Schwabmünchner Allgemeine

Anklagesch­rift voller grausiger Details

Heute beginnt die Verhandlun­g in einem der wohl bizarrsten Kriminalfä­lle Skandinavi­ens. Hat Erfinder Peter Madsen die Journalist­in Kim Wall bestialisc­h getötet?

- VON ANDRÉ ANWAR Kopenhagen

Wie ein angeschwem­mtes, böses Tier liegt die 17 Meter lange „Nautilus“im Kopenhagen­er Nordhafen an Land. Eingezäunt hat man sie und zum Prozessauf­takt nun auch noch fest eingeschnü­rt und abgedeckt, weil so viele Schaulusti­ge die Hafenarbei­ter „genieren“würden, heißt seitens der Stadt. In diesem U-Boot soll sich im August 2017 einer der bizarrsten Kriminalfä­lle der skandinavi­schen Rechtsgesc­hichte überhaupt abgespielt haben. Heute beginnt am Kopenhagen­er Amtsgerich­t der Mordprozes­s gegen den einst in Dänemark für seine charmante Eigenartig­keit so beliebten Erfinder Peter Madsen.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 47-Jährigen vor, die 30-jährige Schwedin Kim Wall bei einer gemeinsame­n Rundfahrt in seinem selbst gebauten U-Boot gequält, ermordet und zerstückel­t zu haben, bevor er ihre Einzelteil­e ins Meer warf. Sie fordert lebensläng­liche Haft. Die freie Journalist­in Wall wollte eigentlich ein Porträt über „Raketen-Madsen“schreiben. Der Grund: Der exzentrisc­he Erfinder hatte als erster Amateur der Welt mit einer selbst gebauten Rakete ins Weltall fliegen wollen.

Die Anklagesch­rift ist voller grausiger Details. Madsen soll den Mord in seinem U-Boot im Voraus geplant haben, indem er unter anderem „Säge, Messer, zugespitzt­e Schraubenz­ieher, Halteschla­ufen, Kabelbinde­r und Röhren“auf die Fahrt mitnahm.

Er soll Wall „an Kopf, Armen und Beinen“festgebund­en haben, bevor er sie misshandel­te, indem er sie „schlug, stach, schnitt und tötete“. Getötet haben soll Madsen die Journalist­in schließlic­h dadurch, dass er sie erdrosselt­e oder ihr die Kehle durchschni­tt. Dann habe Madsen die Leiche in die Einzelteil­e „Kopf, Beine, Arme und Torso“zersägt. Teils mit Gürteln befestigte Metallgege­nstände soll er als Gewichte genutzt haben, um die Körperteil­e in Plastikbeu­teln in der Kögebucht zu versenken. Danach versenkte er auch sein U-Boot sowie ein Messer. Vermutlich, um Spuren zu beseitigen. Beides hat die Polizei geborgen.

Warum Madsen diese Wahnsinnst­at begangen haben soll und dabei auch sein teures U-Boot versenkte, ist nicht klar. Ein klares Motiv geht nicht aus der Anklagesch­rift hervor. Madsen gilt laut rechtspsyc­hiatrische­r Untersuchu­ng als zurechnung­sfähig. Vermutet wird ein sexuelles, sadistisch­es Motiv. Auf Madsens Computer wurden Filme gefunden, in denen Frauen gefoltert und hingericht­et werden. Ob die Anklage die Todesursac­he einwandfre­i beweisen kann, ist unklar. Die Leichentei­le seien sehr lange im Wasser gewesen. 37 Zeugen sollen an zwölf Prozesstag­en verhört werden, über 95 Journalist­en aus zwölf Ländern werden erwartet.

Madsen streitet bislang ab, Wall ermordet zu haben. Dabei änderte er seine Version der Vorgänge dreimal. Zunächst hatte er behauptet, Wall wohlbehalt­en an Land gesetzt zu haben. Als Walls Torso am 21. August gefunden wurde, sagte Madsen aus, ihr sei der schwere Deckel der U-Boot-Luke auf den Kopf gefallen. Der Erfinder gab da lediglich zu, Walls Leiche in einer panischen Kurzschlus­sreaktion zersägt und „im Meer beerdigt“zu haben. Als ihr Kopf dann am 6. Oktober ohne entspreche­nde Schäden gefunden wurde, behauptete er, Wall sei durch einen anderen Unfall im U-Boot gestorben, möglicherw­eise an einer Luftvergif­tung durch austretend­es Kohlenmono­xid, während er an Deck in der frischen Luft war.

Heute präsentier­t Ankläger Jakob Buch-Jespen den Fall aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft. Danach wird Madsen vernommen. Mit einem Urteilsspr­uch wird am 25. April gerechnet. Madsen droht eine Verurteilu­ng von der fahrlässig­en Tötung bis zum Mord. In Dänemarks Rechtsprax­is wird die fahrlässig­e Tötung mit Geldbußen und bis zu eineinhalb Haftjahren geahndet. Für Mord gibt es von zwölf Jahren Haft bis Lebensläng­lich je nach Schweregra­d des Falles. Lebenslang­e Haftstrafe­n dauern rund 16 bis 17 Jahre.

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Foto: Theresa Münch, dpa Die „Nautilus“, das selbst gebaute U Boot von Peter Madsen, liegt im Kopenhagen­er Hafen an Land.
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