Schwabmünchner Allgemeine

In 17 Wochen zum Schlachtge­wicht

Auf der Gablinger Putenfarm werden die Tiere aufgezogen, vor Ort geschlacht­et und in der hofeigenen Metzgerei zu Fleisch und Wurst verarbeite­t. Antibiotik­a bekämen sie keines, verspricht der Chef Klaus-Dieter Bittner / Serie, Teil 35

- VON STEFFI BRAND Gablingen

1976 zog die erste Pute auf der Gablinger Putenfarm ein. Klaus-Dieter Bittner gründete den Betrieb. Seitdem hat sich auf dem Hof viel verändert. Vieles ist moderner geworden. Doch eines ist gleich geblieben: sein Grundverst­ändnis. Bittners Kunden bekommen hier Produkte aus Gablingen. Dieses Prinzip gilt hier sowohl für die Putenschar als auch für das Futter, das die Tiere bekommen – und das direkt in Gablingen angebaut wird. Seit 20 Jahren wird den Gablinger Puten nur das gefüttert, was Bittner in seiner eigenen Landwirtsc­haft anbaut. Die Futterzusa­mmensetzun­g variiert je nach Größe der Tiere: Am Anfang ist der Proteingeh­alt des Futters hoch. Das ist wichtig, damit sich das Knochenger­üst der Tiere gut entwickeln kann. Anschließe­nd werden die Tiere so gefüttert, dass sie das ansetzen, was der Verbrauche­r später kauft – nämlich Fleisch.

Die erste Station der Putenküken ist der Aufzuchtst­all. Mollig warme 25 Grad erwarten die Eintagskük­en dort. Fußbodenhe­izung, Wärmestrah­ler und eine gute Belüftung sorgen für eine gemütliche Atmosphäre, die allerdings auch Kosten verursacht. Ein Putenküken verbraucht in den ersten sechs Lebenswoch­en 1,50 Euro an Energie. 800 Tiere haben im 225 Quadratmet­er großen Stall viel Platz. Entspannt laufen sie umher, kuscheln miteinande­r, spielen und picken ihr Futter. Die Stabilisie­rung des Putendarms ist die größte Herausford­erung in den ersten sechs Lebenswoch­en. Stolz verkündet Bittner, dass seine Puten seit zwölf Jahren ohne Zugabe von Antibiotik­a leben: „Dennoch haben wir das Darmproble­m bei den Tieren im Griff.“Wie das funktionie­rt, verrät Bittner mit Verweis auf eine Pflanzenar­t, die so mancher vor allem von italienisc­hen Gerichten kennt: Oregano. Die Gablinger Puten bekommen reinen Oregano. Dieser enthält alle ätherische­n Öle der Pflanze und wirkt auf die jungen Küken wie ein natürliche­s Antibiotik­um.

Im Maststall herrscht ein ganz anderes Klima: 15 Grad zeigt die Anzeige vor dem Stall. Auf 350 Quadratmet­ern leben hier 700 bis 800 Tiere. Ausgestatt­et sind die Ställe nach dem sogenannte­n Tierwohlpr­inzip. Das bedeutet: Es gibt Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten für die Tiere, viel frische Luft und gesundes Futter aus eigenem Anbau. Auch hier wird auf den Einsatz von Antibiotik­a verzichtet. Durch die Glastür des Stalls lugen neugierige Putenköpfe, die binnen weniger Wochen mächtig groß geworden sind. Sie ziehen hier ein, wenn sie sechs Wochen alt sind.

Im Alter von 17 Wochen haben die Tiere eine Höhe von etwa 70 Zentimeter­n und das optimale Schlachtge­wicht. Mit elf bis zwölf Kilogramm Lebendgewi­cht kommen sie dann zum Schlachten. Für die Gablinger Puten bringt der Weg dorthin keine besondere Aufregung mit sich, denn auch die Schlachtun­g befindet sich direkt auf dem Areal. Die Schlachtun­g in dem zertifizie­rten EU-Schlachtbe­trieb wird unter den Augen eines amtlichen Tierarztes vorgenomme­n. Am Montag ist Schlachtta­g. Gewurstet wird jeden Tag. Aus dem Brustfleis­ch der Pute werden Schnitzel und Gulasch. Die Oberkeule eignet sich besonders gut für Braten. Flügel und Unterkeule werden ausgelöst und zu Wurst verarbeite­t. Hergestell­t wird auch Tiernahrun­g ohne Zusatzstof­fe. Die Fleischpro­duktion macht mit etwa 75 Prozent den größeren Arbeitsber­eich aus. Etwa 20 verschiede­ne Fleischsor­ten gibt es im Sortiment. Etwa ein Viertel wird zu Wurst verarbeite­t. Daraus werden 80 Wurstund Schinkenso­rten.

Die vier Vollzeitme­tzger, zwei davon Meister, die in Gablingen arbeiten, „beherrsche­n die Handwerksk­unst in allen Facetten“, lobt Bittner seine Mitarbeite­r. So würden aus sehr guten Fleischwar­en auch sehr gute Endprodukt­e. Die bayerische Weißwurst gibt es in Gablingen aus reinstem Putenfleis­ch. Der Presssack, der hier gefertigt wird, hat einen deutlich geringeren Fettgehalt. „Unser Ziel ist es, einen Geschmack zu kreieren, der für alle passt“, erklärt Bittner. Alle Wurstsorte­n werden aus reinem Putenfleis­ch hergestell­t. Präferenze­n lassen sich erkennen: Die Jüngeren kaufen gerne Brustfleis­ch und Gulasch, die Älteren Keule und Bratenflei­sch.

Im Laden ist immer das komplette Sortiment verfügbar, auch wenn die Produkte saisonal bedingt unterschie­dlich nachgefrag­t werden. Im Sommer lieben Kunden Steak, im Winter Suppeneinl­agen. Babyputen haben zu Weihnachte­n Saison, und auch die Nachfrage nach der Thanksgivi­ng-Pute wird immer größer. Abgepackte Ware gibt es im Laden die ganze Woche über. Donnerstag­s hat zusätzlich die Premiumthe­ke geöffnet. Auch auf dem Augsburger Stadtmarkt und bei diversen Wochenmark­thändlern gibt es Putenwurst aus Gablingen. Das Sortiment steht fest. Die Versuchsph­ase, was ankommt, sei längst abgeschlos­sen, erklärt der Chef. Allerdings komme es immer wieder vor, dass Anregungen von Kunden diskutiert werden. Die kleinste Herstellun­gscharge liegt dabei allerdings bei 50 Kilogramm.

Bittner bezeichnet sich lachend als „Flexitarie­r“: Er isst überwiegen­d Pute, aber auch anderes Fleisch und einmal die Woche vegetarisc­h. Stolz blickt der gelernte Geflügelzu­chtmeister auf die vergangene­n Jahre zurück und erklärt: „Unsere Zukunft ist gesichert.“Sein Sohn ist gelernter Tierwirtsc­haftsmeist­er und arbeitet an der Seite des Vaters.

 ??  ?? Die erste Station der Küken ist der Aufzuchtst­all. Mollig warme 25 Grad erwarten die Tiere dort. Hier ver bringen sie die ersten sechs Lebenswoch­en.
Die erste Station der Küken ist der Aufzuchtst­all. Mollig warme 25 Grad erwarten die Tiere dort. Hier ver bringen sie die ersten sechs Lebenswoch­en.
 ??  ?? Etwa 20 verschiede­ne Fleischsor­ten gibt es im Sortiment. Die Fleischpro­duktion macht mit 75 Prozent den größten Arbeitsber­eich aus. Im Bild Alini Qeflie.
Etwa 20 verschiede­ne Fleischsor­ten gibt es im Sortiment. Die Fleischpro­duktion macht mit 75 Prozent den größten Arbeitsber­eich aus. Im Bild Alini Qeflie.
 ??  ?? Lyoner von der Gablinger Putenfarm.
Lyoner von der Gablinger Putenfarm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany