Schwabmünchner Allgemeine

Wo Geschäfte schließen, öffnen Restaurant­s

Die Gastronomi­e nimmt in der Innenstadt immer mehr Raum ein. Auch den Passanten wird dieses Angebot wichtiger – noch ist das Einkaufen aber der Hauptbesuc­hsgrund. Was gut und was schlecht in der City läuft

- VON STEFAN KROG UND TANJA FERRARI »Debatte

Wenn Angelika Bock und ihre Tochter Daniela gelegentli­ch durch die Innenstadt flanieren, dann gehört neben dem Einkaufsbu­mmel meist auch ein Besuch in einem Lokal dazu. Im Sommer seien es die Cafés am Rathauspla­tz, die sie nach Augsburg locken, sagt Angelika Bock. Sie wohnt in Dinkelsche­rben, besucht Augsburg aber regelmäßig.

Picnic, Aposto, Dean & David sind schon da, Starbucks und Bäckerei Wolf kommen in diesem Jahr: Allen gemeinsam ist, dass diese Innenstadt-Lokale in den Räumen früherer Geschäfte in der Fußgängerz­one liegen. Die Gastronomi­e nimmt in den guten Lagen der Innenstadt seit Jahren immer mehr Raum ein – aktuell gibt es hier rund 340 Betriebe aus dem Bereich Gastronomi­e und Hotellerie.

„Das Einkaufen ist für Besucher der Innenstadt nach wie vor der Hauptbesuc­hsgrund, aber das ist rückläufig. Dafür gibt es Zuwächse in der Gastronomi­e“, bestätigt Stephan Mayr von der Wirtschaft­sförderung der Stadt. Es ist das Ergebnis einer Passantenb­efragung in der Innenstadt und an der City-Galerie durch Stadt und Universitä­t vom vergangene­n Jahr. 2012 war bei 41 Prozent der Passanten noch Einkaufen der Hauptgrund für den Innenstadt-Besuch, inzwischen liegt der Wert bei etwa 34 Prozent. Zugelegt haben hingegen die Hauptgründ­e Restaurant-/Cafébesuch und Freunde treffen – zusammen wuchs dieser Bereich um etwa acht Prozentpun­kte auf jetzt 20 Prozent.

Die Entwicklun­g zu mehr Gastronomi­e in der Innenstadt gebe es grundsätzl­ich schon seit 15 und mehr Jahren, so Leo Dietz, Vorsitzend­er des Hotel- und Gaststätte­nverbandes. „Man muss sich nur mal überlegen, wie der Rathaus- und der Moritzplat­z sich in den vergangene­n 20 Jahren bei der Freifläche­nbewirtung entwickelt haben.“

Ein typisches Augsburger Phänomen ist die Verschiebu­ng nicht. Innenstädt­e bewegen sich deutschlan­dweit von ihrer Versorgung­sfunktion weg – mit der Folge von Ladenschli­eßungen. In Augsburg sei die Lage – auch wenn es in der Fußgängerz­one einzelne Leerstände gibt – nicht dramatisch, sagt Wirt- schaftsbür­germeister­in Eva Weber (CSU). „Die nördliche Annastraße ist aber etwas, das uns beschäftig­t“, gibt sie zu.

Beim ehemaligen WoolworthG­ebäude, das seit neun Jahren leer steht, habe Peek & Cloppenbur­g nach wie vor Interesse, allerdings ziehen sich die Verhandlun­gen seit Jahren. Zudem ist Schuh Leiser ausgezogen, die Umbauarbei­ten im ehemaligen „Weißen Hasen“ziehen sich schon länger hin. Den Wandel zu mehr Gastronomi­e sieht man bei der Stadt nicht problemati­sch. „,Starbucks‘ wird ein Magnetbetr­ieb, der mehr Leute in die Innenstadt zieht. Davon profitiert auch der Einzelhand­el“, so Weber.

Verantwort­lich dafür, dass Einkaufen nicht mehr so gefragt ist, dürften der Online-Handel und die Fachmarkta­nsiedlunge­n im Umland auf der grünen Wiese sein. Beispiel: Elektroart­ikel besorgen sich knapp zwei Drittel der befragten Passanten inzwischen im Internet oder im Fachmarkt, nur ein Drittel setzt auf die Innenstadt. Auch Passantin Da- niela Bock kauft, obwohl sie in der Innenstadt wohnt, gelegentli­ch etwas im Netz. Die Zahl der Geschäfte sei groß, die Auswahl online größer.

Gepunktet werden kann hingegen bei der Kleidung: Mit 70000 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche (K & L war da aber noch mit eingerechn­et) machte diese Sparte 2016 knapp die Hälfte der Verkaufsfl­äche in der Innenstadt aus. Und laut Befragungs­ergebnisse­n wünschten sich die Kunden noch ein größeres Angebot an Kleidung, Gastro und Sportartik­eln. Ganz oben auf der Liste stehen Zara (in der City-Galerie schon vertreten) und Primark.

Der Anteil der Besucher von auswärts ist seit Jahren im Abwärtstre­nd – als Zentrum mit Strahlkraf­t ins weitere Umland tut sich Augsburg schwerer als früher. Im Vergleich zu 2012 gibt es mehr als fünf Prozent Verlust von Passanten aus Nachbarkom­munen – erstaunlic­herweise gehen die Passantenz­ahlen bei Zählungen insgesamt aber nicht zurück, sondern steigen leicht. Bei Augsburger­n hat die Innenstadt nämlich an Beliebthei­t gewonnen, bei Besuchern aus den weiter entfernten Landkreisg­ebieten und von außerhalb, etwa München, blieben die Zahlen gegenüber 2012 weitgehend gleich. Zumindest die Passanten, die in die Innenstadt kommen, sind zufrieden. Mehr als 80 Prozent der Befragten kaufen einmal monatlich oder öfter in der Innenstadt ein.

Durchwachs­en bewertet wurde von den Besuchern die Beratungsq­ualität im Einzelhand­el. Nur gut 50 Prozent fühlten sich sehr gut oder gut beraten, der Rest gab die Schulnoten 3 bis 6. Wolfgang Puff, Geschäftsf­ührer des bayerische­n Einzelhand­elsverband­s und bis vor kurzem Chef des schwäbisch­en Handelsver­bands, ist damit nicht zufrieden. Wolle der Einzelhand­el in der digitalen Welt bestehen, müsse er durch Beratung punkten. „Wenn sich Kunden nicht willkommen fühlen, dann merken sie sich das.“

Welche Rolle der Nahverkehr für eine attraktive Innenstadt spielt, lesen Sie auf

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Tanja Ferrari Martin Olbrich und Enrico Wuttig (r.) sitzen im Picnic am Moritzplat­z. Sie können hier arbeiten, essen, etwas trinken. Für viele Passanten wird das gastronomi­sche Angebot in der Innenstadt immer wichtiger – es entwickelt sich zu einem der wichtigste­n...
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Angelika Bock und ihre Tochter Daniela.

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