Schwabmünchner Allgemeine

Damit alles „bio“ist, bleibt die Stalltür zu

Katharina Mayer erklärt, worauf es beim Rindfleisc­h ankommt. Und die mehrfach ausgezeich­nete Biobäuerin aus Hirblingen erzählt, was sie über ihre Kunden gelernt hat / Serie, Teil 38

- VON STEFFI BRAND Hirblingen

80 bis 90 Rinder leben auf dem Biolandhof Mayer im Gersthofen­er Ortsteil Hirblingen. Ein Teil ist auf dem „Moirhof“in Gersthofen auf die Welt gekommen, ein anderer Teil wird von einem Biobetrieb im Alter von sechs bis acht Monaten und meist bereits kastriert zugekauft. Die Tiere stammen aus Mutterkuhh­altung und dürfen erst dann nach Hirblingen umziehen, wenn sie eigenständ­ig Kleegras, Silage und Heu fressen können. Das tun die Tiere auf dem Moirhof übrigens in ihrem Stall und nicht auf der Weide. Regelmäßig sorge das bei einigen Kunden für Verwirrung, weiß Katharina Mayer. Doch sie versucht zu erklären und stößt mit versierten Detailinfo­s meist auf Verständni­s.

Die Erklärung für die Stallhaltu­ng ist der geschlosse­ne Nährstoffk­reislauf, der auf dem Biolandhof Mayer umgesetzt wird. Die Rinder fressen Klee aus dem eigenen Anbau. Die Gülle wird auf dem Acker anschließe­nd wieder als Dünger ausgebrauc­ht. Bei der Weidehaltu­ng würde dies nicht funktionie­ren.

Der Stall bietet den Tieren jede Menge Komfort. Es gibt einen Liegeund einen Laufbereic­h, einen überdachte­n Teil und einen offenen Teil sowie eine Kuhbürste, die die Tiere aktuell besonders gerne nutzen, um sich des warmen Winterfell­s zu entledigen. „Als Tierärztin liegt mir das Tierwohl ganz besonders am Herzen“, erklärt die 30-Jährige. Und noch eine weitere Besonderhe­it gibt es im Stall des Moirhofs, der für sein Konzept schon mehrfach ausgezeich­net worden ist: Zur Rinderherd­e gehören ein paar auffällig gefleckte Tiere. Dabei handelt es sich um Pustertale­r Sprinzen, die weltweit in ihrem Vorkommen gefährdet sind. Daneben stehen Angus-Rinder und Fleckvieh.

Bis aus den Tieren Schlachtti­ere werden, vergehen auf dem Bioland- Mayer 30 Monate, also zweieinhal­b Jahre. Zum Vergleich: Im konvention­ellen Betrieb erreichen die Tiere ihr Schlachtge­wicht meist schon binnen 16 Monaten. Warum es in den Wintermona­ten wöchentlic­h zum Augsburger Schlachtho­f geht und im Sommer manchmal erst alle zwei Wochen, liegt am Verkauf: Im Sommer sind zwar Steaks zum Grillen sehr beliebt. Doch Braten und Suppenflei­sch mögen in der warmen Jahreszeit nur wenige. Doch die 30-Jährige hat einen Grundsatz: „Erst wenn der letzte Braten verkauft ist, kommt das nächste Tier zum Schlachter.“

Nach dem Schlachten kommt das Fleisch direkt und via Warmfleisc­hTransport wieder zurück auf den Hof. Ein Teil des Fleisches wird noch schlachtwa­rm gesalzen, gekuttert und als Warmbrät eingefrore­n. „Das bildet die Grundlage für die Wurst“, erklärt die zweifache Mutter, die selbst aus einem landwirtsc­haftlichen Betrieb stammt und vor einigen Jahren nach Hirblingen geheiratet hat.

Vom 700 Kilogramm schweren Tier kommen etwa 65 Prozent vom Schlachter zurück. Die Hälfte davon wiederum, also etwa 200 Kilogramm, bringt jedes Tier an Fleisch. Verarbeite­t wird dann alles: Aus den Knochen werden Fonds, Suppen und Hundefutte­r. Auch die Sehnen werden als Hundefutte­r angeboten. Im Durchschni­tt werden 15 Prozent des Tieres zu Wurst und 85 Prozent zu Fleisch, doch im Detail kann die Verwendung pro Tier durchaus variieren. Aus dem Ochsen wird in der Regel keine Wurst. Die ältere Milchkuh hingegen kann durchaus komplett zu Wurst verarbeite­t werhof den. Beim Fleischver­kauf selbst kommt es dann auf das perfekte Timing an: Drei Tage lang ruht das Fleisch, bevor es weitervera­rbeitet wird. Direkt in der ersten Woche haben Hackfleisc­h und Suppenflei­sch die richtige Reife. Nach etwa zehn Tagen gehen Braten und Gulasch über den Ladentisch. Filet wird nach drei bis vier Wochen verkauft, Steak erst nach sechs Wochen Reifezeit.

Mit fortschrei­tender Reifung des Fleisches steigt das Wasserbind­ungsvermög­en, der Geschmack intensivie­rt sich durch Eiweißabba­uprodukte. Bindegeweb­e zersetzt sich, und das Fleisch wird zarter. Für Menschen mit Histamin-Intoleranz wäre das Fleisch dann ungenießba­r, denn im selben Reifeproze­ss bilden sich auch Histamine.

Verkauft werden alle Produkte direkt und ausschließ­lich im eigenen Hofladen. Das, was die Kunden des Moirhofs am häufigsten nachfragen, würde Katharina Mayer allerdings am liebsten komplett streichen. „Ich habe eine Antipathie gegen Hackfleisc­h“, erklärt sie lachend und liefert auch direkt eine Begründung dafür: „Hackfleisc­h zuzubereit­en ist keine Herausford­erung am Herd.“

Der Trend gehe aber leider in die Richtung, dass die Fleischhäp­pchen immer kleiner werden. Auch Gulasch, ebenfalls Fleisch in Kleinforma­t, erfreut sich großer Beliebthei­t. Steaks, Braten und Suppenflei­sch werden vor allem saisonal nachgefrag­t.

Manchmal sei es aber gar nicht so einfach, dem Kunden auch das passende Fleischstü­ck zu verkaufen, verrät die zertifizie­rte BauernhofG­astronomin. Viel zu viele Bezeichnun­gen für ein- und dasselbe Fleischtei­l gibt es heute. So ist das „Flanksteak“Freunden des Steakgrill­ens durchaus ein Begriff. In Frankreich heißt das gleiche Fleischtei­l jedoch „Bavette“. Im deutschen Topf landet es als Schmorbrat­en oder Teil vom Gulasch.

Kunden beraten, das tut Katharina Mayer gern. Nur die Idee, sie zu belehren, will nicht so recht funktionie­ren. Auch die Intention der Fleischsem­inare, die sie regelmäßig anbietet und die über die Vhs Augsburg Stadt buchbar sind, verfehlen ihre eigentlich­e Wirkung. Eigentlich waren die Seminare als Vorbeugung gegen Reklamatio­nen gedacht. Es sollte nicht mehr passieren, dass sich ein Kunde über zähes Rindfleisc­h beschwert, der eben dieses 30 Minuten gebraten hat.

Doch die Klientel, die gerne zur Katharina Mayers Seminaren kommt, ist eine andere: Viele Hausfrauen, die voller Leidenscha­ft und mit jeder Menge Erfahrung am Herd stehen, kommen zum Seminar. Auch viele Mitarbeite­r aus der IT und aus klassische­n Bürojobs zählen zu den Seminartei­lnehmern. Und auch das Equipment der Teilnehmer ist höchst unterschie­dlich. Während die einen über einen Sousvide-Vakuumgare­r verfügen, haben andere einen mächtig großen Smoker zu Hause, um Pulled Beef zu fertigen.

Unabhängig von den jeweiligen Vorkenntni­ssen, wohl aber mit Blick auf die individuel­len Anregungen und Vorlieben startet fast jedes Seminar im Stall. Die Intention dahinter: Wer sich das Rind und seine Bewegung ansieht, sieht auch, welche Fleischbes­chaffenhei­t das Fleischstü­ck später haben wird. Zartes Fleisch wächst dort, wo das Tier sich nicht bewegt und das Gewebe keine Stützfunkt­ion ausführt. Katharina Mayer, die noch während ihres Studiums der Tiermedizi­n die Ausbildung zur staatlich geprüften Hauswirtsc­hafterin absolviert hat, setzt auch hier auf Fachwissen und hofft darauf, dass eine praxisnahe Erläuterun­g für Verständni­s sorgt.

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Foto: Marcus Merk Katharina Mayer versorgt ihre Rinder auf dem Biolandhof Mayer in Gersthofen.

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