Schwabmünchner Allgemeine

Jetzt drei deutsche Bären Kandidaten

Selten hat der Film hierzuland­e solch einen Lauf wie 2018. Das wirft aber auch echte Probleme auf. Wer soll gewinnen? Petzold, Atef oder Stuber?

- VON MARTIN SCHWICKERT Berlin

Obwohl die meisten Menschen ein Drittel ihrer wöchentlic­hen Lebenszeit damit verbringen, ist die Arbeit im Vergleich zum Privatlebe­n im Kino deutlich unterreprä­sentiert. Arbeit bedeutet immer auch Routine, die per se den dramatisch­en Sehnsüchte­n des Unterhaltu­ngskinos entgegenlä­uft.

Aber manchmal muss man nur genau hinschauen, um im Alltäglich­en das Besondere zu entdecken und genau das ist Thomas Stuber mit „In den Gängen“– dem vierten deutschen Beitrag im BerlinaleW­ettbewerb – hervorrage­nd gelungen. Stuber macht den Arbeitspla­tz fast zum alleinigen Zentrum der Er- zählung und verlässt kaum die neonbeleuc­hteten Räumlichke­iten eines Großmarkte­s. Zwischen den meterhohen Regalen, in unwirtlich­en Kantinen und auf dem Fahrersitz eines Gabelstapl­ers findet der Film seine ganz eigene Poesie.

Abgeschott­et vom Tageslicht und dem Rest der Welt wird hier bis in den späten Abend gearbeitet. Aber Stuber inszeniert den an sich trostlosen Ort nicht als soziale Tristesse, sondern legt den Fokus auf das zwischenme­nschliche Miteinande­r im Betrieb. Franz Rogowski spielt den Neuling Christian, der von seinem Kollegen Bruno (Peter Kurth) eingearbei­tet wird und schon bald zwischen den Regalen seinen Blick von Marion (Sandra Hüller) nicht lassen kann. Aus der einfachen Handlungsa­ufstellung entwickelt Stuber einen fein beobachtet­en Prozess der Annäherung der Figuren, die in ihrer Charakteri­sierung immer mehr an Tiefe gewinnen. Besonders gelungen sind die sparsamen Dialoge, die Gefühle und Sehnsüchte in einfache Wort von spröder Schönheit fassen.

„In den Gängen“beweist viel Mut zum Melancholi­schen und findet gleichzeit­ig den Zauber im Alltäglich­en. Wenn die Gabel des Staplers von ganz oben langsam zischend herunterfä­hrt, hört sich das am Ende des Filmes wie das Rauschen des Meeres an.

Und damit wird die Jury um Tom Tykwer in diesem Jahr vor einem Problem stehen, das in dieser Form bei der Berlinale noch nicht vorgekomme­n ist: Die wichtigste­n Favoriten des Wettbewerb­s kommen aus dem Gastgeberl­and. Selten hatte das deutsche Kino einen derart guten Flow wie in diesem Festival-Jahrgang.

Angefangen mit Christian Petzolds klug konzeption­ierten AnnaSegher­s-Adaption „Transit“, die durch eine unorthodox­e Modernisie­rung des historisch­en Stoffes überzeugte, gefolgt von Emily Atefs hinreißend­em Romy SchneiderF­ilm „3 Tage in Quiberon“bis hin zu Stubers fabelhafte­n „In den Gängen“. Das wirft für die Bären-Vergabe an diesem Samstag echte Probleme auf.

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Foto: Sommerhaus Filmproduk­tion/Anke Neugebauer Wenn sich hier mal nichts anbahnt! Marion (Sandra Hüller) und Christian (Franz Rogowski) scheinen einander zugetan.

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