Ein Streit, der längst nicht ausgeräumt ist
Nach dem Rücktritt des Vorsitzenden setzt sich der Deutsch-Syrer Husain Mahmoud als Nachfolger durch. Über die internen Konflikte will das Gremium aber erst einmal hinter verschlossenen Türen reden
Entgegen alle Erwartungen und nach einem langwierigem Abstimmungsprozedere wählte der Integrationsbeirat in seiner Sitzung einen neuen Vorsitzenden. Mit zwölf von 19 Stimmen gewann der Diplom-Kaufmann Husain Mahmoud. Der Deutsche mit syrischer Einwanderungsgeschichte setzte sich in einer Stichwahl gegen den Deutschfranzosen Frédéric Zucco durch und tritt damit die Nachfolge des aus Chile stammenden Maximilian Rothermel an, der am 24. Januar offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war.
Mahmoud selbst stammt aus Syrien und ist einigen Augsburgern noch mit seinem Verein „Augsburg hilft Aleppo“bekannt. Mahmoud floh als Neunjähriger mit seiner Familie aus Syrien. Bis zu seinem 18. Geburtstag im Jahr 1989 lebte er in der Asylunterkunft Schülestraße. „Wir waren zu zehnt in einem Zimmer. Vokabeln habe ich nachts mit einer Kerze gelernt“, erzählt er. Integration ist etwas, was er am eigenen Leib erfahren hat: Ein jahrelang ungesicherter Aufenthaltstatus, Bürokratie, Armut, Kampf um Bildung. Er lernte Kaufmann, schloss einen Meister an und konnte anschließend an der Fachhochschule studieren. Malika Bashirova, stellvertretende Vorsitzende des Integrationsbeirats, hatte ihn zur Wahl vorgeschlagen, weil er sich auch während des derzeit noch schwelenden Konfliktes zurückhaltend gezeigt habe.
Die Sitzung, die der Beirat erstmals in den Räumen des Beratungszentrums Tür an Tür abhielt, wurde nur in Ansätzen zur Lagebesprechung. Beratendes Mitglied Peter Grab schlug gleich zu Beginn eine Änderung der Tagesordnung zugunsten einer sofortigen Aussprache über die vergangenen Wochen vor, um die Konflikte um den jüngst zurückgetretenen Vorsitzenden aufzuarbeiten. Mehrere Redner schlossen sich dem an und forderten im Verlauf der vierstündigen Sitzung immer wieder eine inhaltliche Auseinandersetzung noch an diesem Abend. Die Mehrheit der Anwesenden lehnte den Vorschlag schließlich in der Überzeugung ab, dass diese „Interna“die Öffentlichkeit nicht interessierten. Die Befürworter hingegen forderten Informationen aus erster Hand und kritisierten, erst aus der Presse von den islamkritischen Vorwürfen des ehemaligen Vorsitzenden gegen ein Mitglied erfahren zu haben.
Auch der Mediator Christian Boeser unterstützte eine Vertagung. Er war vom Beirat eingeladen, zum Umgang mit Stammtischparolen zu referieren, schwenkte jedoch auf den aktuellen Konflikt um. Er sprach über Feindseligkeit in demokratischen Diskussionsprozessen und wie man sie verhindern kann. Sein Fazit: „Manchmal ist eine offene Aussprache nicht produktiv, weil sie nicht auf ein Ziel gerichtet ist, sondern auf einen Gegner, auf das ‚Er-oder-ich’“, erklärt er. Er vermutet, dass die Konfliktbeteiligten des Beirats noch im adrenalingesteuerten „Grizzly-Modus“steckten, der die rationale Auseinandersetzung sabotiere. Die Verhandlungspsychologie empfehle: Verlagerung in eine Arbeitsgruppe, die entscheidet, ob es überhaupt einen Konflikt gibt, diesen bespricht und anschließend berichtet. „Gehen Sie nicht in die Falle Außenstehender, die ohnehin glauben, dass Integration nicht gelingen kann“, so der Rat des Experten.
Ein Beobachter, der selbst türkische Vorfahren hat, aber nicht genannt werden will, kommentiert: „Der ehemalige Vorsitzende hat sich auf sozialen Netzwerken mehrfach antimuslimisch geäußert. Das sollte sofort thematisiert werden. Das sind keine Interna, sondern Spiegel der Gesellschaft und die De- batte wäre eine Hauptaufgabe des Integrationsbeirates.“Die Frage, ob der Bericht der Arbeitsgruppe öffentlich vorgestellt werden soll, wurde mehrheitlich positiv entschieden. Im Verlauf der Sitzung stattete auch Oberbürgermeister Kurt Gribl dem Gremium, das im Stadtrat nur beratende Funktionen ausübt, aber kein Stimmrecht hat, einen Besuch ab. Er betonte die Bedeutung des Integrationsbeirats und mahnte, den Konflikt zu bearbeiten, damit keine Lager entstehen.
Der Türkeistämmige, gegen den der ehemalige Vorsitzende die in Rede stehenden Islamismus-Vorwürfe erhoben hatte, wollte sich gegenüber unserer Zeitung zu den Vorgängen nicht äußern. Dabei ging es unter anderem um eine öffentliche Bildnachricht auf Facebook, in der das Beiratsmitglied knieend vor einem großen Erdogan-Konterfei posiert und die rechte Hand, den Daumen nach innen geklappt, zum Solidaritätsgruß der ägyptischen Muslimbruderschaft (MB) gehoben hatte. Diese ist in Ägypten verboten und auch hierzulande wird die MBOrganisation „Islamische Gemeinschaft Deutschland“vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie strebt die schrittweise Umgestaltung muslimischer Länder in Staaten mit islamischer Rechtsform an.