Zigarettenschmuggel im großen Stil
Eine Bande schaffte millionenfach unverzollte Ware auf den europäischen Markt. Sechs Männer sind verurteilt, viele untergetaucht. Jetzt steht ein mutmaßlicher Boss vor Gericht
Mit dem Schmuggel von Waren werden Millionengeschäfte gemacht. So hat eine Strafkammer des Landgerichts vor einem Jahr sechs Mitglieder einer Bande zu Haftstrafen verurteilt. Sie haben jahrelang aus der Türkei heraus mit gefälschten Textilien und Markenparfüms sowie unverzollten Zigaretten den europäischen Markt überschwemmt. Die Täter waren nach zweijährigen, europaweit geführten Ermittlungen des Zollfahndungsamts München festgenommen worden. Unter den Verurteilten ist ein in Augsburg ansässiger Kaufmann. Der 44-Jährige besaß im Stadtteil Oberhausen eine Lagerhalle, wo die aus der Türkei kommenden Lastzüge entladen und die Waren in kleinere Fahrzeuge umgeladen wurden.
Von der Bande, deren mehr als 30 Mitglieder der Staatsanwaltschaft namentlich bekannt sind, sind viele untergetaucht. In Augsburg sitzt jetzt einer der mutmaßlichen Bosse des Schmuggels auf der Anklagebank; mit drei weiteren Bandenmitgliedern. Mahmut C. war so unvorsichtig gewesen, ins Ausland zu reisen. Auf dem Kölner Flughafen ist er vorigen April verhaftet worden. Der 42-Jährige verweigerte zu Prozessbeginn die Aussage.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Türken, unter anderem von seinem Hauptwohnsitz Dubai aus einen groß angelegten Zigarettenschmuggel organisiert zu haben. Im Frühjahr 2015 war im Rotterdamer Hafen ein Schiffscontainer entladen worden. Auf den Frachtpapieren waren „Datteln“als Inhalt vermerkt. Das Wesentliche blieb unerwähnt: 3,7 Millionen Zigaretten der Marke „Capital“, vom Angeklagten über Tarnfirmen eingekauft. Ein Lastzug brachte den Container mit der „heißen“Ware dann unverzollt, da unbemerkt, über zwei Grenzen nach Deutschland. In Neuss und Düsseldorf wurden die Zigaretten bei Logistikfirmen zwischengelagert. Dann flog 2015 eine Schmuggeltour in die Niederlande vorzeitig auf. Essener Zollfahnder nahmen in Düsseldorf vier Männer fest, die sie heimlich beobachtet hatten, wie sie einen Lkw mit fast einer halben Million Zigaretten beluden.
Doch die Bande machte unbeeindruckt von den Verhaftungen weiter. Fünf Monate später, im Juli 2015, legte im Seehafen Antwerpen ein Frachter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Belgische Zöllner lassen sich einen der Container mit der Nr. SUDU8638963 öffnen. Die Ladung „Datteln“, dahinter versteckt acht Millionen Zigaret- ten. Der Hinweis auf diesen Container war vom deutschen Zoll gekommen. Denn drei Wochen zuvor war aus Dubai kommend ein Türke auf dem Flughafen in Düsseldorf vom Zoll kontrolliert worden. Er hatte Frachtpapiere für einen Schiffscontainer bei sich, der jene Nummer trug, Zielhafen Antwerpen. Was der 53-Jährige nicht ahnt: Die Zöllner machen sich heimlich Kopien.
Die Frachtpapiere will er, wie er später aussagte, in Dubai von Mahmut C. erhalten haben. Ein Spediteur hatte den Schiffscontainer im Hafen abgeholt und war mit ihm nach Nordrhein-Westfalen gefahren. Nichtsahnend, dass ihm belgische und dann deutsche Zivilfahnder folgten. Sie beobachteten wie der Container bei Speditionsfirmen in Düsseldorf, Krefeld, Neuss und Ratingen entladen wurde. Die meisten unverzollten Zigaretten waren für Händler in Großbritannien bestimmt. Einer der Tatverdächtigen, mit Haftbefehl gesucht, lebt in England. Die Staatsanwaltschaft hat seine Auslieferung beantragt.
Mahmut C., der jetzt in Augsburg vor Gericht steht, ist des gewerbsmäßigen Schmuggels in mindestens zwei Fällen angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor 3,4 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Eine Besonderheit in dem Prozess: Die Augsburger Richter dürfen auch in Belgien begangene Steuerstraftaten verurteilen. Sie können sich dabei auf eine EU-weite Vereinbarung berufen. Im ersten Verfahren hatte ein belgischer Zollfahnder als Zeuge ausgesagt. Der Prozess, der vor der 7. Strafkammer voraussichtlich bis Mitte Mai läuft, wird diesen Freitag fortgesetzt.