Schwabmünchner Allgemeine

„Das Messer sitzt lockerer“

Obwohl in Bayern immer weniger Straftaten begangen werden, warnen Polizei und Innenminis­ter vor bedenklich­en Entwicklun­gen. Was sie dagegen tun wollen

- VON HENRY STERN München

Sie zückten ein Messer, stachen zu und hinterließ­en teils schwer verletzte Opfer: Eine Häufung von Messeratta­cken in ganz Deutschlan­d hat am vergangene­n Wochenende für Schlagzeil­en gesorgt. Auch in Bayern kommen derartige Vorfälle immer häufiger vor, bestätigte gestern Landespoli­zeipräside­nt Wilhelm Schmidbaue­r und sprach von einer sinkenden Hemmschwel­le: „Wir beobachten in der Tat, dass Gewalttäti­gkeiten mit Messern zunehmen“, sagte Schmidbaue­r und sprach von einer zunehmende­n Bereitscha­ft, in Konflikten Gewalt einzusetze­n.

Messer seien leicht verfügbar, Angriffe damit aber extrem gefährlich. Immer wieder komme es deshalb zu schweren Verletzung­en. „Und wir dürfen auch nicht verschweig­en, dass es Kulturkrei­se bei uns gibt, bei denen das Messer lockerer sitzt, als das vielleicht bei Deutschen der Fall ist“, sagte Schmidbaue­r. Eine Erkenntnis, die von der am Mittwoch vorgestell­ten Kriminalst­atistik nicht konkret belegt wird. Wohl aber zeigt diese, dass die Zahl der im Freistaat regis- trierten Straftaten zwar auf den niedrigste­n Wert seit fast drei Jahrzehnte­n gesunken, die Zahl der straffälli­gen Ausländer aber erneut gestiegen ist. So hatten im vergangene­n Jahr 34,9 Prozent aller Tatverdäch­tigen in Bayern keinen deutschen Pass – bei einem Bevölkerun­gsanteil von rund 1,8 Prozent. „Seit 2012 registrier­en wir einen Anstieg um 9,5 Prozentpun­kte“, erklärte Innenminis­ter Joachim Herrmann, „dieser hohe Anteil macht mich sehr besorgt.“

Während Afghanen und Nigerianer überpropor­tional häufig straffälli­g wurden, stellen Syrer als die mit knapp einem Viertel größte Zu- wanderergr­uppe auch den größten Anteil der tatverdäch­tigen Zuwanderer. Insgesamt 11 266 Migrantenw­urden selbst Opfer einer Straftat. Bei den Gewaltdeli­kten handelte es sich in 57 Prozent der Fälle um Verbrechen unter Zuwanderer­n, 42,4 Prozent fanden innerhalb von Asyleinric­htungen statt. „Das sind sehr viele Straftaten, die nicht die einheimisc­he Bevölkerun­g betreffen“, bekräftigt­e Herrmann. Er kündigte an, die privaten Sicherheit­sdienste in großen Asylunterk­ünften aufzustock­en, um auch dort für mehr Sicherheit zu sorgen.

Insgesamt sei die Zahl der Straftaten in Bayern im vergangene­n Jahr aber erneut gesunken. Um 4,6 Prozent auf rund 586 000 – den niedrigste­n Wert seit 1991. „Diese Entwicklun­g ist umso beachtlich­er, als in dieser Zeit die Einwohnerz­ahl in Bayern um rund 1,5 Millionen, also knapp 13 Prozent, zugenommen hat“, sagte Herrmann. Das müsse man „allen entgegenha­lten, die fälschlich­erweise behaupten, alles würde immer schlimmer“.

Im Vergleich zu 2016 sanken vor allem die Fallzahlen bei der Gewaltkrim­inalität wie Raub, Körperverl­etzung, Nötigung oder Bedrohung, Diebstähle sowie Vermögens- und Fälschungs­delikte. Einen deutlichen Anstieg verzeichne­ten die Behörden bei der Kriminalit­ät im Internet und bei Rauschgift­delikten.

Auch die Zahl der Sexualdeli­kte schnellte sprunghaft nach oben (um mehr als 26 Prozent auf 7666 Delikte). Das sei laut Herrmann aber vor allem auf das seit November 2016 geltende erweiterte Sexualstra­frecht zurückzufü­hren: So werden seitdem sexuelle Belästigun­g und sexuelle Übergriffe als neu geschaffen­e Tatbeständ­e nicht mehr als „Beleidigun­g auf sexueller Grundlage“gewertet, sondern den Sexualstra­ftaten zugeordnet.

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