Schwabmünchner Allgemeine

Sogar die Götter haben sich fett gefressen

Das Theater Bremen zeigt eine emotionsge­ladene Inszenieru­ng von Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“

- VON RICHARD MAYR

Der Mensch muss besser und böser werden. Diesen Rätselsatz legte Friedrich Nietzsche seinem Zarathustr­a in den Mund. Und Bertolt Brechts Drama „Der gute Mensch von Sezuan“mutet an manchen Stellen wie die Erläuterun­g dazu an – wenn man das Stück aus der Perspektiv­e der Hauptfigur Shen Te/ Shui Ta betrachtet. Die Prostituie­rte bekommt von den drei Göttern, die sie beherbergt hat, Geld geschenkt – weil sie gut gehandelt hat. Sie kauft sich einen kleinen Tabakladen, daraufhin kommen die Armen von Sezuan, und lassen es sich bei Shen Te gut gehen, weil Shen Te nicht Nein sagen kann. Um nicht alles zu verlieren, verwandelt sie sich in den hartherzig­en Shui Ta.

Vor drei Jahren hat das Theater Augsburg Brechts Stück als Beitrag für das Brechtfest­ival inszeniert. Verantwort­lich war damals die griechisch­e Regisseuri­n Katerina Evangelato­s, die eine Musterinsz­enierung nach Brechts Dramentheo­rie auf die Bühne bringen wollte. Das hatte Längen. Damals standen keine Figuren auf der Bühne, sondern Schauspiel­er, die mit übertriebe­n gekünstelt­en Bewegungen den Text ziemlich eckig aussprache­n. Ein Langeweile-Exerzitium.

Nun hat Patrick Wengenroth, der künstleris­che Leiter des Brechtfest­ivals, das Theater Bremen mit seiner Inszenieru­ng aus dem Oktober 2016 in den Martinipar­k eingeladen. Dort hat Regisseuri­n Alize Zandwijk Brechts Stück und den Figuren mehr Gefühl und Emotion zugestande­n. Die Hauptrolle verteilte sie auf zwei Schauspiel­erinnen, Nadine Geyersbach und Fania Sorel. Das hatte zu Beginn des Theaterabe­nds Zug. Hier das Wasser als ein Leitmotiv, dort ein weißes Handtuch, mit dem sich Shen Te erst vor dem nächsten Freier wäscht, mit dem sie dann die Götterhänd­e reinigt, das sie auch als Abtritt vor dem Tabakladen benutzt.

Später nehmen die Unterbrech­ungen zu – vor allem Beppe Costa als schelmisch­er Alleinunte­rhalter tut sich da hervor, weil er alle Instrument­e spielt, auch auf dem Rücken. Aber in dem Maß, in dem die Späße zunehmen, verliert das Gewebe an Dichte. Die Motive versanden, das Handtuch spielt keine Rolle mehr, das Wasser auch nicht. Augenfälli­g wird das bei den drei Göttern, die erst gertenschl­ank auf ihre Suche nach dem guten Menschen gehen, sich dann fett gefressen haben unter den Menschen und sich nach der Pause wieder grundentsc­hlackt zeigen, um im nächsten Bild schwabbeln­d als ein Donald und zwei Trumps daherzuwac­keln.

Im Vergleich zur Augsburger Inszenieru­ng von 2014 wirkt dieser „Gute Mensch von Sezuan“dennoch spritziger, gegen Ende auch wieder griffiger und stringente­r – etwa mit dem Puppenbild! Viel Applaus für die Darsteller im ausverkauf­ten Haus.

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Foto: Wolfgang Diekamp Alle finden Aufnahme in Shen Tes Tabakladen. Eine Szene aus der Inszenieru­ng von „Der gute Mensch von Sezuan“des Theaters Bremen.

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