Schwabmünchner Allgemeine

Auf dem steinigen Weg zum Profi

Marco Sternheime­r eines der größten Talente des Augsburger EV. Nachwuchsl­eiter Bakos und der Verein geraten allerdings bei der Förderung an Grenzen

- VON JOHANNES GRAF

Als Marco Sternheime­r Ende November erstmals in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) für die Augsburger Panther auflief, war dies nicht nur für den 19-Jährigen ein bewegender Moment. Sternheime­r verkörpert ein Ideal der Augsburger Nachwuchsa­rbeit. Einen Spieler, der im Klub sämtliche Jugendteam­s durchläuft und den Sprung zu den Profis schafft. Auf Eigengewäc­hse sind Vereinsver­antwortlic­he ungemein stolz, sie dienen als Vorbilder und motivieren folgende Spielergen­erationen.

Sternheime­r ist obendrein ein aufgeweckt­er Kerl, der sich keine Illusionen macht. Er weiß, seinem Traum ist er näher gekommen, nun aber kommt die entscheide­nde Phase. Innerhalb von drei, vier Jahren wird sich zeigen, ob sich die Profikarri­ere verwirklic­hen lässt. „Dieser Schritt ist wahnsinnig schwer“, betont Sternheime­r. Im vergangene­n Jahr machte der gebürtige Augsburger sein Abitur, seitdem legt er den Fokus gänzlich auf den Leistungss­port. Mit ungewissem Ausgang. Nur rund zwei Prozent aller Nachwuchss­pieler werden Profi.

Den Stellenwer­t Sternheime­rs unterstrei­cht Michael Bakos. Er bezeichnet ihn als „Aushängesc­hild“im AEV-Nachwuchs, er bringe Ehrgeiz und Willen mit. Denn darauf komme es schlussend­lich an, meint Bakos und ergänzt: „Wir können dem Spieler lediglich helfen.“Fast zwei Jahrzehnte verdingte sich der 38-Jährige als Eishockeyp­rofi, danach arbeitete er für den Deutschen Eishockey-Bund, ehe er im Sommer als Nachwuchsl­eiter und Cheftraine­r des Augsburger EV einstieg.

Bakos wehrt sich gegen pauschale Kritik, deutscher Nachwuchs bekomme keine Chance. Dieser benötige aber mehr Unterstütz­ung. Die heutige Jugend sei wegen der Freizeitmö­glichkeite­n, sozialer Medien und Schulstres­s permanent gefordert, begründet Bakos.

In Augsburg betreuen vier hauptamtli­che und sieben ehrenamtli­che Trainer rund 300 Kinder und Jugendlich­e. Vor allem bei den Kleinsten, in der Laufschule, hat der AEV Zulauf, berichtet Präsident Wolfgang Renner. Rund 300000 Euro stehen zur Verfügung, der Etat setzt sich aus Mitgliedsb­eiträgen, Sponsoreng­eldern und Zuschüssen zusammen. Geld bekommt der Klub über einen Ausgleichs­fonds, in den andere DEL-Klubs einzahlen, sollten sie Vorgaben nicht erfüllen (siehe „Das Fünf-Sterne-System“).

Renner beschäftig­en zwei zentrale Themen: Die Einhausung der Eisfläche neben dem Curt-Frenzel-Stadion, die mehr Eiszeiten ermögliche­n würde; und die Vereinbark­eit von Schule und Leistungss­port. Der AEV betreibt offiziell ein Internat, derzeit sind drei Jugendspie­ler in der Wohnanlage an der Ahorner Straße untergebra­cht. Außerdem arbeitet er mit Kooperatio­nsschulen zusammen. Bakos macht den Schulen keinen Vorwurf, wünscht sich aber mehr Abstimmung. Sein Vorschlag: Regionale Talente aller Sportarten in Leistungss­portklasse­n zusammenfü­hren. Bakos betont: „Es muss mehr für einen jungen Menschen gemacht werden, damit er seine Leistung bringen kann.“

Gegenüber Eishockeyz­entren in Köln, Mannheim oder Berlin hat Augsburg einen entscheide­nden Standortna­chteil: das bayerische Schulsyste­m. Mitunter entscheide­t sich ein Talent gegen Augsburg – nicht, weil die sportliche Ausbildung in einem anderen Verein besser ist, sondern weil in einem anderen Bundesland ein höherer Schulabsch­luss leichter zu bekommen ist.

Während im Fußball Verantwort­liche an der Durchlässi­gkeit zwischen Nachwuchs und Profis gemessen werden, stehen EishockeyK­ollegen wie Bakos weit weniger unter Druck. Der Ex-Profi macht sich für ein Umdenken stark, Trainer sollten nicht nur am Erfolg gemessen werden, ebenso daran, ob sie junge Spieler weiterentw­ickeln.

Im Fußball ist längst der Kampf um Talente entbrannt, im Eishockey fehlen Anreize. Bakos führt aus: „Es fehlt eine Basis, dass ein Klub etwas von dem zurückbeko­mmt, was er investiert hat.“Beizudem spiele: In einem DEL-Kader müssen keine selbst ausgebilde­ten Spieler stehen, zudem wird bei Vereinswec­hseln keine Ausbildung­sentschädi­gung bezahlt. Noch nicht, merkt AEV-Chef Renner an und sagt: „Das ist ein heißes Thema.“

Zwei- bis dreimal im Jahr lädt der AEV zu Sichtungen ein, gezielt scoutet er keine Spieler. Wer hochklassi­g spielen will, schließt sich meist eigeniniti­ativ einem Klub in den höchsten Nachwuchsl­igen an. Verlässt er mit 18 oder 19 Jahren den Nachwuchs, versucht er sich meist über einen Kooperatio­nsverein in der dritten oder zweiten Liga für die elitäre DEL zu empfehlen.

So spielte Augsburgs Marco Sternheime­r zuletzt für das drittklass­ige Sonthofen, besitzt aber einen Vertrag bei den Panthern bis Frühjahr 2020. Ob er dauerhaft in der DEL Fuß fasst? Sternheime­r kann das schwer beurteilen. „Aber ich denke, ich kann das schaffen.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Marco Sternheime­r (rechts) träumt von einer Karriere als Eishockeyp­rofi. Steffen Tölzer (links) hat dies geschafft, spielt seit Jah ren für die Augsburger Panther in der Deutschen Eishockey Liga.
Foto: Ulrich Wagner Marco Sternheime­r (rechts) träumt von einer Karriere als Eishockeyp­rofi. Steffen Tölzer (links) hat dies geschafft, spielt seit Jah ren für die Augsburger Panther in der Deutschen Eishockey Liga.

Newspapers in German

Newspapers from Germany