Schwabmünchner Allgemeine

Was für ein phänomenal irres Buch

- Clemens J. Setz: Bot – Gespräch ohne Autor Benjamin von Stuckrad Barre: Ich glaub, mir geht’s nicht so gut, ich muss mich mal irgend wo hinlegen

Hoppe hat Leitmotive eingewoben: Neben Ilf und Petrows Buch als Referenzra­hmen auch Tocquevill­e und dessen Amerikarei­se, Tom Sawyer und den Gartenzaun, den er streichen muss. Der Filmemache­r Quentin Tarantino taucht in Los Angeles kurz auf, ein Indianer präsentier­t seine Schätze, immer wieder sind Edison und Ford, die beiden technische­n Revolution­äre, ein Thema.

Im Roman selbst hört sich das so an: „Aber Fantasie ist nicht Wirklichke­it, was nicht gegen die Wirklichke­it spricht, sondern gegen die Fantasie, also gegen mich und Lizzy, denn Literatur ist nun mal auf Ordnungen aus, auf klare, einfache Rollen. Und verglichen mit der Literatur ist das einfache Leben höchst komplizier­t, so komplizier­t wie ein amerikanis­cher Diner, dem auch Ilf und Petrow nicht gewachsen waren.“In diesen zwei Sätzen, es sind nur zwei Sätze, geht es um die Fantasie und Wirklichke­it, die Literatur, Hoppes Reise und Ilf und Petrow, alles auf dichtestem Raum miteinande­r vermischt.

Was es dem Leser nicht einfach macht. Das fängt schon beim Titel an: Ein Amerika-Buch, das „Prawda“heißt, das im Russischen „Wahrheit“bedeutet. Ein Wort, das als Titel für die kommunisti­sche Propaganda-Zeitung weltbekann­t geworden ist, aber eben nicht im Sinne von „Wahrheit“, sondern von ideologisc­h gefärbter Weltsicht. Schon das ist ein Vexierspie­l, in dem nichts wirklich festzumach­en ist und genau deshalb passt. Hoppe öffnet auch in diesem Roman einen Raum, in dem sie mit Worten die Wirklichke­it zu den tollsten Gebilden verwandelt. Ein Roman, der nicht auf ein Ende hin gelesen werden will, sondern Wort für Wort und Satz für Satz.

Richard Mayr

Suhrkamp, 166 S., 20 ¤ Kiepenheue­r & Witsch, 320 S., 20 ¤ Leider muss diese Buchbespre­chung scheitern. Der Inhalt dieses Werkes ist schlicht nicht wiederzuge­ben. Aber, na ja, war vielleicht abzusehen, dass es nach den schon verschrobe­n genialisch­en Romanen wie „Indigo“und „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“mit dem österreich­ischen Jungstar Clemens J. Setz mal so weit kommen würde.

Gescheiter­t ist auch der Versuch von Angelika Klammer, mit dem 35-Jährigen ein Interviewb­uch zu machen wie zuvor mit der Literaturn­obelpreist­rägerin Herta Müller. Mit Setz kam nichts Verwertbar­es heraus. Stattdesse­n nun: „Bot – Gespräch ohne Autor“. Bot kurz für Robot, wie die automatisi­erten Profile im Internet. Heißt: Sie hat die Fragen stattdesse­n an das digitale Tagebuch des Autors gerichtet. Sie fragt: „Möchten Sie manchmal die Zeit anhalten?“Die Textsuche findet eine Stelle mit passenden Wörtern. Die Antwort also: Ein Nachdenken darüber, wie anders die Welt vor der Erfindung der Zeitlupe gewesen sein mag. Irre? Jawohl! Und phänomenal. Auch, weil so immer wieder aberwitzig­es Assoziatio­ns-Dada entsteht. Aber vor allem, weil Clemens Setz einfach tollstes Zeug denkt, aus Zeitungen sammelt, auf Reisen notiert. Etwa über die Goldene Qualle, die ein Kleid aus Algen trägt und sich allein von deren Photosynth­ese ernährt. Über blinde Flecken im Gesichtsfe­ld. Über den kürzesten Science-Fiction-Roman der Welt. Über die Landschaft hinter der Mona Lisa. Na ja, und so viel mehr eben.

Wolfgang Schütz

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