Hier wird praktische Hilfe großgeschrieben
Seit 1999 gibt es das Contact-Sozialkaufhaus in Haunstetten. Was den Erfolg der Initiative ausmacht
Lukas Tress ist zufrieden. Soeben hat er eine Digitalkamera gefunden, die er unbedingt haben will. Seine Freundin hält ein Diktiergerät in der Hand, das sie für ihr Studium gut gebrauchen kann. Beide Geräte sind echte Schnäppchen, denn sie stammen nicht aus einem Fachgeschäft. Sie lagen in den Regalen des Sozialkaufhauses Contact im Haunstetter Gewerbegebiet. Die Geräte stammen aus einer der zahlreichen Anlieferungen, die Privatleute oder der eigene Abholdienst zu einem der Hallentore bringen. Ein paar Meter weiter wühlt sich die Familie Cannella durch die Ständer und Körbe mit Faschingskostümen. Mama Daniela, Papa Lino und Tochter Marie nehmen mindestens einmal pro Quartal die Fahrt aus Mindelheim auf sich, um das aktuelle Angebot in dem Kaufhaus zu mustern. „Wir suchen nichts Spezielles. Aber irgendetwas findet man immer“, meint Lino. Schließlich sei es das größte Sozialkaufhaus weit und breit. Für seine Familie seien das Stöbern in den drei Hallen wie auch das Besuchen vieler Flohmärkte ein intensiv gepflegtes Hobby.
Meist findet die Familie Dekosachen für die Wohnung, auch mal einen schönen Bierkrug für den Hausgebrauch. Mutter Daniela wirft immer mal einen Blick auf das große Angebot an Übertöpfen für ihre Blumen, und Tochter Marie entdeckt häufig spannende Bücher und Spiele.
Dafür ist ihnen auch die dreiviertelstündige Anfahrt nicht zu weit. „Das ist doch für uns nicht aus der Welt. Und wir finden hier nicht nur Sachen, die wir brauchen können, sondern es geht auch um den guten Zweck. Ich weiß, dass der Umsatz für sinnvolle soziale Zwecke hergenommen wird“, bekräftigt Lino Cannella. Das mache den Unterschied zu herkömmlichen Flohmärkten aus.
Flohmärkte mag auch Oliver Beck – allerdings nur als Bummler und Käufer. „Nein, in aller Herrgottsfrühe aufstehen, einen Stand aufbauen und dann auf Interessenten warten, das ist nichts für mich“, gesteht er ein. Deswegen hat er sich den Kombi eines Freundes ausgeliehen. Der steht jetzt mit geöffneter Heckklappe vor der Warenanlieferung. Dort nehmen vier Mitarbeiter diverse große Kartons mit abgelegten Klamotten entgegen. Die hat Beck in seiner Familie und bei Bekannten gesammelt. Auch einen ganzen Schwung Kinderbücher hat er dabei, die der 27-jährige Student schon lange loswerden, aber nicht wegwerfen wollte. Schließlich trägt er einen Karton mit einem bunten Sammelsurium von Tellern, Tassen und Schüsseln herein. Die wollte seine Mutter loswerden, nachdem sie beim Tischdecken des Weihnachtsessens die alten Geschirrteile aus früheren Jahren ständig im Schrank hin- und herschieben musste, um an das „gute“Service zu kommen.
Für die Mülltonne oder den Sperrmüll sind solche Sachen oft zu schade. „Vielleicht kann sie jemand brauchen. Ich mag unsere Wegwerfmentalität nicht“, sagt Beck. „Alles, was hier zum zweiten Mal verkauft wird, muss nicht mit viel Energie- und Rohstoffverbrauch neu produziert werden. Also bringe ich brauchbare Sachen ins Sozialkaufhaus“, ergänzt der Student, ehe er in die Verkaufsräume verschwindet. Vielleicht findet er ja ein paar hippe T-Shirts.
„Einer unserer wichtigsten Erfolge ist, dass wir so groß geworden sind. Wir können – oft mit Unterstützung des Jobcenters – mittlerweile mehr als 100 Menschen Arbeit, Einkommen und damit ein Stück Menschenwürde geben“, berichtet Roswitha Kugelmann. Die Vorsitzende des Vereins „Contact in Augsburg“leitet das 1999 gegründete Kaufhaus zusammen mit ihrem Stellvertreter Mike Rühl. Die Möglichkeit, Menschen mit den verschiedensten Problemen in dem Kaufhaus eine Perspektive zu geben, ist dem Verein als Ziel genauso wichtig wie das Verkaufen billiger Produkte. Was als kleine Initiative begann, ist heute ein gestandenes Unternehmen. Wenn mittlerweile täglich sechs bis zehn Tonnen Waren angeliefert werden, müssen die Abläufe optimal aufeinander abgestimmt sein. Wenn eine mit Contact vernetzte Hilfsorganisation irgendwo in Deutschland oder Europa Waren braucht, müssen Container besorgt, mit den passenden Dingen gefüllt und verschickt werden. Opfer der Waldbrände in Portugal und Griechenland erhielten im vergangenen Sommer Hilfsgüter aus Haunstetten.
Nicht zuletzt muss ein derart großes Unternehmen auch wirtschaftlich erfolgreich sein. „Wir brauchen in jedem Monat über 150000 Euro für Löhne, Hallenmiete, Versicherungen und so weiter. Außerdem haben wir verschiedene soziale Projekte laufen, die auch finanziert werden müssen“, erläutert Roswitha Kugelmann. Sie ist sicher, dass „Contact in Augsburg“seine Ziele auch weiterhin erreichen wird. O Info Sozialkaufhaus Contact, Im Tal 8, Haunstetten, Telefon 8156615, Inter net: www.contact in augsburg.de.
Für Anlieferer und Kunden geöffnet: Montag bis Freitag von 10 bis 19 Uhr.