Zum Auftakt kommt Brecht auf den Prüfstand
Gestern war Start im Martinipark. Die Eröffnung war ein Novum – aus zweierlei Gründen
Die Frage nach dem Ich und Wir, nach dem Egoismus und der Solidarität hat Festivalleiter Patrick Wengenroth in den Mittelpunkt des diesjährigen Brechtfestivals gerückt. Das wurde auch am Freitagabend bei der Eröffnung im Martinipark deutlich, als Festivalleiter Patrick Wengenroth sich anstelle von Eröffnungsreden mit Kulturreferent Thomas Weitzel und Theaterintendant André Bücker über das kommende Festival und das Motto unterhielt.
Anstelle von halbstündigen Reden trat ein lockeres Gespräch. Der Festivalleiter spielte damit, dass er eigentlich nur noch an das Marketing denke, erwähnte auch, wie viel einfacher es in diesem Jahr für ihn sei, wo er auch die neuen Theaterräume im Martinipark nutzen könne. Und Wengenroth erklärte, dass er sein Motto auch psychoanalytisch verstanden wissen möchte, als die Sicht auf das Ich und das Wir. Theaterintendant Bücker hob hervor, dass es für ihn in Augsburg als Intendant selbstverständlich sei, immer auch Werke von Bertolt Brecht auf den Spielplan zu setzen. Noch ein kurzes Lied von PerformanceKünstler Johannes Dullin, dann ertönte schon der erste Gong für die erste Premiere des diesjährigen Brechtfestivals.
Wie im Vorjahr hat Wengenroth das Festival mit zwei fast parallel nebeneinander stattfindenden Premieren eröffnet: Im Martinipark stand die Premiere von Brechts Dramenfragment „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“auf dem Programm, eine Stunde später startete im Sensemble-Theater die erste Vorstellung von „Der kalte Hauch des Geldes“, ein Stück des jungen und gefragten Dramatikers Alexander Eisenach.
Brechts „Fatzer“-Fragment wird selten gespielt, in Augsburg war es zuletzt in der Spielzeit 1987/88 zu sehen, damals in der Fassung von Heiner Müller. Jetzt aber bringt das Theater Augsburg eine eigene Fassung auf die Bühne – und mit ihr eine Sprechoper voller These, Absicht, Dialektik. Der Gedanke ist wichtiger als die Handlung um vier Soldaten, die aus dem Krieg desertiert sind und in Mühlheim an der Ruhr Fleisch und Revolution erwarten. Der Kessel steht unter Druck, das Fragment neuerlich auf dem Prüfstand und Kai Windhövel, breitbeinig und maßlos fordernd, seinen Mann in der Titelrolle. Das Werk aber bleibt schwierig. Trotzdem am Ende Zustimmung des Publikums.
Festivalmacher Wengenroth hat in diesem Jahr auf ein eigens zusammengestelltes Auftaktprogramm verzichtet und den ersten Abend in die künstlerische Verantwortung des Theaters Augsburg und des Sensemble-Theaters gelegt. Das gab es bislang in der Festivalhistorie noch nicht.
Das Brechtfestival geht bis 4. März. An diesem Samstag steht es im Zeichen der Musik, wenn die Lange Brechtnacht in Augsburg stattfindet. Unter anderem wird die amerikanische Band Algiers auftreten – auf der großen Bühne im Textilund Industriemuseum.
Wie die Premiere im Sensemble-Theater gefiel, lesen Sie heute im
regional, Seite 36.