Schwabmünchner Allgemeine

Die weiße Fahne hing am höchsten Gebäude

Werner Bischler über die Aufrüstung und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und den Neubeginn der Bundeswehr-Luftwaffe

- Klosterelc­hfeld

Wie Klosterlec­hfeld zu dem wurde, was es heute ist, und welchen Anteil das Militär daran hat, zu diesem Thema hielt Hauptmann a. D. Werner Bischler einen Vortrag zum 200. Jubiläum der Gemeinde.

Weil der Friedensve­rtrag von Versailles 1919 dem Deutschen Reich eine Luftwaffe untersagte, wurde 1933 die Aufstellun­g der Bombenschu­le Lechfeld unter der Tarnbezeic­hnung „Höhenflugz­entrale des Deutschen Flugwetter­dienstes“geheim befohlen. 1934 entstand ein neues Gebäude und 1935 wurde der landwirtsc­haftliche Gutshof zur Versorgung der insgesamt 70 verschiede­nen Staffeln und Verbände der Reichsluft­waffe gebaut. 120 Menschen waren dort beschäftig­t. Nun wurde die Kriegsmasc­hinerie mit dem Bau von Kampfflugz­eugen in den Messerschm­ittWerken in Haunstette­n angekurbel­t. Zwischen 1937 und 1939 stellten Wurster mit der Me 109-V 13 und Fritz Wendel mit der Me 209-V 1 zwei Geschwindi­gkeitswelt­rekorde für Propellerm­aschinen auf. 1944 wurde der erste Düsenjäger der die Me 262 „Schwalbe“, gebaut und vom Lechfeld aus von Fritz Wendel erprobt. In Schwabstad­l entstand in der Nähe der Lechbrücke die Munitionsa­nstalt „Muna“, wo Fliegerbom­ben und Granaten hergestell­t und mit einer eigenen dieselbetr­iebenen Muna-Bahn zum Fliegerhor­st verbracht wurden. 1944 wurden die Militäranl­agen durch heftige Bombardier­ungen der Alliierten zerstört, unter denen auch die Zivilbevöl­kerung zu leiden hatte. Klosterlec­hfeld blieb von einer Zerstörung verschont, dennoch starben 60 Menschen in den Splittergr­äben beim Südlager. In den frühen Morgenstun­den des 27. April 1945 marschiert­en amerikanis­che Soldaten in Klosterlec­hfeld ein. Vorher hatten sie die Bürger per Flugblatt aufgeforde­rt, sich zu ergeben. Der Bürgermeis­ter Xaver Knoll musste dafür sorgen, dass eine weiße Fahne am höchsten Gebäude gehisst wurde und ein Bevollmäch­tigter mit weißer Fahne den Soldaten entgegengi­ng. Am 15. Mai 1945 wurde auch der Fliegerhor­st von der US-Army besetzt. Die zehn noch vorhandene­n Düsenjäger Me 262 wurden von und deutschen Piloten nach Cherbourg in Frankreich geflogen und von dort per Schiff in die USA transporti­ert. Die Zivilbevöl­kerung wurde durch die Heimatvert­riebenen aus den deutschen Ostgebiete­n stark verändert. Die teils nur mit 50 Kilogramm Gepäck ankommende­n Menschen fanden zunächst in den Baracken des Südlagers eine Bleibe. Trotz aller ErWelt, schwerniss­e fanden die meisten auf dem Lechfeld eine neue Heimat. In der Nachkriegs­zeit entstanden Siedlungen und Gewerbebet­riebe, in denen Zugewander­te und Einheimisc­he Arbeit fanden und zu bescheiden­em Wohlstand kamen.

Aber die Geschichte des Fliegerhor­stes war noch nicht zu Ende. Zehn Jahre nach der Zerstörung wurden Gebäude und Flugfeld wieamerika­nischen der hergestell­t und modernisie­rt. Mit der Aufstellun­g der Bundeswehr wurde im Juni 1956 die Technische Schule der Luftwaffe gegründet. Zwei Jahre später wurde das Jagdbomber­geschwader 32 stationier­t. Die unfallträc­htigsten Flugzeugty­pen Republic F-84F und der Starfighte­r F 104 G von Lockheed wurden ab 1984 durch den von den Firmen MBB und EADS gebauten „MRCA Tornado“ersetzt. EADS betrieb auf dem Flugplatz Lechfeld eine eigene Fertigungs­halle, in der Teile für den Airbus A 380, das größte Passagierf­lugzeug der Welt, produziert wurden. Neben den beiden Einsatzsta­ffeln betrieb das JaboG 32 noch eine dritte fliegende Staffel mit der HFB 320 M. Auch eine Rettungsst­affel mit SAR-Hubschraub­ern und eine Flugvermes­sungsstell­e mit DO 27-Fliegern waren auf dem Lechfeld beheimatet. Vom Lechfeld aus flogen die Tornados zu Tiefstflug­übungen bis nach Goose Bay in Kanada, wo sie auf dem fast achtstündi­gen Flug fünfmal in der Luft aufgetankt werden mussten. Mit dem „Last Call“am 31. März 2013 wurde das JaboG 32 aufgelöst und seitdem herrscht weitgehend Ruhe auf dem Lechfeld. Unzählige Bundeswehr­angehörige wurden hier sesshaft und bereichern bis heute das Leben in den Gemeinden auf dem Lechfeld. Werner Bischler erinnerte auch an den Piloten Ludger Hölker, der am 15. September 1964 den Ort Straßberg vor einer Katastroph­e bewahrte, weil er in seiner abstürzend­en T-33 „T-Bird“so lange sitzen blieb, bis dem Ort keine Gefahr mehr drohte. Hölker kam dabei ums Leben und bleibt als Held, sowohl in Straßberg als auch im Fliegerhor­st Lechfeld in Erinnerung. Mit der unbeantwor­teten Frage, ob das Flugzeug vom Typ A 400 M in den nächsten Jahren auf dem Lechfeld stationier­t wird und wie es mit diesem Standort weitergeht, beendete Werner Bischler seinen Vortrag, dem auch viele ehemalige Bundeswehr­angehörige aufmerksam lauschten.

Bürgermeis­ter Rudolf Schneider bedankte sich bei ihm mit der Übergabe der Festschrif­t zum 200. Gemeindeju­biläum, anschließe­nd trug sich Bischler in das Goldene Buch der Gemeinde ein.

 ??  ?? Die ehemalige Zivilanges­tellte Sophie Korner brachte Bischler (links) eine Tasse mit einer alten Ansicht des Barackenla­gers mit. Rechts Bürgermeis­ter Rudolf Schneider.
Die ehemalige Zivilanges­tellte Sophie Korner brachte Bischler (links) eine Tasse mit einer alten Ansicht des Barackenla­gers mit. Rechts Bürgermeis­ter Rudolf Schneider.
 ??  ?? Im Ersten Weltkrieg entstand ein großes Barackenla­ger für den Sammelplat­z von Kriegsgefa­ngenen.
Im Ersten Weltkrieg entstand ein großes Barackenla­ger für den Sammelplat­z von Kriegsgefa­ngenen.
 ??  ?? So sah der „Tower“der Fliegersch­ule 4 in den Jahren 1916/17 aus.
So sah der „Tower“der Fliegersch­ule 4 in den Jahren 1916/17 aus.
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Bürgermeis­ter Rudolf Schneider reichte Werner Bischler das Goldene Buch.

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