Auch Tätern soll geholfen werden
Über 650 Frauen und Kinder werden in Augsburg pro Jahr Opfer von häuslicher Gewalt. Die Dunkelziffer ist wohl viel höher. Für die Männer soll es bald dauerhaft ein Programm geben, das ihnen hilft, Aggressionen abzubauen
Die Männer, die die Täterprogramme in den vergangenen beiden Jahren in Augsburg besucht haben, lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Sie waren zwischen 20 und 46 Jahre alt. Manche hatten ein Suchtproblem, manche waren bei ihren Taten total nüchtern. Die einen hatten Migrationshintergrund, andere nicht. Männer, die keinen Job hatten, saßen neben Männern, deren Arbeitsplatz sich in der Chefetage befindet. Eins hatten die Männer alle gemeinsam: Sie haben zu Hause ihre Frau oder Lebensgefährtin bedroht, geschlagen, manche sogar gewürgt. Teilweise mussten sich Kinder diese Szenen mit ansehen.
Erich Paltins vom Augsburger Amt für Kinder, Jugend und Familie, hat gemeinsam mit Thomas Hornisch von der psychologischen Beratungsstelle des Bistums Augsburg in den vergangenen zwei Jahren zwei mehrmonatige Täterprogramme durchgeführt. Drei Jahre hat eine Arbeitsgruppe auf diese zweijährige Pilotphase hingearbeitet, Konzepte für die 18 bis 21 Abende, in denen sich die Teilnehmer jeder Gruppe trafen, überlegt. Es wurde über Kommunikation gesprochen, wie Wörter vermieden werden können, die unter die Gürtellinie gehen. Es wurde auch über Gefühle gesprochen. „Der Bedarf ist da“, betont Erich Paltins. Für Opfer von häuslicher Gewalt gibt es einige Anlaufstellen, wie das Frauenhaus, Inobhutnahmestellen oder Beratung und Hilfe durch den Weißen Ring. Für die Täter, die sich ändern wollen, gab es bis zu diesen Trainings kein Angebot.
Nach der Pilotphase soll das Programm nun etabliert werden. Im Jugendhilfeausschuss wurde der Weg dafür bereitet. Einstimmig beschloss das Gremium, dass das ausgearbeitete Konzept regelmäßig umgesetzt werden soll. Rund 190 000 Euro sollen dafür ab 2019 jährlich aus dem städtischen Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Geld, das für zwei pädagogische Fachkräfte, eine halbe Verwaltungsstelle und Sachkostenbudget benötigt wird. „Dieses Angebot ist ein Segen für die Opfer als auch für die Betroffenen“, sagt Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD).
Es ermögliche ihnen, aus dem Kreislauf wieder herauszukommen. Auch für die diejenigen, deren Beziehung an der Gewalt zerbrochen ist, kann das Training weiterhelfen, wieder Kontakt zur Familie aufzubauen. „Viele Frauen haben den Wunsch, mit dem Mann noch einmal zu sprechen. Dabei geht es dann vor allem um den Umgangskontakt zu den gemeinsamen Kindern“, erklärt Birgit Gaile vom Augsburger Frauenhaus. Sie hat bei der Ausarbeitung des Konzepts mitgearbeitet. Sie findet das Programm gut. „Wir unterstützen, dass die Täterberatung weitergeführt wird. Die Täter sollen Verantwortung übernehmen und sich damit auseinandersetzen, was sie ihrer Frau und den Kindern angetan haben“, sagt sie.
An den ersten beiden Kursen nahmen insgesamt 15 Männer teil. Es waren Männer, die von der Polizei, von Beratungsstellen oder Sozialdiensten auf das neue Angebot aufmerksam gemacht wurden. „Wir hatten einen Teilnehmer, der sich von sich aus gemeldet hatte. Einer kam mit der Bewährungsauflage, den Kurs zu absolvieren. Nicht alle Teilnehmer haben den Kurs auch wirklich beendet“, sagt Erich Paltins.
Dass der Bedarf an solch einem Angebot sehr hoch ist, bestätigte während der Ausschusssitzung auch Sabine Rochel vom Polizeipräsidium Schwaben-Nord. Die Opferschutzbeauftragte zitierte Studien, wonach jede dritte bis vierte Frau im Verlauf ihres Lebens einmal von häuslicher Gewalt betroffen sei. Das sei allerdings eine Dunkelziffer, da nur ein Bruchteil zur Anzeige gebracht werde. Die bekannt gewordenen Zahlen legte sie dem Gremium vor. So wurden im Jahr 2016 im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord 1330 Fälle von häuslicher Gewalt zur Anzeige gebracht – in 445 Fällen waren Kinder anwesend, in 749 Fällen waren Kinder betroffen. „Die Statistik weist die Stadt Augsburg nicht eigens aus. Aber man kann davon ausgehen, dass die Hälfte der Fälle im Stadtgebiet stattgefunden haben“, sagt die Polizistin.
Nach der Abstimmung im Jugendhilfeausschuss des Augsburger Stadtrates müsse nun der Finanzausschuss und Stadtrat noch grünes Licht für die Täterarbeit geben. Dann muss ein Träger gesucht werden. Erich Paltins bestätigte, dass auch Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden. „Das wird auch immer mal wieder in der Beratungsarbeit angesprochen, aber selten zur Anzeige gebracht. Da ist die Scham der Männer einfach zu groß“, sagt Paltins.