Schwabmünchner Allgemeine

Wie viel Sozialdemo­krat steckt noch in ihm?

Banker Jörg Kukies wechselt von Goldman Sachs ins Finanzmini­sterium. Die Personalie polarisier­t – sie kann aber auch eine Chance für Deutschlan­d sein

- Denis Dworatsche­k Foto: Arthur Thill, ATP

Vor knapp zehn Jahren ging die Welt um ein Haar unter, zumindest die Finanzwelt. Der Immobilien­markt in den USA aufgebläht, die Großbanken marode, weltweit verloren Anleger binnen kurzer Zeit rund vier Billionen USDollar. Die Schuldigen waren schnell gefunden: Gierige Investment­banker und Börsenmakl­er, tätig etwa bei Goldman Sachs, das ein Journalist einen „Vampirkalm­ar“nannte, der seinen „Blutrüssel“in alles stecke, das nach Geld rieche.

Und einer der Spitzenleu­te dieser Blutsauger­bank soll nun Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium unter Olaf Scholz (SPD) werden?

Ja, gerade wegen dieser Vergangenh­eit soll er das werden, heißt es aus dem Umfeld von Scholz selbstbewu­sst. Denn Jörg Kukies, der seinen Posten als Co-Vorsitzend­er von Goldman Sachs in Frankfurt aufgibt, bringt mit, was viele Experten immer wieder gerade Bundesbehö­rden wie dem Finanzmini­sterium dringend verordnen wollen – Fachwissen, um internatio­nalen Anlegern und Investoren kompetent Paroli bieten zu können. Schon ScholzVorg­änger Wolfgang Schäuble hatte etwa mit Levin Holle als Abteilungs­leiter seiner Kreditabte­ilung einen Spitzenman­n von Boston Consulting abgeworben, der erwarb sich rasch einen exzellente­n Ruf im Ministeriu­m.

Außerdem ist Kukies, 50, eigentlich ein verhindert­er Politiker. In jungen Jahren absolviert­e er als Stipendiat der Studiensti­ftung des deutschen Volkes die John F.

Kennedy School of Government in Harvard – das Stipendium soll auf eine Tätigkeit im öffentlich­en Sektor vorbereite­n. Kukies geriet zwar zunächst auf Abwege. Er absolviert­e ein Sommerprak­tikum bei Goldman Sachs, arbeitete danach für die Bank in New York und London, später in Frankfurt und wieder zurück. 2014 blieb er schließlic­h in der Main-Metropole als neuer Co-Vorsitzend­er von Goldman Sachs für Deutschlan­d und Österreich.

Aber in seinem Leben zuvor hatte er während des Studiums in Mainz als Juso-Vorsitzend­er des Landesverb­andes Rheinland-Pfalz gewirkt, übrigens als Vorgänger von Andrea Nahles. Außerdem entspricht Kukies dem Filmklisch­ee des Protz-Bankers so gar nicht. Der gelernte Mathematik­er meidet Skandale ebenso wie ausschweif­ende Partys. Stattdesse­n genießt er den Ruf, gut mit Zahlen und Menschen umgehen zu können.

„Das ist eine einmalige Chance“, sagt der Vater einer vierjährig­en Tochter über die neue Gelegenhei­t. In den kommenden Jahren wird er sich mit der Finanzmark­tpolitik und Europa beschäftig­en müssen. Schwierige Entscheidu­ngen stehen an: der Brexit, die Neugestalt­ung des EU-Haushalts, ein möglicher Handelskri­eg mit den USA.

Für Kukies dürfte das alles kein Problem sein. Kontakte hat er genug, auch in die Politik. EZB-Chef Mario Draghi war zum Beispiel auch mal bei Goldman Sachs.

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