Mit viel Gefühl für die Schale
Karl Heinz Zweng fertigt aus Eihüllen echte Kunstwerke. Der Schwabmünchner bemalt die Vorlagen nicht nur, sondern stanzt Motive aus und installiert Scharniere. Sein Hobby hilft ihm im Kampf gegen Schmerzen
Hohe Konzentration, ruhige Hände und eine Portion Kreativität – das sind die Eigenschaften, die Karl Heinz Zweng für sein Hobby benötigt. Seit Mitte der 1990er-Jahre bemalt und gestaltet der 75-Jährige Eier. Dabei beschränkt er sich längst nicht nur auf die Osterzeit. Die filigranen Kunstwerke beschäftigen ihn das ganze Jahr. „Nicht immer zur Freude meiner Frau“, wie er schmunzelnd anmerkt.
Einfach sei die Ostereierkunst nicht, meint Karl Heinz Zweng: „Sie erfordert viel Geduld und auch Erfahrung.“Die Schwierigkeit sei, dass das Motiv nicht außer Form gerät. „Bei der Kugel ist das weniger kompliziert als beim Oval“, erklärt der Hobbykünstler. Er steuert dieser Problematik entgegen, indem er das Ei kontinuierlich dreht. Damit habe er es stets als Ganzes im Blick.
Angefangen habe er mit Hühnereiern. Doch die seien nach dem Ausblasen sehr zerbrechlich. Mittlerweile fertigt er seine Schmuckstücke vorwiegend aus Gänse-, Enten-, Tauben-, Nandu- und Straußeneiern an. Aber auch Wellensittichund kleine Wachteleier hat er schon bearbeitet.
Zur Eierkunst ist der Schwabmünchner, der Metallformer lernte und zuletzt als Büroangestellter bei MAN in Augsburg tätig war, zufällig gekommen. Nach mehreren Rückenoperationen hat er sich eine sinnvolle Beschäftigung gesucht, um seinen ständigen Schmerzen zu entfliehen. „Als ich Fotos von Schmuckeiern gesehen habe, wusste ich: Das ist es“, erzählt Zweng. Und er sollte recht behalten. „Durch die große Konzentration und Disziplinierung bei der Gestaltung der Eier habe ich die Schmerzen fast vergessen.“
Zweng nimmt sich der fragilen Eierhüllen mit ausgewählten Utensilien an. Er legt großen Wert auf Dachshaarpinsel, die sich durch gute Farbaufnahme auszeichnen, und auf qualitätsvolle Acrylfarben. Unentbehrlich ist für ihn auch ein Schneidermaßband, um die ovalen Eierhüllen exakt zu vermessen. Wichtig sind weiter Bleistift, Zirkel, Skalpell, Präzisionsbohrsatz, Feile und Fräser. Letztere Instrumente benötigt er zum Perforieren und Löcherbohren, zum Glätten der Eihaut sowie um Muster zu gravieren und Stege auszufräsen. „A und O ist es, das Ei nicht zu fest, aber auch nicht zu locker zu umschließen“, sagt Zweng: „Nur so kann man Risse oder andere Beschädigungen vermeiden.“
Bevor der Hobbykünstler überhaupt kreativ tätig werden kann, muss er das Ei für den künstlerischen Prozess vorbereiten. „Die glatten, fettigen Flächen lassen sich zuverlässig und einfach mit Soda reinigen“, erklärt Zweng. Diese Prozedur sei für die Haftung der Farbe unerlässlich. Danach erfolge erst die Gestaltung. Mit Kreativität und Geschick entstehen dann aus schlichten und zerbrechlichen Eierschalen wertvolle Kostbarkeiten. Obwohl für Zweng die Eierkunst reine Liebhaberei ist, hat er treue Fans, die ihn immer wieder mit besonderen Motiven beauftragen und seine fantasievollen Schmuckeier sammeln. Sie seien nicht nur zu Ostern ein willkommenes Geschenk, weiß der Hobbykünstler.
Weit über eintausend Eier hat Karl Heinz Zweng bislang gestaltet. Hunderte davon zieren sein Haus an der Zirkenstraße. Für den Besucher gibt es dort viel Kreatives, Schönes und Außergewöhnliches zu entdecken, zuweilen verziert mit Strassund Kristallsteinen, Perlen, bunten Bändern, romantischen Spitzenmustern oder Stickereien. Nicht selten habe sich das Gestalten im wahrsten Sinne als „Eiertanz“erwiesen, stellt Zweng augenzwinkernd fest. Er bezeichnet sich als Freund der Vielfalt. Und so reicht die bunte Palette seiner Motive von Blumen, Vögeln und Schmetterlingen über Landschaften bis hin zu Märchenbildern und religiösen Motiven mit Engeln, Gottesmutter, der Auferstehung und Kreuzsymbolen. Besonders gern bemalt er seine Eier mit reizenden Hummelfiguren. Als persönliche Herausforderung nennt er die Motive der berühmten ZarenEier der Romanows, die oft in kunsthandwerklicher CloisonnéTechnik gefertigt sind, also mit dekorativ aufgesetzten dünnen Dräh- ten oder Metallstreifen. Ein Hingucker sind auch seine aufklappbaren, mit einem Scharnier versehenen Eier. Dahinter befinden sich kleine Osterhasen, religiöse Symbole oder anderes filigranes Schmuckwerk. „Alles ist pure Handarbeit“, versichert er stolz. Was für eine aufwendige Arbeit, möchte man da sagen. Der 75-Jährige widerspricht nicht. Im Durchschnitt sei er mit einem Ei 15 Stunden beschäftigt, bei besonderen Exemplaren mehrere Tage. Gleich ist bei allen Schmuckeiern allerdings: Jeder Pinselstrich, jede Bohrung, jedes Fräsen muss auf Anhieb sitzen. „Fehler verzeihen die zarten Hüllen kaum“, resümiert Karl Heinz Zweng. Doch gerade das sei für ihn Aufgabe und Ansporn zugleich.