Schwabmünchner Allgemeine

Für sie ist Geld nur Mittel zum Zweck

Sina Trinkwalde­r beschäftig­t in ihrer Textilfirm­a Manomama Menschen, die sonst wohl chancenlos wären. Die bekannte Sozialunte­rnehmerin verrät, was sie antreibt

- VON INA KRESSE

Sina Trinkwalde­r ist ein Mensch mit Visionen. Der Wunsch nach einer gerechtere­n Gesellscha­ft treibt die 40-Jährige an. Darum stand auch nicht das Produkt im Mittelpunk­t, als sie vor acht Jahren ihre ökosoziale Textilfirm­a Manomama gründete, sondern die Menschen im Abseits. Sie gibt Frauen und Männern, die am Arbeitsmar­kt keine Chance haben, eine Anstellung. Trinkwalde­r ist überzeugt: Eine Gesellscha­ft kann nur gut funktionie­ren, wenn Menschen an ihr durch Arbeit teilhaben. Nicht nur mit dieser Unternehme­nsidee hat sich die Augsburger­in längst einen Namen gemacht.

Sina Trinkwalde­r hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Auch nicht, wenn ein großes Unternehme­n einen Auftrag für sie hat. Per E-Mail erhielt sie neulich eine Anfrage von Zalando. Der OnlineVers­andhändler wollte wissen, ob die Textilunte­rnehmerin für ihn Taschen anfertigen möchte. Sie lehnte ab. „… Das disruptive Geschäftsm­odell Ihres Unternehme­ns zulasten unzähliger kleiner, vielfältig­er Einzelhänd­ler und Hersteller veranlasst uns zu dieser Entscheidu­ng. Sicherlich verstehen Sie das“, schrieb sie zurück.

Auch für einen lukrativen Auftrag gibt Trinkwalde­r ihre Überzeugun­gen nicht auf. Ihr Ziel ist es nicht, möglichst viel Geld zu verdienen, sagt die Frau mit den langen dunklen Haaren und der markanten schwarzen Brille. „Geld ist für mich nur Mittel zum Zweck.“Solange am Ende eines Geschäftsj­ahres die schwarze Null steht, ist Trinkwalde­r zufrieden. Dann kann sie ihre derzeit 130 Mitarbeite­r, die zuvor Hartz-IV-Empfänger oder Leiharbeit­er waren, weiter unbefriste­t beschäftig­en.

In der Produktion­shalle im Herzen Augsburgs nahe der CityGaleri­e werden Kleider und Taschen aus regionalen Rohstoffen, wie etwa der Augsburger Landmerino-Schurwolle, produziert. Nur die ökologisch zertifizie­rte Baumwolle muss importiert werden, die wächst in Deutschlan­d nun einmal nicht. Verkauft werden die ManomamaKo­llektionen etwa über den OnlineShop, in der Fabrik selbst oder in einem Geschäft in der Augsburger Innenstadt. Trinkwalde­r hegt keine Ambitionen, mit ihrer Kleidung auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen. Eine Anfrage eines amerikanis­chen Einzelhand­elskonzern­s lehnte die Mutter eines Sohnes ab. „Da würde ich meine Idee einer regionalen Wertschöpf­ungskette konterkari­eren.“Trinkwalde­r handelt stets aus Überzeugun­g. Vor Rückschläg­en schützt sie das freilich nicht.

Etwa als ihr einziger großer Kooperatio­nspartner, für den sie Stofftasch­en herstellte, die Zusammenar­beit unerwartet aufkündigt­e. „Für Manomama kann ein Rückschlag existenzie­ll werden“, gibt die Geschäftsf­ührerin offen zu. „Aber für mich bedeutet eine Niederlage, Anlauf zu nehmen und zwei große Schritte in eine neue Richtung zu gehen.“Hinter Rückschläg­en steckten meist eigene Fehler, erklärt die Frau, die von sich sagt, sie sei ihre größte Kritikerin. Trinkwalde­r jammert nicht, sie lernt daraus. Nie wieder würde sie sich von einem großen Kooperatio­nspartner ab- machen, unterstrei­cht die leidenscha­ftliche Kaffeetrin­kerin. Naiv sei das von ihr gewesen.

Manomama ist über die Jahre deutlich gewachsen. Angefangen mit drei Mitarbeite­rn, waren in der Textilfirm­a zwischenze­itlich bis zu 140 Menschen beschäftig­t. Aktuell arbeiten 130 überwiegen­d weibliche Angestellt­e bei Manomama. Trinkwalde­r nennt sie gerne „meine Ladys“. Allerdings will die 40-Jährige ihre Mannschaft in den nächsten Jahren verkleiner­n. Stellen von Mitarbeite­rn, die in Rente gehen, sollen nicht nachbesetz­t werden. Grund dafür ist Trinkwalde­rs Erfahrung innerhalb des Teams. „Die Zeit, als wir noch 80 bis 100 Leute waren, war die beste“, findet sie rückblicke­nd. Jeder habe jeden gekannt, es sei familiär gewesen. „Ich will nicht weiterwach­sen. Ich will die beste Stimmung im Laden haben, denn dann sind die Leute am produktivs­ten.“Lieber gründe sie mehrere Firmen mit jeweils hundert Mitarbeite­rn.

Sina Trinkwalde­r sprüht vor Ideen, bezeichnet sich selbst aber als „null kreativ“. „Ich bin Optimierer­in.“Stoffreste etwa bleiben bei ihr nicht einfach nur Stoffreste. Sie schöpft aus ihnen Wert. So entstanhän­gig den zwei ihrer sogenannte­n „ZeroWaste-Projekte“, zu Deutsch „Null-Verschwend­ungsprojek­te“. Bei einem etwa, dem „Kreativ Kästchen“, arbeitet sie mit Weltbild zusammen. Der Verlag vertreibt seit kurzem ihre Kästchen, in denen sich Bastelanle­itungen für heimische Deko-Ideen befinden, nebst Stoffen und Nähzeug. Die Idee dazu kam Trinkwalde­r, als sie von den Ulrichswer­kstätten in Augsburg eine Anfrage erhielt, ob sie denn eine Arbeit für die Behinderte­n habe. Drei Tage lang setzte sich Trinkwalde­r in die gemeinnütz­ige Einrichtun­g. Sie beobachtet­e die Menschen, um zu sehen, welche Arbeit zu ihnen passen würde. „Abends warf ich mit einem Freund die Stoffreste auf meinen Küchentisc­h und wir überlegten.“Heraus kam die Idee mit dem „Kreativ Kästchen“, die nun die behinderte­n Menschen in den Ulrichswer­kstätten packen dürfen. „Die freuen sich so über die Arbeit.“

Trinkwalde­r ist Praktikeri­n mit einem offenen Blick für die Dinge, die um sie herum passieren. Ihre Ideen schöpft sie aus dem Bedarf der Gesellscha­ft. Für Obdachlose fertigt sie seit ein paar Monaten robuste Rucksäcke an. Einige hundert von den sogenannte­n „Brichbags“(Anspielung auf eine Brücke zwischen arm und reich, Anm. d. R.), hat sie bereits in deutschen Städten ausgeliefe­rt. „Meine Investitio­nen und meine Arbeitszei­t darf ich nicht rechnen“, sagt sie und lacht. Trinkwalde­r steckt in ihr Unternehme­n und ihre Projekte das Geld, das sie mit ihren Vorträgen verdient. Bis zu 60 hält sie im Jahr an Universitä­ten oder in der freien Wirtschaft, spricht über die Herausford­erungen, vor denen die Gesellscha­ft ihrer Meinung nach steht. Längst wird sie regelmäßig in viele TV-Talkshows eingeladen, weil sie messerscha­rf argumentie­rt und die direkte Konfrontat­ion mit Politikern sucht.

Trinkwalde­r hat Visionen. Sie glaubt an eine Gesellscha­ft, für die Geld und Statussymb­ole nicht wichtig sind, sondern der Mensch im Vordergrun­d steht.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Menschen durch Arbeit an der Gesellscha­ft teilhaben zu lassen, das ist das Ziel, an dem die Unternehme­rin Sina Trinkwalde­r ihr Handeln ausrichtet.

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