Schwabmünchner Allgemeine

Droht der Bayern SPD ein Debakel?

Querelen in der Partei, schlechte Umfragen und viele Zweifler an der GroKo: Warum Landesvors­itzende Natascha Kohnen für die Landtagswa­hl dennoch nicht schwarz sieht

- Kohnen: Kohnen: Kohnen: Kohnen: Kohnen: Kohnen: Kohnen: Kohnen: Natascha Kohnen,

Frau Kohnen, am Wochenende wirbt Ihre Partei in Regionalko­nferenzen in Bayern und Baden-Württember­g für die Zustimmung zum Koalitions­vertrag. Wie überzeugen Sie Ihre Basis?

Natascha Kohnen: Eine Lobeshymne wird es von mir nicht geben. Ich werde deutlich machen, dass ich selbst skeptisch war, auch in den Sondierung­en noch. Aber in den Koalitions­verhandlun­gen ist uns eine Menge gelungen. Wir schaffen sichere Jobs, indem wir Zeitverträ­ge begrenzen, wir haben den ersten Schritt in eine Grundrente getan, wir verstärken den sozialen Wohnungsba­u. Natürlich wünscht man sich immer mehr, aber in dieser Konstellat­ion ist das viel. Zudem haben wir sechs Ministerie­n, darunter so wichtige wie Finanzen sowie Arbeit und Soziales.

Doch wie sehr belasten die Querelen der vergangene­n Monate in Ihrer Partei die Bayern-SPD im Landtagswa­hljahr? Und bitte sagen Sie nicht, das ist vorbei, wir müssen nach vorne schauen …

Kohnen: Natürlich haben die Personalde­batten die Partei belastet – weil sie auch die Sachdebatt­en überlagert haben. Daher spürt man schon eine Anspannung. Wir haben uns diese Situation, in der die SPD jetzt ist, aber nicht ausgesucht. Wir sind in die Koalitions­verhandlun­gen gegangen, weil Jamaika zusammenbr­ach, als FDP-Chef Lindner vor der Verantwort­ung geflohen ist. Daher haben wir Verantwort­ung übernommen, die für unsere Partei nach dem Ergebnis der Bundestags­wahl alles andere als einfach ist.

Waren wirklich nur die jüngsten Personalde­batten das Problem?

Die Personalde­batten haben die schwierige Situation zusätzlich verschärft. Aber wir haben in den Verhandlun­gen Verhaltens­weisen von zwei CSU-Vertretern erlebt, die nicht einfach waren für uns. Die haben immer wieder versucht, nur das Thema Flüchtling­e in den Vordergrun­d zu stellen, obwohl andere soziale Themen wie bezahlbare­s Wohnen, Arbeitsmar­kt, Vereinbark­eit von Familie und Beruf viel wichtiger sind. Doch die beiden Herren wollten immer nur das eine Thema nach vorne bringen. Das führt doch erst dazu, dass die Menschen verunsiche­rt sind.

Widersprec­hen Sie, wenn ich sage, Sie meinen mit Ihren Vorwürfen CSULandesg­ruppenchef Dobrindt und CSU-Generalsek­retär Scheuer?

Kohnen: Nein.

Ein wenig habe ich aber den Eindruck, Sie wollen die Schuld an der schwieri- gen Lage der SPD jetzt der CSU in die Schuhe schieben …

Nein, das sind zwei Paar Stiefel. Ich will nur verdeutlic­hen, dass der SPD die Koalitions­verhandlun­gen nicht leichtgefa­llen sind. Zumal die Große Koalition ja nicht die Wunschkons­tellation der Wähler war. Und in dieser verantwort­ungsvollen Position der SPD erwarte ich Respekt vom politische­n Gegner – gerade, wenn man in eine Zweckgemei­nschaft gehen will. Diese Provokatio­nen haben viele verärgert.

Welche Fehler hat die SPD gemacht?

Wir haben zuletzt kein gutes Gesamtbild abgegeben. Den ersten Entschluss, in die Opposition zu gehen, hat aber praktisch die gesamte Partei nachvollzi­ehen können.

Sie glauben also, dass die erste Totalableh­nung einer GroKo kein Fehler war?

Am 24. September mit diesem Wahlergebn­is war das richtig. Wir wollten nicht der AfD die Opposition­sführersch­aft überlassen. Erst später, als Jamaika zusammenbr­ach, sind wir in eine schwierige Situation geraten. Da wäre es richtig gewesen, sich Zeit zu nehmen. Am Ende sind wir der Aufforderu­ng des Bundespräs­identen gefolgt, als Demokraten Verantwort­ung zu übernehmen.

Nach den ersten Sondierung­en hat Martin Schulz gesagt, alles super, wir machen es. War das klug?

Das war seine persönlich­e Entscheidu­ng. Ich bin deutlich skeptische­r rangegange­n. Aber wir haben mehr erreicht, als ich mir vorstellen konnte. Das ist ja auch der Grund, warum ich jetzt sage, es ist gut, dass die SPD an Bord ist, wenn es in diesem Land in die Zukunft gehen soll.

War es ein Fehler, dass Schulz unbedingt Außenminis­ter werden wollte?

Seine frühzeitig­e Ankündigun­g dieser Personalen­tscheidung war falsch. Das sieht er jetzt selbst so. Seine schnelle Entscheidu­ng, zurückzuzi­ehen, war richtig. Jetzt ist mehr Ruhe hineingeko­mmen.

Wirklich? Droht der Mitglieder­entscheid nicht, die SPD zu spalten?

Es wird eine demokratis­che Entscheidu­ng, egal wie sie ausfällt.

Und wenn die Partei ablehnt?

Kohnen: Ich gehe von Zustimmung aus. Falls nicht, akzeptiere­n wir es und gehen aufrecht in Neuwahlen.

Puh, ist Ihnen da nicht bange?

Kohnen: Ich will daraus auf keinen Fall ein Druckmitte­l aufbauen.

Die heftige Debatte in der SPD halten Sie also nicht für schädlich, auch nicht die Art, wie sie geführt wird?

Kohnen: Nein. Aber es ist die Frage, wie man miteinande­r umgeht. Der Umgangston war in den letzten Wochen nicht immer gut. Wir brauchen eine gute, sachorient­ierte Debatte.

Die jüngsten Umfragen lassen Schlimmes für die Landtagswa­hl befürchten. Bangen Sie um Platz zwei in Bayern hinter der CSU?

Kohnen: Nein, ich bin optimistis­ch. Denn ich bin überzeugt davon, wenn wir uns für die Koalition aus Union und SPD entscheide­n und eine gute Rolle übernehmen, dann wird das hilfreich sein für die Landtagswa­hl.

Werden Sie notfalls in Bayern einen Wahlkampf gegen Berlin führen?

Kohnen: Nein. Nahezu zwei Drittel des Koalitions­vertrags tragen eine sozialdemo­kratische Handschrif­t. Nun setze ich auf die Zusammenar­beit von Bund, Land und Kommunen. Beispielsw­eise beim Thema Wohnungsba­u. Die Leute erwarten, dass Politik ihr Leben verbessert.

Wie greifen Sie die CSU in Bayern an?

Nehmen wir zum Beispiel das Thema Wohnen. Wir haben im Bund den sozialen Wohnungsba­u und mehr Mieterschu­tz durchgeset­zt. Die gilt es, auf Landeseben­e durchzuset­zen. Es ist schon seltsam, wenn der Finanzmini­ster jetzt nach bezahlbare­n Wohnungen ruft und vor wenigen Jahren eine Menge günstige staatliche Wohnungen verkauft hat. Außerdem werde ich mich vehement dagegen stemmen, dass nur das Thema Flucht und Migration nach vorne gedrängt wird. Die Leute wollen, dass wir uns um Themen kümmern, die sie direkt betreffen: Wohnen, Arbeit, Familie.

50, ist seit Mai 2017 Chefin der Bayern SPD. Sie wurde in einem Mitglieder­votum be stimmt. Zuvor war sie Generalse kretärin der Bayern SPD.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Natascha Kohnen ist seit einem Jahr Chefin der Bayern SPD.
Foto: Sven Hoppe, dpa Natascha Kohnen ist seit einem Jahr Chefin der Bayern SPD.

Newspapers in German

Newspapers from Germany