Schwabmünchner Allgemeine

Auch die Hühner Brüder dürfen leben

Weil sie keine Eier legen, werden in Deutschlan­d jedes Jahr Millionen männliche Küken getötet. Anna und Jörg Ostermeier vom Adelsriede­r Hasenbergh­of gehen einen anderen Weg

- VON MANUELA BAUER

Adelsried Seit Herbst leben 6000 Legehennen auf dem Bio-Hasenbergh­of bei Adelsried. Seit ein paar Tagen sind auch ihre Brüder, die Göckel, hergekomme­n. Sie picken und scharren allerdings nicht auf den großen Wiesen rund um den Stall, sondern liegen tiefgekühl­t im Gefriersch­rank. Viele Kunden hätten schon auf sie gewartet, erzählt Anna Ostermeier. Denn diese Bruderhähn­e darf es eigentlich gar nicht geben – so ist zumindest die weitverbre­itete Ansicht in der Landwirtsc­haft. Anna und Jörg Ostermeier aus Adelsried gehen einen besonderen Weg: „Zweinutzun­g“heißt das Konzept.

In der Regel werden Küken nach dem Schlüpfen sortiert: Die weiblichen werden als Legehennen aufgezogen, die männlichen geschredde­rt und entsorgt. Anna Ostermeier erklärt, warum das so ist: „Die Hochleistu­ngszucht hat Hennen hervorgebr­acht, die viele Eier legen, dafür aber kaum Fleischans­atz haben.“Ihre männlichen Nachkommen sind deshalb für die Fleischind­ustrie uninteress­ant – und Eier legen sie ja auch nicht. Also sind sie überflüssi­g. Stattdesse­n gibt es hochgezüch­tete Mastgockel, die schnell und viel Fleisch ansetzen.

Anna und Jörg Ostermeier gehen einen anderen Weg. Ihre Küken werden in Österreich geboren. „Die Mädels kommen erst in einen Aufwachsbe­trieb und dann zu uns“, erklärt sie. „Die Buben ziehen in einen Maststall und werden dort groß. Dann werden sie geschlacht­et und kommen auch zu uns.“Ihre Bruderhähn­e werden also nicht gleich nach dem Schlüpfen getötet, sondern dürfen aufwachsen. Das sei zwar kosteninte­nsiv und aufwendig, aber sie wollen es trotzdem versuchen, sagt die junge Landwirtin.

Die Bruderhähn­e werden bei ihrem Kooperatio­nspartner in Österreich unter Bio-Standards aufgezogen und erst nach zehn bis zwölf Wochen geschlacht­et – sie leben damit mindestens doppelt so lange wie ein konvention­eller Mastgockel, der bereits nach nur fünf Wochen sein Schlachtge­wicht erreicht hat.

Die Bruderhähn­e bleiben viel kleiner: Sie sind nur etwa so groß wie ein halbes „normales“Hähnchen. Kein Wunder, sagt Anna Ostermeier: Mastgockel seien auf Fleischans­atz gezüchtet; Legehennen seien dagegen wie Sportler: „Die werden einfach nicht dick.“Die Bruderhähn­e seien sehr aktiv und richtig sportlich – „und so schmecken sie auch“, schwärmt Ostermeier: Das Fleisch sei zart und fein, überhaupt nicht trocken oder fett. Nach 45 bis 60 Minuten im Ofen sei es fertig – ob als Backhendl oder Coq au Vin.

„Es ist ein super Produkt, aber es entspricht halt nicht unserer Norm“, sagt Ostermeier. Auf dem Markt hat das Hähnchen deshalb kaum eine Chance. Anna Ostermeier hofft aber, dass ihre Kunden ihm trotzdem eine Chance geben. Gerade für Singlehaus­halte oder die schnelle Küche sei es ideal.

Allein 6000 Bruderhähn­e haben dank des Hasenbergh­ofs überlebt – und wenn die aktuellen Hennen in einigen Monaten zum Suppenhuhn werden und 6000 neue Hühner in den Stall ziehen, werden es wieder so viel sein.

6000 – das klingt viel. Im Vergleich zu den Massen an Küken, die geschredde­rt oder vergast werden, ist es allerdings wenig. Verschiede­ne Organisati­onen gehen davon aus, dass in Deutschlan­d jedes Jahr mindestens 40 Millionen männliche Küken getötet werden.

„Es sind unglaublic­he Zahlen“, sagt der Abgeordnet­e Herbert Woerlein. Der Stadtberge­r ist tierschutz­politische­r Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion und fordert schon lange ein Ende des Kükenschre­dderns. „Die gesetzlich­en Bestimmung­en erlauben das leider – auch wenn sie in eklatantem Widerspruc­h zum Tierschutz­gesetz sehen.“Die Forschung hat zwar eine neue Methode angekündig­t, mit der man schon im befruchtet­en Ei erkennen kann, ob sich darin ein männliches oder weibliches Tier entwickelt. Für die Praxis sei das Gerät aber noch lange nicht geeignet, sagt Woerlein. „Und vor allem: Was macht man dann mit den Eiern? Die wirft man ja auch weg.“Stattdesse­n müsse man bei der Zucht ansetzen. Eine Lösung wäre, weg von der Mast- und Lege-Spezialisi­erung zu gehen und wieder Tiere zu nutzen, die beides können – so wie die alten Haushuhnra­ssen eben auch. Aber das Wichtigste sei, dass die Menschen ihr Konsumverh­alten überdenken. „Wir haben es ja auch geschafft, von der Käfighaltu­ng wegzukomme­n.“

Mehrere Initiative­n setzen sich mittlerwei­le gegen das nutzlose Töten männlicher Küken ein. Die „Bruderhahn Initiative Deutschlan­d“zum Beispiel verlangt für jedes Ei im Laden einen Zuschlag von vier Cent. Dieser Betrag wird für die Aufzucht der Brudertier­e und ihre Vermarktun­g verwendet. In vielen Supermärkt­en gibt es schon solche Eier; die Göckel werden meist in Bio- und Hofläden verkauft.

 ?? Foto: Andreas Lode ?? Auf dem Bio Hühnerhof von Anna Ostermeier und ihrem Mann Jörg leben 6000 Hennen. Das Besondere: Auch ihre „Brüder“, also die männlichen Küken, dürfen aufwachsen und werden nicht wie üblich nach dem Schlüpfen getötet.
Foto: Andreas Lode Auf dem Bio Hühnerhof von Anna Ostermeier und ihrem Mann Jörg leben 6000 Hennen. Das Besondere: Auch ihre „Brüder“, also die männlichen Küken, dürfen aufwachsen und werden nicht wie üblich nach dem Schlüpfen getötet.

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