen den Vorgaben der geistlichen und politischen Führung Irans. Im Bericht des hamburgischen Verfassungsschutzes von 2016 heißt es, das IZH „strebe die Verbreitung der iranischen Revolutionsidee“in Deutschland an. Die IGS, in der der Augsburger Verein Mitglied ist, hält die bundesweiten Versammlungen seiner Vereine regelmäßig in den Räumen des IZH ab. Pfarrer Haug, der wie je ein Vertreter der buddhistischen und der jüdischen Gemeinde der Vorstellung des neuen Atlas beiwohnte, erklärte, das Verhältnis von Religionsgemeinschaften zu Politik und Staat demnächst auf die Agenda des Runden Tisches der Religionen heben zu wollen.
I Im Internet Der Religionsatlas ist abrufbar unter www.friedensstadt augsburg.de/de/reli gionsatlas