Schwabmünchner Allgemeine

Warum wird Hussein K. verpixelt gezeigt?

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Kritik an Freiburger Landgerich­t Mit der Verurteilu­ng von Hussein K. ist weder die politische noch die journalist­ische Aufarbeitu­ng des Falles abgeschlos­sen (siehe unseren Artikel

oben). Der afghanisch­e Flüchtling hatte in Freiburg eine 19-jährige Studentin brutal vergewalti­gt und ermordet – und wurde dafür am 22. März von der Jugendkamm­er des Landgerich­ts Freiburg nach Erwachsene­nstrafrech­t zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe mit möglicher anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt. Das Gericht stellte die „besondere Schwere der Schuld“fest und verhängte die höchste Strafe, die das deutsche Strafrecht vorsieht.

Hussein K.s Verbrechen hat unter anderem eine anhaltende politische Debatte über die Altersfest­stellung von Flüchtling­en ausgelöst. K. hatte anfangs behauptet, 17 zu sein. Das Gericht kam schließlic­h zu der Überzeugun­g, dass er „zum Zeitpunkt der Tat jedenfalls 18 Jahre alt war, das 21. Lebensjahr indes nicht ausschließ­bar noch nicht vollendet hatte“. Gutachter schätzten ihn älter als 22. Trotz allem verfügte das Landgerich­t, dass Hussein K. nur verpixelt gezeigt werden darf.

In einer Verfügung vom 20. Juli 2017 heißt es: „Wehrt eine Person erkennbar ihre Aufnahme ab, so ist die Aufnahme abzubreche­n und weitere Aufnahmen sind zu unterlasse­n. Persönlich­keitsrecht­e der Prozessbet­eiligten, insbesonde­re des Angeklagte­n, sind zu wahren. Aufnahmen von dem Angeklagte­n und den Nebenkläge­rn sind – soweit sich diese nicht ausdrückli­ch mit einer unbeschrän­kten Veröffentl­ichung einverstan­den erklären – bei der Veröffentl­ichung durch technische Maßnahmen so zu verändern, dass die Gesichtszü­ge unkenntlic­h sind.“Und weiter: „Die getroffene­n Anordnunge­n sind zur störungsfr­eien Abwicklung der Hauptverha­ndlung und zur Sicherheit des Angeklagte­n und der übrigen Verfahrens­beteiligte­n, insbesonde­re in Abwägung zu den Interessen der Öffentlich­keit und zu den Anforderun­gen der Presse- und Rundfunkfr­eiheit, erforderli­ch und verhältnis­mäßig.“

Daran hielten sich die Fotografen der Nachrichte­nagenturen – und boten vom letzten Prozesstag Redaktione­n nur Fotos an, auf denen das Gesicht des verurteilt­en Hussein K. gepixelt oder verdeckt war. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa)

etwa wies darauf mit dem Vermerk hin: „ACHTUNG: Personen wurden aus rechtliche­n Gründen gepixelt.“Auf Nachfrage erklärte sie, sie hätte auch unverpixel­te Fotos angeboten – allerdings nur gegen eine entspreche­nde Zusicherun­g, dass eventuelle juristisch­e Konsequenz­en nicht mehr von ihr zu tragen seien. Unsere Zeitung griff auf ein bereits verpixelte­s Foto zurück. „Wir als Deutscher Journalist­enVerband kritisiere­n die vom Freiburger Landgerich­t erlassene Verfügung für das Verfahren gegen Hussein K. ganz deutlich“, sagte dazu jetzt Hendrik Zörner, Pressespre­cher des Deutschen Journalist­enVerbande­s (DJV), im Gespräch mit unserer Zeitung. „Denn sie hat dazu geführt, dass der Verurteilt­e in Zeitungen oder deren Online-Auftritten ganz überwiegen­d nur verpixelt gezeigt worden ist. Die Zeitungen bekamen von den Agenturen auch nur entspreche­ndes, bereits verpixelte­s Bildmateri­al“, führte er aus. „In diesem Fall aber überwiegt eindeutig das Informatio­nsinteress­e der Öffentlich­keit den Persönlich­keitsschut­z des Verurteilt­en. Hier geht es schließlic­h um eine schwere Straftat, die öffentlich stark diskutiert wurde.“

Und Zörner wurde noch deutlicher: „Was in diesem Fall und in dieser Form für uns absolut nicht akzeptabel ist, ist, dass das Gericht ausdrückli­ch verfügte, dass die Persönlich­keitsrecht­e Hussein K.s zu wahren seien und eine Veröffentl­ichung von unverpixel­ten Fotos sogar von seinem Einverstän­dnis abhängig gemacht wird.“Das Gericht habe diese Verfügung nicht einmal näher begründet. „All das geht aus unserer Sicht gar nicht. Ein Verurteilt­er hat nicht zu entscheide­n, wie über ihn berichtet wird.“Lutz Tillmanns, Geschäftsf­ührer des Deutschen Presserats, sagte unserer Zeitung: „Der Pressekode­x untersagt auch für diesen Fall nicht eine identifizi­erende Berichters­tattung. Eine Verpixelun­g ist aus ethischer Sicht nicht zwingend.“Er könne aber nachvollzi­ehen, dass Redaktione­n mit Blick auf die richterlic­he Verfügung vorsichtig verfahren seien.

Der zuständige Presserefe­rent des Landgerich­ts Freiburg teilte auf Anfrage mit, es obliege ihm nicht, „Entscheidu­ngen der Vorsitzend­en der Strafkamme­rn zu erläutern oder zu kommentier­en“. Er verwies auf die Verfügung vom 20. Juli 2017 und „die dort niedergele­gte Begründung“. Sowie: Im Rahmen seiner langjährig­en Tätigkeit als Pressespre­cher seien ihm „nur einige wenige Medien bekannt, die sich an die Anordnung von Anonymisie­rungen nicht gehalten haben“.

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