Puigdemont darf hoffen
Warum das Urteil der deutschen Richter für den Katalanen auch dann eine gute Nachricht bleibt, wenn er doch noch ausgeliefert würde
Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont kann nicht wegen des Vorwurfs der Rebellion an Spanien ausgeliefert werden. Das entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht am Donnerstagabend. Zwar erließen die Richter einen Auslieferungshaftbefehl wegen des Vorwurfs der Untreue, setzten aber auch dessen Vollzug sofort aus. Eine Auslieferung wegen Rebellion schloss das Gericht von „vornherein als unzulässig“aus. Die Begründung: Das Puigdemont zur Last gelegte Verhalten sei in Deutschland nicht strafbar. Damit kommt eine Auslieferung nicht infrage.
Im internationalen Recht gilt der Grundsatz, dass Beschuldigte nur dann ausgeliefert werden, wenn die zur Last gelegte Tat in beiden Ländern – in diesem Fall Deutschland und Spanien – strafbar ist. Den Tatbestand der Rebellion gibt es in Deutschland zwar nicht. Strittig war allerdings, ob er dem Hochverrat entspricht, der dann erfüllt ist, wenn jemand versucht, durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt ein Teilgebiet aus der Bundesrepublik auszugliedern oder die verfassungsmäßige Ordnung dort abzuschaffen.
Das Oberlandesgericht kam zu der Einschätzung, dass der Straftatbestand des Hochverrats „nicht erfüllt sei, weil es an dem Merkmal der Gewalt“fehle. Daher sei die „Fluchtgefahr deutlich herabgemildert“und weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Auslieferungshaft seien ausreichend. Dieses Urteil bedeutet, dass Puigdemont im Falle einer Auslieferung in Spanien nicht wegen Rebellion angeklagt werden kann. Auf Rebellion stehen dort bis zu 30 Jahre Gefängnis, der Vorwurf der Untreue wiegt weit weniger schwer. Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung feierte die angeordnete Freilassung. „Es scheint so, als ob es in Europa doch noch Gerechtigkeit gibt“, sagte Marcel Mauri, Vizechef der Unabhängigkeitsplattform Òmnium Cultural.
Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört die Zahlung einer Kaution von 75 000 Euro. Angeblich muss sich Puigdemont einmal pro Woche bei der Polizei in Neumünster melden, wo er sich zuletzt in Gewahrsam befand. Auch dürfe er nicht ohne Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft ausreisen und müsse einen Wechsel seines Aufenthaltsortes innerhalb Deutschlands unverzüglich bekannt geben.
Puigdemont war am 25. März kurz nach seiner Einreise aus Dänemark von der deutschen Polizei festgenommen worden. Grundlage war ein von einem Gericht in Madrid erneuerter europäischer Haftbefehl. Seitdem befindet sich Puigdemont in der Justizvollzugsanstalt in Gewahrsam. Am Dienstag beantragte die Generalstaatsanwaltschaft einen Auslieferungshaftbefehl. Die Festnahme war die jüngste Wendung im Konflikt um eine Abspaltung Kataloniens von Spanien, der nach einer Volksabstimmung und der einseitigen Verkündung der Unabhängigkeit durch die Region im Oktober eskaliert war. Puigdemont wurde als Regionalpräsident abgesetzt und floh ins Exil nach Belgien, um seiner Festnahme in Spanien zu entgehen. Von dort aus reiste er dann vor knapp zwei Wochen nach Finnland. Auf seiner Rückreise nach Brüssel wurde er schließlich in Schleswig-Holstein festgenommen. Seine Anhänger argumentieren, dass Puigdemont bei seinen Aktionen für die katalanische Unabhängigkeit stets gewaltfrei geblieben sei. Nach seiner Festnahme in Deutschland hatten in Barcelona Tausende für seine Freilassung demonstriert.
Ob er tatsächlich an Spanien ausgeliefert wird, entscheidet nun die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein.