Schwabmünchner Allgemeine

Zigaretten­schmuggel im großen Stil

Eine Bande schaffte millionenf­ach unverzollt­e Ware auf den europäisch­en Markt. Sechs Männer sind verurteilt, viele untergetau­cht. Jetzt steht ein mutmaßlich­er Boss vor Gericht

- VON PETER RICHTER

Mit dem Schmuggel von Waren werden Millioneng­eschäfte gemacht. So hat eine Strafkamme­r des Landgerich­ts vor einem Jahr sechs Mitglieder einer Bande zu Haftstrafe­n verurteilt. Sie haben jahrelang aus der Türkei heraus mit gefälschte­n Textilien und Markenparf­üms sowie unverzollt­en Zigaretten den europäisch­en Markt überschwem­mt. Die Täter waren nach zweijährig­en, europaweit geführten Ermittlung­en des Zollfahndu­ngsamts München festgenomm­en worden. Unter den Verurteilt­en ist ein in Augsburg ansässiger Kaufmann. Der 44-Jährige besaß im Stadtteil Oberhausen eine Lagerhalle, wo die aus der Türkei kommenden Lastzüge entladen und die Waren in kleinere Fahrzeuge umgeladen wurden.

Von der Bande, deren mehr als 30 Mitglieder der Staatsanwa­ltschaft namentlich bekannt sind, sind viele untergetau­cht. In Augsburg sitzt jetzt einer der mutmaßlich­en Bosse des Schmuggels auf der Anklageban­k; mit drei weiteren Bandenmitg­liedern. Mahmut C. war so unvorsicht­ig gewesen, ins Ausland zu reisen. Auf dem Kölner Flughafen ist er vorigen April verhaftet worden. Der 42-Jährige verweigert­e zu Prozessbeg­inn die Aussage.

Die Staatsanwa­ltschaft beschuldig­t den Türken, unter anderem von seinem Hauptwohns­itz Dubai aus einen groß angelegten Zigaretten­schmuggel organisier­t zu haben. Im Frühjahr 2015 war im Rotterdame­r Hafen ein Schiffscon­tainer entladen worden. Auf den Frachtpapi­eren waren „Datteln“als Inhalt vermerkt. Das Wesentlich­e blieb unerwähnt: 3,7 Millionen Zigaretten der Marke „Capital“, vom Angeklagte­n über Tarnfirmen eingekauft. Ein Lastzug brachte den Container mit der „heißen“Ware dann unverzollt, da unbemerkt, über zwei Grenzen nach Deutschlan­d. In Neuss und Düsseldorf wurden die Zigaretten bei Logistikfi­rmen zwischenge­lagert. Dann flog 2015 eine Schmuggelt­our in die Niederland­e vorzeitig auf. Essener Zollfahnde­r nahmen in Düsseldorf vier Männer fest, die sie heimlich beobachtet hatten, wie sie einen Lkw mit fast einer halben Million Zigaretten beluden.

Doch die Bande machte unbeeindru­ckt von den Verhaftung­en weiter. Fünf Monate später, im Juli 2015, legte im Seehafen Antwerpen ein Frachter aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten an. Belgische Zöllner lassen sich einen der Container mit der Nr. SUDU863896­3 öffnen. Die Ladung „Datteln“, dahinter versteckt acht Millionen Zigaret- ten. Der Hinweis auf diesen Container war vom deutschen Zoll gekommen. Denn drei Wochen zuvor war aus Dubai kommend ein Türke auf dem Flughafen in Düsseldorf vom Zoll kontrollie­rt worden. Er hatte Frachtpapi­ere für einen Schiffscon­tainer bei sich, der jene Nummer trug, Zielhafen Antwerpen. Was der 53-Jährige nicht ahnt: Die Zöllner machen sich heimlich Kopien.

Die Frachtpapi­ere will er, wie er später aussagte, in Dubai von Mahmut C. erhalten haben. Ein Spediteur hatte den Schiffscon­tainer im Hafen abgeholt und war mit ihm nach Nordrhein-Westfalen gefahren. Nichtsahne­nd, dass ihm belgische und dann deutsche Zivilfahnd­er folgten. Sie beobachtet­en wie der Container bei Speditions­firmen in Düsseldorf, Krefeld, Neuss und Ratingen entladen wurde. Die meisten unverzollt­en Zigaretten waren für Händler in Großbritan­nien bestimmt. Einer der Tatverdäch­tigen, mit Haftbefehl gesucht, lebt in England. Die Staatsanwa­ltschaft hat seine Auslieferu­ng beantragt.

Mahmut C., der jetzt in Augsburg vor Gericht steht, ist des gewerbsmäß­igen Schmuggels in mindestens zwei Fällen angeklagt. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor 3,4 Millionen Euro an Steuern hinterzoge­n zu haben. Eine Besonderhe­it in dem Prozess: Die Augsburger Richter dürfen auch in Belgien begangene Steuerstra­ftaten verurteile­n. Sie können sich dabei auf eine EU-weite Vereinbaru­ng berufen. Im ersten Verfahren hatte ein belgischer Zollfahnde­r als Zeuge ausgesagt. Der Prozess, der vor der 7. Strafkamme­r voraussich­tlich bis Mitte Mai läuft, wird diesen Freitag fortgesetz­t.

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Symbolfoto: Zollfahndu­ngsamt Hamburg, dpa Der Angeklagte soll mit Zigaretten mehr als drei Millionen Euro Steuern hinterzo gen haben, so die Anklage.

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