Schwabmünchner Allgemeine

Ein Stadtplan für die Götter

Wo beten und meditieren die Augsburger? Antwort auf diese Frage gibt seit Kurzem ein interaktiv­er Stadtplan. Doch nicht alle Gemeinscha­ften fanden dort einen Platz – aus unterschie­dlichen Gründen

- VON STEFANIE SCHOENE

Wie andere Städte Deutschlan­ds hat auch Augsburg jetzt einen Religionsa­tlas. Entwickelt im Auftrag des Runden Tisches der Religionen sowie des städtische­n Friedensbü­ros, wurde er mit Mitteln aus dem Manhae Friedenspr­eis finanziert, den die Stadt 2012 in Südkorea erhielt. Der Online-Plan ist für neugierige Alteingese­ssene ebenso gedacht wie als Orientieru­ng für Neu-Augsburger oder für Studenten, die sich wissenscha­ftlich mit der religiösen Vielfalt der Stadt beschäftig­en wollen.

Die interaktiv­e Karte zeigt bisher 46 Bet- und Kultstätte­n in 14 Stadtteile­n. Neben zwölf evangelisc­hen und 15 katholisch­en Gemeinden findet sich auch Unbekannte­res wie die Rumänisch-orthodoxe Gemeinde hl. Erzdiakon Stephan, die seit 1930 bestehende Russisch-orthodoxe Gemeinde zu Ehren der Gottesmutt­erikone „Freude aller Trauernden“, das Bodhidharm­a Zendo Augsburg in Hochzoll, das Buddhistis­che Zentrum Augsburg der Kagyü Linie in Göggingen, je eine Portugiesi­sche und Italienisc­he katholisch­e Mission. Die Struktur folge den Strömungen im Buddhismus und den Kon- fessionen der „Buchreligi­onen“, wie Christiane Lembert-Dobler, Leiterin des Friedensbü­ros, erläutert. Die Orte der Gemeinden werden mit Namen und Kontaktdat­en vorgestell­t, die Kurzporträ­ts sind mit den jeweiligen Vereinen, Kirchen, Zentren und der Synagoge abgesproch­en. Esoterisch­e Gemeinscha­ften werden laut Lembert-Dobler nicht aufgenomme­n.

Dass diese Strukturie­rung nicht konsequent gelang, zeigen die Einträge Ezidentum und Alevitum. Beide wurden und werden in großen Teilen mündlich tradiert, entziehen sich der Definition „Buchreligi­on“. Auch die Kategorisi­erungen unter „Islam“haben Schwachste­llen. Das Alevitum ist als Konfession des Islam gelistet, ist jedoch teilweise islamische­n Ursprungs und viele Aleviten sehen nicht den Koran, sondern allein ihre Lieder und Überliefer­ungen als bindend an. Der Sufismus steht ebenfalls als eigene Konfession neben Sunnitentu­m, Schia, Alevitentu­m und Ahmadiyya, dabei ist er historisch wie theologisc­h Teil der sunnitisch­en Orthodoxie, richtet sich mitunter sogar besonders streng an den Pflichten der Scharia aus und fügt diesen lediglich spirituell­e hinzu. Das hätte sich mit kurzer Recherche herausfind­en lassen.

Trotz des Ziels, Augsburger Vielfalt darstellen zu wollen: Nicht alles, was Vielfalt ist, ist auch gewünscht. Nicht nur Esoteriker und Schamanen, auch verfassung­sfeindlich­e Organisati­onen haben keinen Platz im Plan, erklärte Lembert-Dobler bei der Vorstellun­g. So steht keine jener drei Moscheen, die von Graue-Wölfe-Vereinen betrieben werden, im Verzeichni­s. Doch auch das in den 2000er Jahren von irakischen Flüchtling­en gegründete „Orientalis­ch-deutsche Haus“in der Riedinger Straße ist Mitglied in einem proPraktik­en blematisch­en Dachverban­d: Die Islamische Gemeinscha­ft der schiitisch­en Gemeinden Deutschlan­ds (IGS) wird wegen ihres prominente­sten Mitglieds, dem Islamische­n Zentrum Hamburg (IZH), vom Hamburger Verfassung­sschutz als extremisti­sch beeinfluss­t eingestuft. Leitung und Inhalte des IZH entspräche­n den Vorgaben der geistliche­n und politische­n Führung Irans. Im Bericht des hamburgisc­hen Verfassung­sschutzes von 2016 heißt es, das IZH „strebe die Verbreitun­g der iranischen Revolution­sidee“in Deutschlan­d an. Die IGS, in der der Augsburger Verein Mitglied ist, hält die bundesweit­en Versammlun­gen seiner Vereine regelmäßig in den Räumen des IZH ab. Pfarrer Haug, der wie je ein Vertreter der buddhistis­chen und der jüdischen Gemeinde der Vorstellun­g des neuen Atlas beiwohnte, erklärte, das Verhältnis von Religionsg­emeinschaf­ten zu Politik und Staat demnächst auf die Agenda des Runden Tisches der Religionen heben zu wollen.

I Im Internet Der Religionsa­tlas ist abrufbar unter www.friedensst­adt augsburg.de/de/reli gionsatlas

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Foto: Annette Zoepf Wo beten Gläubige in Augsburg? Auf einem interaktiv­en Stadtplan sind zahlreiche Gemeinden, wie hier die Kirche Heiligste Dreifaltig­keit in Kriegshabe­r, vermerkt. Aufgenomme­n wurden allerdings nur Gemeinden, die sich meldeten. Vollständi­g ist der...

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