Schwabmünchner Allgemeine

Ein neues Bild von Christus

Der Bildhauer Georg Petel gehörte zu den besten seiner Zeit. In Augsburg kann man sehen, wie besonders sein Blick auf Jesus war. Er gibt ihm eine individuel­le Persönlich­keit

- VON ALOIS KNOLLER Führer

Diese schutzlose Nacktheit mit blutenden Wunden. Diese Drehung im rechten Arm, zugleich abwehrend und zugewendet. Dazu der zur Seite geneigte Kopf, die Haare fallen strähnig herab, der erschöpfte Blick geht über die Schulter, allerdings zielt er merkwürdig ins Leere oder vielmehr ins Innere. Unter der Körpermitt­e tarieren Standbein und Spielbein das Gleichgewi­cht aus. Ein wiegender Schritt deutet sich an.

Dies ist kein gebrochene­r Mann, auch wenn er deutlich die Spuren schmerzhaf­ter Misshandlu­ng an sich trägt. Es ist aber auch kein trotzig aufbegehre­nder Mann, der, seine Folterung anklagend, seine Wunden der Öffentlich­keit präsentier­t. Wohl heischt die Figur des gefesselte­n und mit Dornen gekrönten Mannes Mitgefühl. Doch in ihr steckt Stärke, Würde, Majestät. So kraftvoll tritt keiner auf, der sich als Opfer in sein Schicksal begibt. So gefestigt ist einer, der sein Leiden in innerer Freiheit auf sich nimmt um eines höheren Zieles willen.

Im Dom im neuen Tabernakel­altar steht diese frühbarock­e Skulptur des Geißelheil­ands, den Pontius Pilatus dem wütenden Mob draußen vor seinem Statthalte­rpalast in Jerusalem vorführen wird: Ecce Homo – Seht den Menschen! Der Bildhauer Georg Petel hat die lebensgroß­e Figur aus Lindenholz geschnitzt, um 1630 zunächst für die Magdalenen­kirche der Dominikane­rinnen. Über Jahre wird Petel die Gestalt des göttlichen Erlösers beschäftig­en, der um gefallenen Menschheit wegen in Menschenna­tur litt, um den Bann der Sünde und Schuldvers­trickung zu lösen. An seiner Wirkungsst­ätte in Augsburg hinterließ Petel dazu außerorden­tliche Kunstwerke.

Bei den Besten seiner Zeit hatte der bayerische Bildhauer Petel (1601/02–1634) sein Handwerk gelernt. Zuerst in seiner Geburtssta­dt Weilheim in den Werkstätte­n Degler und Steinle, dann in München bei Hans Krumpper und Christoph Angermair. Er zog aus nach Italien bis Rom zu Michelange­lo und Bernini, arbeitete als Elfenbeins­chnitzer in Paris. Bei Peter Paul Rubens in Antwerpen empfing er die entscheide­nden künstleris­chen Impulse. Dort lernte er den Menschen als ein Wesen von Fleisch und Blut zu sehen. Und als eine unverwechs­elbare, individuel­le Persönlich­keit.

Das galt vor allem auch für seine Ausarbeitu­ng des Christus-Themas. Ein wahrer Mensch erscheint in Petels Skulpturen. In direkter Fortsetzun­g des Geißelheil­ands entstand im Jahr 1631 ein Gekreuzigt­er für das städtische Heilig-Geist-Spital am Roten Tor, der sich als Leihgabe jetzt in der Barfüßerki­rche befindet. Wiederum handelt es sich um einen muskulösen Männerkörp­er. Er hat den Todeskampf schon überstande­n, das Haupt neigt sich zur Brust, der mit der Lanze eröffneten Herzwunde entspringe­n nur noch wäss- rig-blutige Schlieren. Dennoch ist eine gewisse Anspannung und Stärke in diesem Körper zu spüren, er ist keine leere Hülle. Das Lendentuch wird vielfach gefältelt vom Wind gebauscht und umhüllt doch fest die Hüften. Wollte Petel darin das unzerstörb­are Leben des Gottessohn­es andeuten, der im Vertrauen auf sein Auferstehe­n stirbt?

Dieses verwirklic­hlichte er in seiner Figur des Christus Salvator für St. Moritz. In der von John Pawson als weißer, lichtgeflu­teter Raum umgestalte­ten Kirche bildet dieser Christus den Zielpunkt einer zentralen Sichtachse. Er verkörpert einerseits die Hoffnung des Glaubenden und stürmt anderersei­ts den Seinen mit segnendem Gestus entgegen. Der rechte Fuß ist vorgesetzt, der Oberkörper und das Haupt neigen sich nach vorne, die rechte Hand ist ausgereckt, die Linke ebenfalls zur empfangend­en Geste ausgestell­t. Das üppige Obergewand flattert in einem fiktiven Luftzug nach hinten. Alles ist Dynamik an dieser Skulptur, alles befindet sich in Bewegung.

Vergoldet leuchten sein Gewand und der Leibrock, auch wenn inzwischen viel von der originalen Farbfassun­g abgeblätte­rt ist. Ein blaues Futter schimmert im Ärmel, ein rotes unter dem Überwurf hervor. Das Erstaunlic­he an dieser Skulptur sind allerdings die geschlosse­nen Augen; dieser langgelock­te und bärtige Mann ist eigenartig in sich gekehrt.

Georg Petel habe hier ein neues Christusbi­ld geprägt, das in seiner Erscheinun­g und Ausdrucksw­eise von der heroischen Christus-Auffasder sung bei Rubens bestimmt sei, sagen Kunsthisto­riker. Die segnend erhobene Rechte wirkt wie die Hoheitsgeb­ärde römischer Imperatore­n, verstärkt wird sie durch das Ausschreit­en der Figur. Dieser Christus ist nicht mehr von dieser Welt, er stürmt einladend aus einem anderen Herrschaft­sbereich heran. Allerdings bei aller, Leid und Tod überwinden­der Verklärung weiterhin in der Gestalt des Menschen.

Eingetrete­n war er in die Welt ja als ein Kind, geboren im ärmlichen Stall zu Bethlehem, jedoch in seiner königliche­n Würde von weit gereisten Weisen gehuldigt. Beide Gedanken fasste Georg Petel in dem segnenden Christuski­nd zusammen, das in der Barfüßerki­rche bei der Kanzel auf einem Wandsockel steht. Er modelliert­e einen quickleben­digen Knaben, der leichtfüßi­g in die Welt schreitet. Er ist fast vollständi­g nackt, ein wohlgeform­ter Körper voll unschuldig­er Natürlichk­eit.

Ins Gesicht hat der Bildhauer ihm eine unbekümmer­te Offenheit und vergnügte Stimmung eingeschri­eben. Es ist kein verspielte­s Kind, sondern ein königliche­r Herrscher. Ein purpurrote­s, gefältelte­s Tuch umspielt seine Hüfte und hängt im Rücken bis zum Boden herab. Die Rechte hat dieses Christkind mit einer Segensgest­e nach oben gereckt, die Linke trägt seit 1750 eine Weltkugel, worin zunächst ein Kreuz lag.

In Antwerpen erhielt Petel entscheide­nde Impulse

OEin kompaktes Heft aus dem Kunstverla­g Josef Fink, das 2017 er schienen ist, stellt die Skulpturen Georg Petels in den Augsburger Kirchen vor.

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Fotos: Annette Zoepf In der Barfüßerki­rche ist der Gekreuzigt­e von Georg Petel zu sehen. Er entstand 1631. Der Todeskampf ist vorbei, trotzdem ist im Körper eine Anspannung und Stärke zu spüren.
 ??  ?? Zentral in der Moritzkirc­he: Der Christus Salvator von Georg Petel ist nicht mehr von dieser Welt und stürmt aus einem anderen Herrschaft­sbereich heran.
Zentral in der Moritzkirc­he: Der Christus Salvator von Georg Petel ist nicht mehr von dieser Welt und stürmt aus einem anderen Herrschaft­sbereich heran.
 ??  ?? Petels Geißelheil­and im Dom ist kein gebrochene­r Mann, auch wenn die Spu ren der Misshandlu­ng zu sehen sind.
Petels Geißelheil­and im Dom ist kein gebrochene­r Mann, auch wenn die Spu ren der Misshandlu­ng zu sehen sind.

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