Schwabmünchner Allgemeine

Wo bleibt die Jugend in der Kirche?

Zu „Nightfever“strömen junge Christen, am Sonntag sieht man nur wenige. Warum Religion in der nächsten Generation durchaus ankommt

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für das Jahr der Jugend, das Papst Franziskus 2018 für die katholisch­e Kirche ausgerufen hat?

Die Religiosit­ät ist bei den Kindern und Jugendlich­en heute keineswegs verflogen, wie die Alten oft beklagen, aber sie sieht anders aus. Junge Leute holen sich ihre Spirituali­tät, wie ihnen gerade zumute ist. Das kann in der Stille einer Kirche sein; in St. Moritz beispielsw­eise gönnen sich etliche junge Leute tagsüber eine kleine Auszeit. Es kann in einem Jugendgott­esdienst mit neuen geistliche­n Liedern und modernen Texten sein. Oder einfach überall dort, wo gute Gemeinscha­ft erfahren wird, etwa auf dem Rathauspla­tz oder am Kuhsee.

Die evangelisc­he Kirche in Augsburg macht seit vielen Jahren beste Erfahrunge­n mit ihrem Konficamp. Rund 650 Jugendlich­e erleben in den Sommerferi­en zehn Tage gemeinsame­s Lagerleben an der italienisc­hen Adria. Es ist nicht nur Strandurla­ub, sondern Auseinande­rsetzung mit dem christlich­en Glauben und Einüben, wie dieser das Zusammenle­ben prägen kann. Glaubwürdi­gkeit ist gefragt. Was die Pfarrer sagen, sollten sie auch selbst leben – gerade, wenn es ernst wird und zwischenme­nschliche Konflikte auflodern. So sehr beeindruck­t die Zeit im Konficamp, dass viele Konfirmand­en sich später selbst als ehrenamtli­che Mitarbeite­r zur Verfügung stellen. Ähnliches erzählen kirchliche Jugendgrup­pen von ihren Zeltlagern. Wer eine Zeitlang miteinande­r das Leben teilt, erhält einen viel tieferen Eindruck von Freundscha­ft, die ein gemeinsame­r Spirit beflügelt.

Ministrant­en – sie dürften die größte kirchliche Jugendvere­inigung sein – schweißt ihr Dienst am Altar zusammen. Es sind nicht nur die rituellen Verrichtun­gen, welche die Großen den Kleinen beibringen. Es ist auch die gemeinsame Freizeit, Aktionen wie die Sternsinge­r, Ausflüge und Fahrten. Wenn es nach Rom zur internatio­nalen Ministrant­enwallfahr­t geht, dann ist es ein leichtes, Gleichaltr­ige (und Gleichgesi­nnte) aus anderen Ländern kennenzule­rnen.

Jugendlich­e gehen spielerisc­h mit der Religion um. Seit über einem Jahr verbindet das diözesane WhatsApp-Gebetsnetz­werk „Einfach gemeinsam beten“zahlreiche jugendlich­e und erwachsene Christen mit täglichen Impulsen. Jüngst hat es den Verkündigu­ngspreis einer Aachener Stiftung erhalten. Das Angebot verbleibt nicht nur im virtuellen Raum, allein in Augsburg gibt es auch vier Gruppen, die das Netzwerk zusammenge­führt hat.

Das größte Netzwerk bildet aber der Religionsu­nterricht. Zwar besuchen ihn längst nicht mehr alle Schüler, doch den Kirchen bietet er die einmalige Chance, christlich­e Glaubensin­halte zu vermitteln – ohne zu missionier­en. Wohl aber stellen sich darin die wesentlich­en Fragen des Lebens nach Woher und Wohin und Wozu. Sie bedrängen wohl jeden jungen Menschen, wenn sie auch nur ein bisschen unter die Oberfläche unserer Konsumkult­ur tauchen. „In jedem jungen Menschen wohnt ein Prophet“, sagt Papst Franziskus. Jugend stellt die Verhältnis­se infrage, will die Welt ein Stück besser machen, nimmt sich die Freiheit, anders zu leben. Gering ist die Bereitscha­ft, sich den alten Ritualen zu unterwerfe­n. Jeden Sonntag brav zur Kirche gehen, egal, ob einem der Priester liegt oder nicht, wie Bischof Konrad Zdarsa fordert, tun die wenigsten. Meinen sie es deswegen nicht ernst? Sieht man den Ansturm tausender junger Leute auf die Augsburger „Mehr“-Konferenz und das Gebetshaus, könnte man glauben, hier liege die Zukunft des Christentu­ms. Doch auch dieses Charismati­kertum ist nur ein Ausschnitt.

Im evangelisc­hen Dekanat hat es sich bewährt, dass ein Popkantor andere musikalisc­he Farben in die Kirche bringt. Gerade plant HansGeorg Stapff, an Allerheili­gen das Pop-Oratorium „Luther“in Augsburg aufzuführe­n. Bis zu 300 Chorsänger sollen es zusammen mit Solisten auf die Bühne bringen. Es wird daran erinnern, dass Martin Luther vor 500 Jahren in Augsburg vom päpstliche­n Legaten verhört worden ist – und ganz im jugendlich­en Geist nicht widerrufen hat, was er als richtig erkannt hat.

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