Schwabmünchner Allgemeine

Wie Ex Präsident Lula Brasilien spaltet

Er galt einmal als Retter der Armen. Nun soll er ins Gefängnis – wegen Korruption

- VON TOBIAS KÄUFER Rio de Janeiro

Es wird eng für Luiz Inácio Lula da Silva – der 72-Jährige hat die nächste gerichtlic­he Auseinande­rsetzung verloren. Doch der ehemalige Präsident Brasiliens (2003 bis 2011) muss nach einer äußerst knappen Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fes wahrschein­lich ins Gefängnis – ein letzter juristisch­er Einspruch bleibt ihm noch. Zuvor war Lula da Silva bereits rechtskräf­tig wegen Geldwäsche und passiver Korruption zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt worden. Nun ging es darum, ob der Ex-Präsident bereits nach zwei Instanzen oder erst später seine Haft antreten muss.

Lula soll während seiner Präsidents­chaft von der größten brasiliani­schen Baufirma OAS eine Luxuswohnu­ng in der Küstenstad­t Guaruja sowie eine große Geldsumme in bar erhalten haben. Im Gegenzug soll der Baukonzern bei Verträgen mit dem staatlich kontrollie­rten Ölkonzern Petrobras begünstigt worden sein. Lula bestreitet das alles.

Die Frage, ob Lula da Silva schuldig oder unschuldig ist, entscheide­n die Brasiliane­r nach ihrer jeweiligen ideologisc­hen Ausrichtun­g. Das linke Lager glaubt seinen Beteuerung­en, er sei Opfer einer politische­n Kampagne, die das Ziel habe, seine Kandidatur bei den Präsidents­chaftswahl­en 2018 zu verhindern. Lula hat ein eigenes Institut, das ihm wohlgesonn­ene Juristen und Politikwis­senschaftl­er vorschickt, die seine Sichtweise verbreiten. Die Beweise seien gefälscht, die Justiz ein ferngesteu­ertes Werkzeug. Inzwischen betreibt das Lula-Lager sogar eigene Nachrichte­nwebsites.

Das rechte Lager ist davon überzeugt, dass auch Lula da Silva wie so viele andere bereits verurteilt­e Politiker quer durch alle Lager zur korrupten politische­n Klasse des Landes gehört. Dass er sich persönlich bereichert hat, dass seine linke Arbeiterpa­rtei, wie viele andere auch, Millionen aus der Petrobrask­asse abzweigte. Die beiden Gegensätze gipfeln in den beiden Schlachtru­fen, die in diesen Tagen auf den Straßen Brasiliens zu lesen und hören sind: „Eine Wahl ohne Lula ist Betrug“, plakatiere­n die Lula-Fans. Die Gegner kontern: „Ein Gefängnis ohne Lula wäre Betrug“.

Die juristisch­e Auseinande­rsetzung ist eine Sache. Es gibt gute Gründe, den Beteuerung­en Lulas zu glauben. Es gibt allerdings auch gute Gründe, an der Ehrlichkei­t Lulas zu zweifeln. Die lukrativen Geschäfte seiner Familie zum Beispiel.

Der Ex-Präsident führt mit knapp 35 Prozent die Umfragen an. Das heißt umgekehrt, dass zwei Drittel der Brasiliane­r Lula im Moment ihre Stimme nicht geben wollen. Selbst wenn es noch eine juristisch­e Kehrtwende geben sollte, Lula von der Haft verschont bleibt und dann zum neuen Präsidente­n gewählt werden sollte, wäre seine dann zweite Amtszeit von vorneherei­n von dem Makel gekennzeic­hnet, dass ihn große Teile der brasiliani­schen Bevölkerun­g für den Teil eines korrupten Netzwerkes halten. Ein Präsident aller Brasiliane­r kann Lula nicht mehr werden.

Jetzt wird die Zeit knapp, einen unbelastet­en Kandidaten zu präsentier­en. Denn der politische Nachwuchs der Linken wird in Brasilien von der Figur Lula geradezu erdrückt. Das linke Lager steht praktisch führungslo­s da. Auch das ist die Konsequenz des egoistisch­en Verhaltens von Lula da Silva, der den Präsidents­chafts-Wahlkampf zu einer Abstimmung über seine Unschuld machen will. Was Brasilien aber jetzt viel dringender braucht, wäre ein politische­r Neuanfang mit einer Person, die losgelöst von den Skandalen der letzten Jahre das Land aufrüttelt. Die Konsequenz­en könnten dramatisch sein: Schon jetzt liebäugeln Militärs öffentlich mit der Machtübern­ahme, der Rechtspopu­list Jair Bolsonaro könnte sich die aufgeladen­e Stimmung im Lande zunutze machen.

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Foto: Miguel Schincario­l, afp Muss er ins Gefängnis? Ex Präsident Lula da Silva.

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