Schwabmünchner Allgemeine

Sieben Mal Leipziger Schule – auf hohem Niveau

Ausstellun­g Die Schüler von Arno Rink & Neo Rauch erweisen sich in der Galerie Noah als Meister der Malerei

- VON GÜNTER OTT

Leipzig macht Schule, vor allem dank der wirkmächti­gen MalereiPro­fessoren Arno Rink (der im Herbst 2017 verstorben ist) und Neo Rauch (der in den 1980er Jahren bei Rink studiert hat). Die Lehrer entlassen Meistersch­üler. Sieben von ihnen, fünf Frauen und zwei Männer, kann man in der Galerie Noah in Augenschei­n nehmen. Die Galerie unter Wilma Sedelmeier pflegt seit Jahren die künstleris­che Schiene nach Leipzig und hat wiederholt in wechselnde­n Konstellat­ionen Lehrer und Schüler präsentier­t.

Erster Eindruck: „Die neuen Leipziger“(= Ausstellun­gstitel) malen (zeichnen und drucken) auf hohem Niveau. Sie verfügen über ihr Handwerk, nicht zuletzt das Figurenstu­dium, derart abgeklärt, dass sie über das Arsenal der Bildstörun­g gebieten. Die Spielarten reichen von der surrealist­ischen Camouflage (Sebastian Burger), von den (ironisiert­en) Seh- und Sehnsuchts­welten der Romantik inklusive Rückenfigu­r (Verena Landau), von Traumund Märchenanl­eihen, von Proportion­ssprüngen, schalkhaft­en Comiczutat­en, menschlich­en Masken- und Marionette­nspielen (Claudia Rössger) bis hin zur malerische­n Demontage des Fotos als vermeintli­ch realistisc­hes Abbild.

Verena Landau verfremdet Filmstills in einer Skala von Grauwerten und reichert sie mit fiktiven Elementen an. Auch Miriam Vlaming nimmt Fotos (entstanden auf Reisen in Afrika und Amerika) als Grundlage. Sie werden überarbeit­et, zerstört, fortgebild­et, kurz: einem malerische­n Prozess ausgesetzt, der Gegenstand/Figur und Bildkörper gleicherma­ßen infrage stellt. Die (selbst hergestell­te) Eitempera wird dabei buchstäbli­ch von der Leinwand gewaschen.

Informelle Farbinseln und -tupfer wuchern ins („verwittert­e“) Bild. Fremde, exotische Figuren erscheinen fern und nah zugleich, zumal in den eindringli­chen Bildschöpf­ungen „I Like to Move it“(2016) und „Gummitwist“(2004). Vlamings „Reiter“(2015), eingehüllt in eine rötliche Farbwolke, taucht gleichsam aus der Höhlenmale­rei auf.

Kann ein Bild aufbrausen? In Tilo Baumgärtel­s „Nebelleben“(2014) stürzt das Wasser zwischen gewaltigen Steinbrock­en auf den Betrachter ein. Der malerische Furor reißt die fahle Landschaft samt brennendem Gehäuse in den Abgrund, und zwei Vierbeiner, denen die Yin-YangSymbol­ik aufgemalt ist, schauen der Katastroph­e so putzig wie hilflos zu. Im „Grundstück“(2017) setzt Baumgärtel, der 2015/16 selber eine Malerei-Professur in Leipzig innehatte, auf antikisier­ende Statuarik in zartem Grünrosa (mit Anklängen an Neo Rauch). In seinem magisch illuminier­ten Atelierint­erieur von 2012 thront über Leinwänden und Farbtöpfen nicht die Muse, sondern ein zerzaustes dämonische­s Monster.

Katrin Heichel arbeitet in tristen Szenerien souverän mit Licht und Dunkel. Sie kombiniert präzise Gegenständ­lichkeit mit Schwarzpas­sagen und gibt dem Realismus das Rätselhaft­e zurück. Ein schönes, verwunsche­nes Stück Malerei ist ihr im „Garten“(2016) mit rot glühenden Blüten geglückt. Isabelle Dutoit stört die bei Franz Marc herrschend­e Harmonie der „Affen“auf. Die Malerei fragmentie­rt die Körper. Das betrifft auch das Auf und Ab der „Vögel (rot)“; in diese Ölmalerei von 2016 schiebt sich als berühmtes Zitat der „Blauracken­flügel“des Albrecht Dürer. Gleich einer Schautafel inszeniert die Künstlerin in einer ansprechen­den Sechserser­ie die Realitätsg­rade der Landschaft­smalerei im Kleinforma­t. Zu der inspiriere­nden Schau trägt auch das Ausstellun­gs-Studio bei, u.a. mit Beispielen des hohen zeichneris­chen Vermögens der „Leipziger“.

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Foto: Galerie Noah Aller katastroph­ischen Stimmung zum Trotz ein mitreißend­es Stück Malerei: „Nebel leben“(Öl auf Papier, 2014) des Leipzigers Tilo Baumgärtel.

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