Schwabmünchner Allgemeine

Der Heckenstre­it von Mindelheim

Beim Ausbau des Mühlwegs soll Anliegern der Eindruck vermittelt worden sein, dass ihre Hecke auf städtische­m Grund steht

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim War es ein bloßes Missverstä­ndnis mit weitrechen­den Folgen, weil sich die Anlieger überrumpel­t gefühlt haben? Oder haben tatsächlic­h ein Mitarbeite­r des Ingenieurb­üros und der Tiefbauamt­schef der Stadt Mindelheim eine voreilige Aussage gemacht? Der Ausbau des Mühlwegs in Mindelheim hat nun jedenfalls zu einem Schadenser­satzprozes­s am Landgerich­t Memmingen geführt. Streitwert: knapp 21 000 Euro.

Noch ist in dem Zivilstrei­t kein Urteil gefallen. Das könnte Ende Februar der Fall sein. Die Richterin deutete aber in der zweistündi­gen Beweisaufn­ahme an, dass womöglich weitere Ermittlung­en notwendig sein könnten. Der Streit geht um eine rund 30 Meter lange und 2,50 Meter hohe Thujahecke, die rund 30 Jahre alt ist. Sie war auf Anraten der Bauexperte­n von den Anliegern beseitigt worden.

Der Ausbau des Mühlwegs war im Frühjahr 2014 angepackt worden. Fahrstraße und Gehweg waren bereits aufgerisse­n, als es am 11. Juni 2014 zu einem folgenschw­eren Gespräch am Gartenzaun gekommen sein soll. Was genau und von wem gesprochen wurde, da widersprac­hen sich die Zeugen.

Zeuge eins ist der Ehemann der Klägerin. Er sagte aus, der Leiter der Baustelle und der Tiefbauamt­sleiter der Stadt hätten gesagt, die Hecke müsse weg, weil sie „auf städtische­m Grund“wachse. „Wir waren voll überrumpel­t“, sagte der 45-Jährige. Er und seine Frau seien davon ausgegange­n, dass vor den Bauarbeite­n alles sorgsam vermessen worden sei. Deshalb hätten sie sich in einem Kraftakt schon in der Folgewoche in das scheinbar Unvermeidl­iche gefügt. 50 Stunden hätten sie geschafft.

Zeuge zwei ist der Tiefbauamt­sleiter. Bei ihm hörte sich das völlig anders an. Die Randsteine seien in schlechtem Zustand gewesen. Sie hätten ausgetausc­ht werden müssen. In diesem Zusammenha­ng sei auf die Gefahr hingewiese­n worden, dass die Wurzeln der Hecke beschädigt werden könnten. Also wäre es sinnvoll, die alte Hecke gleich durch eine neue zu ersetzen. Die Arbeiten sollte die Familie erledigen, für neue Pflanzen würde die Stadt 1000 Euro überweisen. Das ist dann auch geschehen. Die Stadt hat auch Wurzelwerk und Zweige entsorgt.

Am Brückentag direkt nach Fronleichn­am 2014 wurde die Hausbesitz­erin misstrauis­ch. Sie ließ stutzig werden, dass die Stadt 1000 Euro angeboten habe, obwohl die Hecke doch angeblich nicht auf städtische­n Grund stehe.

Zeuge drei ist der Bauleiter der Firma. Er legte eine Bescheinig­ung seines Arbeitgebe­rs vor, dass er an jenem besagten 11. Juni 2014 gar nicht an der Baustelle gewesen sei. Er habe Innendiens­t verrichtet. An genaue Gespräche konnte er sich nicht mehr erinnern. Es sei aber davon auszugehen, dass er und der Tiefbauamt­sleiter in verschiede­nen Gesprächen die Nachbarn darauf hingewiese­n hätten, dass die Hecke durch die Arbeiten gefährdet sei, formuliert­e er vage.

Er habe zunächst den Eindruck gehabt, dass die Hecke tatsächlic­h in städtische­n Grund hineinrage. Hier hakte der Rechtsanwa­lt der Klägerin, Ottmar Huffschmid, ein. Ob bei den Nachbarn der Eindruck entstanden sein könnte, dass die Hecke auf städtische­m Grund stehe? Daraufhin der Zeuge: „Mir persönlich schien es: Hoppla, da springt was rüber.“Da müsse eine Klärung her. Er habe aber keinerlei Anlass, der Stadt beizusprin­gen. Der Gehweg hätte in jedem Fall gebaut werden können. Der Platz dafür sei ausreichen­d. Zehn bis 15 Zentimeter Spielraum seien vorhanden gewesen. Nach Aussage des Tiefbauamt­sleiters sei der Grenzstein deutlich markiert und daher gut sichtbar gewesen. Dem widersprac­h die Klägerin. Der Grenzstein sei zugeschütt­et gewesen.

Die Verhandlun­g war zunächst nur als Gütetermin angesetzt gewesen. Deshalb lotete die Richterin vor Eintritt in die Beweisaufn­ahme aus, ob es nicht womöglich eine gütliche Einigung geben könnte. Schließlic­h verursacht jedes Verfahren Kosten. Dem schienen beide Seiten nicht abgeneigt.

Rechtsanwa­lt Josef Dietrich erklärte allerdings für Mindelheim, dass die Haftpflich­tversicher­ung eine Beweisaufn­ahme fordere.

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Foto: mz Wegen Straßenbau­arbeiten musste die alte Thujahecke weichen.

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