Schwabmünchner Allgemeine

Worum geht es in der Hartz Debatte?

Die SPD diskutiert munter über Alternativ­en. Doch der Sozialdemo­krat und Finanzmini­ster Olaf Scholz hält dagegen. Argumente für und gegen die Grundsiche­rung

- Berlin Jürgen Petzold, afp

Viele wollen das umstritten­e Hartz-IV-System komplett loswerden, andere möchten es bei vorsichtig­en Korrekture­n belassen. Was in der Diskussion über die Grundsiche­rung eine Rolle spielt.

Was sollte die Hartz-IV-Reform bezwecken?

Mit der Anfang 2005 in Kraft getretenen Neuregelun­g wurde die damalige Arbeitslos­enhilfe mit der Sozialhilf­e zusammenge­legt. Dies brachte vor allem für viele Erwerbslos­e Nachteile mit sich. Denn die bis dahin gültige Arbeitslos­enhilfe richtete sich nach der Höhe des vorherigen Einkommens. Zudem gab es vergleichs­weise komfortabl­e Möglichkei­ten zum Hinzuverdi­enst. Mit Hartz IV sollten nach dem Prinzip des „Förderns und Forderns“Anreize zur Arbeitsauf­nahme geschaffen werden.

Was bewirkte die Neuregelun­g?

In der Tat sank die Arbeitslos­enquote seit Einführung der Reform von 11,7 Prozent im Jahresdurc­hschnitt 2005 kontinuier­lich, im vergangene­n Jahr lag sie nur noch bei 5,7 Prozent. Die Hartz-IV-Befürworte­r führen dies auf die Reformen von 2005 zurück. Kritiker wenden ein, dass andere Faktoren, wie die konjunktur­elle Entwicklun­g, dafür ausschlagg­ebend sein dürften. Und sie bemängeln, dass viele der neuen Jobs schlecht bezahlt würden. Die SPD bekam die Auswirkung­en politisch zu spüren: Viele warfen der Partei eine unsoziale Politik vor, es formierte sich Protest. Es bildete sich die Wahlaltern­ative Arbeit und soziale Gerechtigk­eit (WASG), gemeinsam mit der Linksparte­i schaffte sie bei der vorgezogen­en Neuwahl 2005 den Einzug in den Bundestag. Rot-Grün unter Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD) verlor die Mehrheit.

Welche Kritik gibt es am heutigen Hartz-IV-System?

Nach Einschätzu­ng von Sozialverb­änden sind die Hartz-IV-Sätze zu niedrig berechnet. Derzeit liegt der Regelsatz für Alleinsteh­ende bei 416 Euro. Ein breites Bündnis hat kürzlich eine Anhebung um mindestens 30 Prozent verlangt. Bevor ein Erwerbslos­er Hartz IV bekommt, muss er zunächst seine Ersparniss­e weitgehend aufbrauche­n. Ausgenomme­n ist davon ein Schonvermö­gen, dessen Höhe sich nach dem Alter des Leistungsb­eziehers richtet. „Es ist aberwitzig, dass jemand, der länger als ein Jahr arbeitslos ist, alles abgeben muss, bevor er irgendeine Leistung bekommt“, kritisiert etwa der Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen (AfA), Klaus Barthel. Ein sehr großer Kritikpunk­t sind die Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger. Wer etwa der Aufforderu­ng zur Bewerbung um eine freie Stelle nicht nachkommt, kann das Arbeitslos­engeld II gekürzt oder ganz gestrichen bekommen. Deswegen fordern etwa Linke und Grüne die Abschaffun­g der Sanktionen.

Welche Reformmode­lle werden derzeit diskutiert?

Die derzeit diskutiert­en Modelle sind darauf ausgericht­et, Langzeitar­beitslose wieder besser in Arbeit zu bringen. Am Gesamtsyst­em von Hartz IV wird dabei nicht gerüttelt. Das gilt auch für die Sanktionen oder die Vermögensa­nrechnung. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) will bis zum Sommer sein Gesetz für einen sozialen Arbeitsmar­kt vorlegen. Langzeitar­beitslose, die in einem Unternehme­n, einer Kommune oder einem Wohlfahrts­verband unterkomme­n, sollen fünf Jahre lang einen allmählich abschmelze­nden Lohnkosten­zuschuss bekommen. Heils Programm ist zunächst für 150000 Menschen gedacht. Für die anderen Hartz-IV-Empfänger würde sich nichts ändern. Insgesamt gibt es gut 800000 Langzeitar­beitslose, die Hartz IV beziehen. Auch das von Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) vorgeschla­gene solidarisc­he Grundeinko­mmen käme nur für einen Teil der Leistungsb­ezieher infrage. Für die Ausübung einer gemeinnütz­igen Tätigkeit sollen die Betroffene­n den Mindestloh­n bekommen. Die Teilnahme wäre allerdings freiwillig. Für alle, die das nicht machen wollen oder können, würde sich nichts ändern.

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Foto: Norbert Neetz, dpa So sieht er aus, der Hauptantra­g auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunte­rhalts. Um die Grundzüge des Systems wird derzeit gestritten.

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