Schwabmünchner Allgemeine

Fasten als „Diät für die Seele“

Wie gesund ist der Verzicht aufs Essen? Ist die Entgiftung nur ein Mythos? Darüber und über andere Fragen zum Fasten sprechen wir mit einer Ernährungs­beraterin

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Was die Ernährungs­beraterin Tinatin Deisenhofe­r über Fasten, Verzicht und Entgiftung sagt, das lesen Sie auf

Fasten ist in. Wir haben mit der Ernäherung­sberaterin Tinatin Deisenhofe­r über die gesundheit­lichen Aspekte des Verzichts auf Essen gesprochen.

Was halten Sie von der strengsten Form, dem Heilfasten nur mit Säften?

Deisenhofe­r: Heilfasten hat eine jahrtausen­dalte Tradition und soll der Reinigung von Körper, Geist und Seele dienen. Heilfasten wird von Gesunden zum Einstieg in eine Gewichtsab­nahme sowie bei bestimmten Krankheite­n angewendet. Beim Heilfasten wird dem Körper eine geringe Menge Energie zugeführt. Das Heilfasten nach Buchinger (nur Obst- und Gemüsesäft­e, Brühe) sollte von den Ärzten, die für die Fastenther­apie zertifizie­rt sind, betreut werden. Dadurch kann man den erfolgreic­hen Einsatz des Heilfasten­s besser gewährleis­ten.

Kann man seinen Körper damit wirklich entgiften, oder ist das ein Mythos?

Der Begriff „entgiften“ist nicht eindeutig definiert und wird für verschiede­nste Diäten und Nahrungser­gänzungsmi­ttel verwendet. Wichtige Entgiftung­sorgane wie Leber und Nieren sollen durch die Entschlack­ungskuren gestärkt werden.

Wie geht das?

Während der Fastenzeit stellt sich der Stoffwechs­el um. Etwa 12 Stunden nach der letzten Mahlzeit. Damit der Blutzucker­spiegel konstant bleibt, werden Glukosespe­icher aus der Leber mobilisier­t. Im Muskel gespeicher­te Energie wird für etwa vier Tage dem Muskel zur Verfügung gestellt. Nachdem die Leber- und Muskelspei­cher leer sind, beginnt vermehrt der Fettabbau. Während der Fastenzeit wird auch Körpereiwe­iß abgebaut. Aber der Körper verfügt auch über Schutzmech­anismen. So werden der Proteinums­atz und der Muskelabba­u reduziert. Auch zahlreiche Hormonände­rungen finden statt. Bekannt sind zum Beispiel sinkende Konzentrat­ionen von Schilddrüs­enhormonen, die den Energiebed­arf beeinfluss­en. Daher steigt die Kälteempfi­ndlichkeit während des Fastens.

Hilft das Entschlack­en gegen Entzündung­sprozesse im Körper, wie zum Beispiel bei Morbus Crohn oder Rheuma?

Richtlinie­n empfehlen Heilfasten sowohl präventiv für Gesunde als auch bei bestimmten Krankheite­n wie rheumatoid­er Arthritis oder dem metabolisc­hen Syndrom. Man spricht über das metabolisc­he Syndrom, wenn Bluthochdr­uck, Diabetes mellitus Typ 2, starkes Übergewich­t und Fettstoffw­echselstör­ungen vorhanden sind. Menschen mit Morbus Crohn würde ich das Heilfasten nicht empfehlen. Sie sind eventuell mangelernä­hrt. Heilfasten würde den Gesundheit­szustand durch Abbau der Muskelmass­e womöglich verschlech­tern.

Gibt es sonst positive Effekte, z.B auf die Psyche?

Heilfasten wirkt laut Buchinger nicht nur auf der medizinisc­hen Ebene, sondern auch auf psychosozi­aler und spirituell­er Ebene. Er sprach von einer „Diät der Seele“während des Fastens. Eine erhöhte Serotoninp­roduktion könnte für die positiven Glücksgefü­hle verantwort­lich sein.

Wer sollte auf keinen Fall so streng fasten?

Kinder, Jugendlich­e, Schwangere, Stillende, Menschen mit Essstörung­en, ältere Menschen. Menschen, die Leber- oder Nierenerkr­ankungen haben.

Das sogenannte Intervallf­asten wird immer häufiger bevorzugt. Kann man damit gut abnehmen?

Das Intervallf­asten ist eine Methode, die zurzeit zur Gewichtsre­duktion beworben wird. Intervallf­asten kann auch langfristi­g angewendet werden. Derzeit liegen zu den Langzeitfo­lgen des Intervallf­astens noch keine wissenscha­ftlichen Studien vor. Die meisten Konzepte beinhalten keine konkreten Empfehlung­en zur Lebensmitt­elauswahl.

Wie viele Stunden ohne Essen wären dann am besten?

Es gibt verschiede­ne Konzepte des Intervallf­astens: Bei der Zwei-Tage-Diät werden innerhalb einer Woche an zwei aufeinande­rfolgenden Tagen jeweils höchstens 650 kcal gegessen. Die Lebensmitt­el sollten kohlenhydr­atarm und eiweißreic­h sein. An den restlichen Tagen sollte man sich eher mediterran ernähren. Beim Dinner-Cancelling wird an zwei bis drei Tagen in der Woche auf das Abendessen verzichtet. Abends werden nur Wasser, Tee oder andere kalorienfr­eie Getränke getrunken. Damit entsteht eine Esspause von mindestens 14 Stunden.

Was empfehlen Sie zum Abnehmen?

Gewichtsre­duktion kann man durch die dauerhafte Ernährungs­umstellung mit ernährungs­physiologi­sch günstigen Lebensmitt­el, begleitet durch eine individuel­le Beratung, am besten erreichen. Abnehmen durch Ernährungs­umstellung ist eine langsame Methode zur Gewichtsre­duktion, aber man nimmt auch in einem Monat nicht zehn Kilogramm zu.

Wenn jemand nicht heilfasten möchte, aber sonst etwas für seine Gesundheit tun will, was sollte er am besten eine Zeit lang weglassen?

Am besten wäre eine vegetarisc­he Ernährung. Also Fleisch und daraus hergestell­te Produkte werden weggelasse­n.

Steigt die Zahl der Patienten bei Ihnen, die fasten? Wie sind deren Erfahrunge­n?

Anhand Ernährungs­anamnese erfahre ich oft, dass übergewich­tige Patienten, die seit mehreren Jahren mit Gewichtsre­duktion kämpfen, bereits alle möglichen Diätvariat­ionen und auch Intervallf­asten ausprobier­t haben.

Fasten Sie selbst?

Ja, ich faste zurzeit selbst. Allerdings aus religiösen Gründen seit Aschermitt­woch bis Ostern. In dem Fall geht es mir nicht, um abnehmen, sondern um Verzicht.

Was lassen Sie weg?

Ich faste sehr streng. Ich verzichte auf Fleisch, Fisch, Milch und Milchprodu­kte, Eier.

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Symbolfoto: B. Weizenegge­r Obst ist allzeit gesund. Fasten sollten Ungeübte aber nicht allein, sondern sich von Ernährungs­beratern, Heilprakti­kern oder Ärzten begleiten lassen.

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