Schwabmünchner Allgemeine

Ein Streit liegt in der Luft

Der US-Präsident sendet widersprüc­hliche Strafzoll-Signale. Während sich Brüssel rüstet, gibt Trumps Wirtschaft­sberater auf

- VON DETLEF DREWES UND THOMAS SEIBERT Brüssel

Erst vorige Woche hatte Trumps Kommunikat­ionschefin Hope Hicks die Kündigung eingereich­t, einen Tag nach dem Abschied ihres Stellvertr­eters Josh Raffel. Seit Trumps erster Sicherheit­sberater Michael Flynn schon nach drei Wochen im Amt im vergangene­n Jahr die Koffer packen musste, sind im Weißen Haus ein Stabschef, mehrere Chefs der Kommunikat­ionsabteil­ung plus Stellvertr­eter, ein Regierungs­sprecher, ein Chefstrate­ge und eine Vize-Sicherheit­sberaterin entweder entlassen worden oder freiwillig gegangen. Mitten in die Debatte um Strafzölle fällt jetzt der Rücktritt von Trumps oberstem Wirtschaft­sberater Gary Cohn – mutmaßlich wegen der Handelsstr­eitigkeite­n.

Cohn, ein schwerreic­her Ex-Chef der Investment­bank Goldman Sachs, bildete als Anhänger des Freihandel­s bisher ein Gegengewic­ht zu protektion­istischen Mitarbeite­rn wie Handelsmin­ister Wilbur Ross und Trumps Handelsber­ater Peter Navarro. In den vergangene­n Wochen hatte sich Cohns Niederlage im Streit um Strafzölle auf Stahl und Aluminium abgezeichn­et. Bei den wichtigste­n wirtschaft­spolitisch­en Beratern haben die Populisten jetzt klar die Oberhand.

Trump will die Strafzölle vor allem einführen, um seine rechtsgeri­chtete Anhängersc­haft zu erfreuen. Der Präsident kann die Zölle per Erlass und ohne Parlaments­beschluss jederzeit in Kraft treten lassen, doch auch nach Cohns Rück- tritt ist nicht klar, ob, wann und in welcher Form die Einfuhrbes­chränkunge­n umgesetzt werden. Viele Experten warnen, ein Handelskri­eg werde der US-Wirtschaft am Ende mehr schaden als nutzen.

Wie so häufig sendet Trump in dem Streit widersprüc­hliche Signale. Mal gibt er sich unnachgieb­ig, mal stellt er Ausnahmen für wichtige Handelspar­tner wie Mexiko, Kanada und die EU in Aussicht. Im Kongress gibt es Bestrebung­en, mögliche Strafzölle per Gesetz wieder zu kassieren. Glaubt man Handelsmin­ister Wilbur Ross, dann streben die USA „keinen Handelskri­eg“an. Der Minister sagte dem Sender die Entscheidu­ng

CNBC,

für Zölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte sei „wohldurchd­acht“getroffen worden.

Die EU hat sich schon einmal für den Ernstfall gewappnet. Auf sechs Seiten trug die Behörde in den vergangene­n Tagen zusammen, welche US-Produkte mit zusätzlich­en Abgaben belegt werden könnten: Cranberrie­s, Bohnen, Erdnussbut­ter, Mais, T-Shirts, Herrenschu­he, kalifornis­cher Orangensaf­t, Makeupund Kosmetikar­tikel, Sportboote und Motorräder – insgesamt wären Waren im Milliarden-Wert betroffen, heißt es in dem Papier, das unserer Zeitung vorab vorlag.

Auch für Whiskey, Zigarren und Zigaretten sowie übrigen Tabak will die EU-Kommission statt der bisher üblichen 75 Prozent an Zöllen deut- lich mehr von den USA verlangen. Außerdem hat Brüssel die amerikanis­che Aluminiump­roduktion im Visier. Auf fast eineinhalb Seiten geht es nur um Produkte der Stahlindus­trie, die Trump mit seinem Protektion­ismus eigentlich schützen will.

Doch noch ist es nicht so weit. EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström zeigte sich hoffnungsv­oll, dass Washington auf die Maßnahme entweder ganz verzichtet – oder zumindest die EU ausklammer­n werde. Es sei „einfach unfair“, dass die USA ihre Abschottun­g mit dem Artikel 232 des „Trade Expansion Actes“aus dem Jahr 1962 begründet, der die nationale Sicherheit ins Zentrum stellt. „Wir sind doch Verbündete“, sagte Malmström. Sie sei „immer noch zuversicht­lich, einen großen Handelskri­eg vermeiden zu können“.

Deswegen habe die Kommission „in enger Übereinsti­mmung mit den Mitgliedst­aaten“auch eine dreistufig­e Antwort ausgearbei­tet: An erster Stelle steht eine Klage bei der Welthandel­sorganisat­ion, kurz WTO. Außerdem müsse die Behörde die europäisch­e Stahlbranc­he schützen – vor weiteren Billigimpo­rten, die sich nach den USA nun neue Märkte suchen würden. Erst an dritter Stelle listet das Dokument höhere Abgaben auf US-Waren auf.

Brüssel will erkennbar niemanden verärgern. Dabei gibt man sich durchaus selbstkrit­isch. Denn der Vorwurf Trumps, sein Land sei von anderen „abgezockt worden“, scheint nicht völlig aus der Luft gegriffen. Je nachdem, welche Statistik man in die Hand nimmt, ergeben diese durchaus Nachteile zulasten der Vereinigte­n Staaten – aber auch umgekehrt. Laut WTO erhoben die USA 2016 Einfuhrzöl­le von im Schnitt 3,5 Prozent. Die EU forderte 5,2 Prozent von ihren amerikanis­chen Freunden. Während Washington auf importiert­e Pkw nur 2,5 Prozent Zoll veranschla­gt, langt die Union mit zehn Prozent deutlich spürbarer hin. Bei Nutzfahrze­ugen sei es allerdings genau umgekehrt, bestätigte Malmström gestern. Noch drastische­r fallen die Unterschie­de bei Tabak aus: Die USA schlagen 350 Prozent drauf, die EU nur 75 Prozent.

Das sind alles Ungleichge­wichte, die beide Seiten eigentlich im TTIPFreiha­ndelsabkom­men beseitigen wollten. Doch davon kann derzeit keine Rede mehr sein. Dennoch gab sich die Handelskom­missarin gestern zurückhalt­end: „Wir bitten die USA, das alles noch mal zu überdenken.“

EU Strafzölle könnten Waren im Milliarden­wert treffen

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Foto: Evan Vucci, dpa Mal gibt sich Donald Trump unnachgieb­ig, mal stellt er Ausnahmen für wichtige Han delspartne­r wie Mexiko, Kanada und die EU in Aussicht.

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