Evangelische Gemeinde will Kirche verkaufen
St. Johannes kann sich den Sakralbau an der Wertachbrücke nicht mehr leisten. Einen Interessenten gibt es bereits. Doch es sind noch offene Fragen zu klären
Als Regionalbischof Michael Grabow am Palmsonntag in St. Johannes vier Priester in ihr Amt einführte, war die evangelische Kirche an der Wertachbrücke voll. Hausherrin Snewit Aujezdsky erlebt solche Momente selten. An normalen Sonntagen kann die Pfarrerin die Gottesdienstbesucher zählen. „Was sind schon 50 Menschen in einer Kirche mit 800 Plätzen?“
Bereits als St. Johannes 1930 erbaut wurde, war das Gotteshaus überdimensioniert für die Protestanten in Oberhausen. Die Landeskirche habe „diese Trutzburg durchgesetzt“, sagt die Pfarrerin. Mittlerweile empfinde die evangelische Gemeinde ihre Kirche als Last. „Wir müssen schauen, dass wir sie loswerden. Unser Haushalt ist nicht mehr gedeckt. Wir müssen auf Rücklagen zurückgreifen.“
Was aus dem Mund einer Pfarrerin unerhört klingen mag, ist das Ergebnis einer mehrjährigen Diskussion mit dem Kirchenvorstand. Die Gemeinde will ihre Kirche an der Donauwörther Straße samt Pfarrzentrum und -haus verkaufen. Einen Interessenten gibt es – das Diakonische Werk. Der Wohlfahrtsverband benötigt Räume und könnte sich vorstellen, einen Teil seiner Einrichtungen nach St. Johannes zu verlagern.
In die Überlegungen sind neben der Gemeinde unter anderem auch die Landeskirche und das Dekanat eingebunden. Doch bevor ein Verkauf zustande kommt, muss der Denkmalschutz das Vorhaben billigen. Um die Kirche an die Erfordernisse der Diakonie anzupassen, seien Umbauten notwendig. Ein Beispiel: „Um Arbeitsplätze einzurichten, braucht es mehr Licht. Und das geht nur, wenn die Fenster vergrößert werden dürfen.“
Sollte St. Johannes umgewidmet werden, stellt sich die Frage, wo künftig Gottesdienste gefeiert werden. Auch hier hat sich der Kirchenvorstand Gedanken gemacht und beschlossen, das zweite Gemeindehaus in der Eschenhofstraße (neben der Heinrich-von-Buz-Realschule) stärker zu nutzen und das Pfarrbüro dorthin zu verlagern. Hier lebten die meisten Evangelischen, sagt Aujezdsky.
Zudem seien die Räume vor zwölf Jahren behindertengerecht umgebaut worden. Der Saal mit seinen rund 50 Sitzplätzen reicht für normale kirchliche Veranstaltungen aus. „Unsere Gemeinde wird kleiner. In meinen zwölf Dienstjahren hier ist die Zahl der Mitglieder um 500 auf 3000 gesunken.“Evangelische Zuzügler könnten gerade im multikulturellen Oberhausen die Austritte und Sterbefälle nicht wettmachen.
Dass die Räume an Feiertagen nicht ausreichen, ist Aujezdsky bewusst. Hier gebe es Lösungsvorschläge. Die Gemeinde könnte sich vorstellen, mit ihrer Mutterpfarrei Heilig Kreuz zusammenzugehen. „Mit der Straßenbahnlinie 4 ist man schnell in der Innenstadt.“Auch Überlegungen, besondere Gottesdienste in einer katholischen Kirche zu feiern, sind für die Pfarrerin kein Tabu. Direkt neben St. Johannes steht die katholische Kirche St. Joseph. Die Gemeinde hat vor einigen Jahren Maßnahmen vollzogen, zu denen sie der demografische Wandel im Stadtteil gezwungen hat: Sie verkaufte ihr Pfarrzentrum an die islamische Ussaki-Gemeinde. Der überwiegende Teil ihres Gotteshauses wird als Diözesanarchiv genutzt. Die Verwaltung befindet sich in einem Neubau, der anstelle des abgerissenen Pfarrhauses errichtet wurde. Die Gläubigen von St. Joseph wiederum nutzen einen Teil der Kirche als Gottesdienstraum und Gemeindezentrum. Ebenso wie ihre evangelische Schwester konnte sie sich die riesige Immobilie nicht mehr leisten.
Wieder zurück zur Kirche St. Johannes: Das Gebäude sowie die Räume in der Eschenhofstraße sind nicht die einzigen Immobilien, die die Pfarrei unterhalten muss. Das Pfarrhaus in der Donauwörther Straße, das zuletzt Werner Ungar als Dienstwohnung nutzte, ist an das Diakonische Werk vermietet. Es wird für ein Wohnprojekt genutzt. Am weitesten gediehen sind laut Pfarrerin Aujezdsky die Überlegungen, was mit dem in die Jahre gekommenen Kindergarten in der Branderstraße passieren soll. Da eine Generalsanierung nicht wirtschaftlich sei, komme ein Neubau. Er entsteht in der Maschenbauerstraße in unmittelbarer Nähe zur Löweneckschule.
Dort wollte die Stadt ursprünglich Baugrund für kleine Einfamilienhäuser ausweisen, entschied sich dann aber für einen Kindergartenbau. Aujedzsky: „Wir hatten viele gute Gespräche mit Oberbürgermeister Kurt Gribl und Sozialreferent Stefan Kiefer und sind sehr dankbar, dass die Stadt umgeschwenkt ist.“Bauherrin der neuen Kita, die mit fünf bis sechs Gruppen um einiges größer wird als die bisherige, ist die evangelische Gesamtkirchengemeinde. St. Johannes wird die Einrichtung pädagogisch betreuen. Wenn alles gut verläuft, könnte der Neubau im September 2020 bezogen werden.
Was den Zeitplan der gesamten Reform anbelangt: Hier hofft Aujedzsky, zum Jahresende 2018 die Marschrichtung zu kennen und in einem Jahrzehnt das Wesentliche geschafft zu haben. Die 54-Jährige will diesen Prozess gerne begleiten. Bewusst hat sie sich entschieden, in St. Johannes zu bleiben. Sie fühlt sich dem Stadtteil und der Gemeinde verbunden. Dass diese sich vor zwölf Jahren für sie, eine geschiedene und alleinerziehende Pfarrerin, entschieden hat, erfüllt die Münchnerin mit Dankbarkeit.
Die Landeskirche setzte einst die „Trutzburg“durch