Schwabmünchner Allgemeine

Künstlerin­nen fallen aus dem Rahmen

Der Kunstwelt ist noch immer männerdomi­niert. Rachel Kohn will das mit ihrem Frauenmuse­um ändern

- Frau Kohn, brauchen wir einen Weltfrauen­tag? Rachel Kohn: Auf jeden Fall. Kohn: Kohn: Kohn: Fotos: Lachmayr, dred2010/fotolia Kohn: Kohn: Rachel Kohn

Warum?

Dass Frauen Rechte haben, ist in vielen Teilen der Welt nicht in den Gesellscha­ften verankert. Mit der gerade stattfinde­nden Einwanderu­ng von Menschen aus anderen Kulturen merken wir, dass unsere Emanzipati­on noch nicht so festzement­iert ist, dass sie nicht in

Gefahr wäre, ausgehebel­t zu werden. Wenn dann eine AfD kommt und die Frau wieder zurück an den Herd stellen will, glaube ich, dass wir unsere Rechte weiterhin verteidige­n müssen.

Kann Kunst dabei helfen?

Kohn: Ja, auch. Kunst ist eine Auseinande­rsetzung mit allen Bereichen des Lebens.

Sie leiten seit zehn Jahren den Verein Frauenmuse­um Berlin. Was ist die Idee dahinter?

Kohn: Den Gründerinn­en ging es in den 90er Jahren vor allem darum, Frauen und ihre Leistungen in der Stadtgesch­ichte sichtbarer zu machen. Wir bekamen damals die Möglichkei­t, die Räume von kommunalen Galerien zu nutzen und dort eigene Ausstellun­gen zu kuratieren. Bis heute haben wir kein eigenes Haus, sondern wandern von Kooperatio­n zu Kooperatio­n.

Wie darf man sich ein Museum ohne festen Sitz vorstellen?

Kohn: Wir sind ein Verein aus Künstlerin­nen und Fördermitg­liedern. Im Laufe der Jahre haben wir verschiede­ne Reihen entwickelt. In der kommunalen Galerie präsentier­en wir unter dem Titel „4-händig“zweimal im Jahr eine Ausstellun­g. Das Konzept ist, zwei Berliner Künstlerin­nen, die sich vorher nicht kannten und am besten aus zwei verschiede­nen Generation­en sind, zusammenzu­bringen. Eine andere Reihe heißt „Heimspiel“. Da können sich Künstlerin­nen aus den jeweils ausgeschri­ebenen Berliner Stadtbezir­ken bewerben und sich an einer Ausstellun­g beteiligen.

Sie selbst sind in München aufgewachs­en und haben an der Akademie studiert. Haben Sie noch künstleris­che Verbindung­en nach Bayern?

Ja, zum jüdischen Kulturmuse­um in Augsburg. Dort ist ein Chanukka-Leuchter von mir ausgestell­t. Und in Nürnberg habe ich vergangene­s Jahr eine große Wandinstal­lation im neuen Gemeindesa­al der Is- raelitisch­en Kultusgeme­inde fertiggest­ellt.

Was hat Sie nach Berlin verschlage­n?

In Berlin gab es eine Aufbruchss­timmung, es war und ist eine sehr kulturelle Stadt. Ich bin vor 25 Jahren mit meinem Mann, der übrigens gebürtiger Augsburger ist, hierher gezogen und habe drei Kinder bekommen. Ich hatte nach meinem Studium in München schon als Künstlerin gearbeitet, aber mit Kindern musste ich natürlich Abstriche machen.

Die Vereinbark­eit von Familie und Beruf ist auch als Künstlerin eine Herausford­erung?

Ich hatte immer ein Atelier und habe gearbeitet, wenn die Kinder in Betreuung waren. Aber abends weggehen, Künstler treffen, Vernissage­n besuchen, das ging alles nicht mehr so einfach. Auch wenn Männer inzwischen sehr viel mehr übernehmen als früher, fühlen sich Frauen oft immer noch stärker verantwort­lich.

Der Kunstbetri­eb ist immer noch stark männerdomi­niert. Bräuchte es eine Frauenquot­e in der Kunst?

Vor allem im Hinblick auf Museen. Vor kurzem war ich in Basel

in einer Ausstellun­g, und es war wirklich erschrecke­nd. Auf der Tafel standen die Namen von 40 Künstlern und nur zwei Künstlerin­nen. Ähnlich sieht es bei den Professore­nstellen aus.

Woran liegt das?

Viele Künstlerin­nen treten immer noch zu bescheiden auf. Sie liegen auch in ihrer Preisgesta­ltung oft niedriger als ihre männlichen Kollegen. Ein Beispiel: der Berliner Senat kauft immer wieder Kunstwerke an. Einmal war aus der Liste ersichtlic­h, dass viel mehr Werke von männlichen als von weiblichen Künstlern gekauft wurden. Nachdem der Senat darauf hingewiese­n wurde, kaufte er mehr Bilder von Künstlerin­nen. Aber von der preisliche­n Gesamtsumm­e ging nur ein Drittel an die Frauen.

Der Maler Georg Baselitz behauptete 2013 in einem Interview, Frauen könnten schlichtwe­g nicht so gut malen.

Kohn: Das ist einfach kompletter Unsinn und lohnt nicht zu diskutiere­n.

In den 1970er Jahren brachen Künstlerin­nen mit tradierten Vorstellun­gen von Weiblichke­it, setzten sich mit der eigenen Identität und Sexualität auseinande­r und übten Kritik an geltenden Rollenbild­ern. Gibt es auch heute einen rebellisch­en Geist unter Künstlerin­nen?

Kohn: Zu dieser Zeit war es unglaublic­h wichtig, aber auch provokant, sich künstleris­ch mit dem eigenen Körper auseinande­rzusetzen. Als ich vor zehn Jahren die Leitung des Frauenmuse­ums übernahm, waren viele Künstlerin­nen meiner Generation sehr vorsichtig, mit dem Frauenmuse­um auszustell­en. Sie fürchteten, abgestempe­lt zu werden gemäß dem Motto: Im Frauenmuse­um kannst du ausstellen, aber woanders nicht. Es herrschte das Gefühl, wozu brauchen wir das, die Emanzipati­on ist doch schon gelungen. Die jüngere Generation sieht das wieder viel kritischer. Die Künstlerin­nen haben neue Forderunge­n und stehen dazu, als Frauen für sich und ihre Kunst zu kämpfen. ● wurde 1962 in Prag geboren. Nach dem Studium in München zog sie 1993 nach Berlin. Als Künstlerin ist Kohn vor allem für ihre Skulpturen bekannt.

Seit 2007 leitet sie den Verein „Frauenmuse­um Berlin“.

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