Der Heckenstreit von Mindelheim
Beim Ausbau des Mühlwegs soll Anliegern der Eindruck vermittelt worden sein, dass ihre Hecke auf städtischem Grund steht
Mindelheim War es ein bloßes Missverständnis mit weitrechenden Folgen, weil sich die Anlieger überrumpelt gefühlt haben? Oder haben tatsächlich ein Mitarbeiter des Ingenieurbüros und der Tiefbauamtschef der Stadt Mindelheim eine voreilige Aussage gemacht? Der Ausbau des Mühlwegs in Mindelheim hat nun jedenfalls zu einem Schadensersatzprozess am Landgericht Memmingen geführt. Streitwert: knapp 21 000 Euro.
Noch ist in dem Zivilstreit kein Urteil gefallen. Das könnte Ende Februar der Fall sein. Die Richterin deutete aber in der zweistündigen Beweisaufnahme an, dass womöglich weitere Ermittlungen notwendig sein könnten. Der Streit geht um eine rund 30 Meter lange und 2,50 Meter hohe Thujahecke, die rund 30 Jahre alt ist. Sie war auf Anraten der Bauexperten von den Anliegern beseitigt worden.
Der Ausbau des Mühlwegs war im Frühjahr 2014 angepackt worden. Fahrstraße und Gehweg waren bereits aufgerissen, als es am 11. Juni 2014 zu einem folgenschweren Gespräch am Gartenzaun gekommen sein soll. Was genau und von wem gesprochen wurde, da widersprachen sich die Zeugen.
Zeuge eins ist der Ehemann der Klägerin. Er sagte aus, der Leiter der Baustelle und der Tiefbauamtsleiter der Stadt hätten gesagt, die Hecke müsse weg, weil sie „auf städtischem Grund“wachse. „Wir waren voll überrumpelt“, sagte der 45-Jährige. Er und seine Frau seien davon ausgegangen, dass vor den Bauarbeiten alles sorgsam vermessen worden sei. Deshalb hätten sie sich in einem Kraftakt schon in der Folgewoche in das scheinbar Unvermeidliche gefügt. 50 Stunden hätten sie geschafft.
Zeuge zwei ist der Tiefbauamtsleiter. Bei ihm hörte sich das völlig anders an. Die Randsteine seien in schlechtem Zustand gewesen. Sie hätten ausgetauscht werden müssen. In diesem Zusammenhang sei auf die Gefahr hingewiesen worden, dass die Wurzeln der Hecke beschädigt werden könnten. Also wäre es sinnvoll, die alte Hecke gleich durch eine neue zu ersetzen. Die Arbeiten sollte die Familie erledigen, für neue Pflanzen würde die Stadt 1000 Euro überweisen. Das ist dann auch geschehen. Die Stadt hat auch Wurzelwerk und Zweige entsorgt.
Am Brückentag direkt nach Fronleichnam 2014 wurde die Hausbesitzerin misstrauisch. Sie ließ stutzig werden, dass die Stadt 1000 Euro angeboten habe, obwohl die Hecke doch angeblich nicht auf städtischen Grund stehe.
Zeuge drei ist der Bauleiter der Firma. Er legte eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor, dass er an jenem besagten 11. Juni 2014 gar nicht an der Baustelle gewesen sei. Er habe Innendienst verrichtet. An genaue Gespräche konnte er sich nicht mehr erinnern. Es sei aber davon auszugehen, dass er und der Tiefbauamtsleiter in verschiedenen Gesprächen die Nachbarn darauf hingewiesen hätten, dass die Hecke durch die Arbeiten gefährdet sei, formulierte er vage.
Er habe zunächst den Eindruck gehabt, dass die Hecke tatsächlich in städtischen Grund hineinrage. Hier hakte der Rechtsanwalt der Klägerin, Ottmar Huffschmid, ein. Ob bei den Nachbarn der Eindruck entstanden sein könnte, dass die Hecke auf städtischem Grund stehe? Daraufhin der Zeuge: „Mir persönlich schien es: Hoppla, da springt was rüber.“Da müsse eine Klärung her. Er habe aber keinerlei Anlass, der Stadt beizuspringen. Der Gehweg hätte in jedem Fall gebaut werden können. Der Platz dafür sei ausreichend. Zehn bis 15 Zentimeter Spielraum seien vorhanden gewesen. Nach Aussage des Tiefbauamtsleiters sei der Grenzstein deutlich markiert und daher gut sichtbar gewesen. Dem widersprach die Klägerin. Der Grenzstein sei zugeschüttet gewesen.
Die Verhandlung war zunächst nur als Gütetermin angesetzt gewesen. Deshalb lotete die Richterin vor Eintritt in die Beweisaufnahme aus, ob es nicht womöglich eine gütliche Einigung geben könnte. Schließlich verursacht jedes Verfahren Kosten. Dem schienen beide Seiten nicht abgeneigt.
Rechtsanwalt Josef Dietrich erklärte allerdings für Mindelheim, dass die Haftpflichtversicherung eine Beweisaufnahme fordere.