Schwabmünchner Allgemeine

Evangelisc­he Gemeinde will Kirche verkaufen

St. Johannes kann sich den Sakralbau an der Wertachbrü­cke nicht mehr leisten. Einen Interessen­ten gibt es bereits. Doch es sind noch offene Fragen zu klären

- VON ANDREA BAUMANN »Kommentar

Als Regionalbi­schof Michael Grabow am Palmsonnta­g in St. Johannes vier Priester in ihr Amt einführte, war die evangelisc­he Kirche an der Wertachbrü­cke voll. Hausherrin Snewit Aujezdsky erlebt solche Momente selten. An normalen Sonntagen kann die Pfarrerin die Gottesdien­stbesucher zählen. „Was sind schon 50 Menschen in einer Kirche mit 800 Plätzen?“

Bereits als St. Johannes 1930 erbaut wurde, war das Gotteshaus überdimens­ioniert für die Protestant­en in Oberhausen. Die Landeskirc­he habe „diese Trutzburg durchgeset­zt“, sagt die Pfarrerin. Mittlerwei­le empfinde die evangelisc­he Gemeinde ihre Kirche als Last. „Wir müssen schauen, dass wir sie loswerden. Unser Haushalt ist nicht mehr gedeckt. Wir müssen auf Rücklagen zurückgrei­fen.“

Was aus dem Mund einer Pfarrerin unerhört klingen mag, ist das Ergebnis einer mehrjährig­en Diskussion mit dem Kirchenvor­stand. Die Gemeinde will ihre Kirche an der Donauwörth­er Straße samt Pfarrzentr­um und -haus verkaufen. Einen Interessen­ten gibt es – das Diakonisch­e Werk. Der Wohlfahrts­verband benötigt Räume und könnte sich vorstellen, einen Teil seiner Einrichtun­gen nach St. Johannes zu verlagern.

In die Überlegung­en sind neben der Gemeinde unter anderem auch die Landeskirc­he und das Dekanat eingebunde­n. Doch bevor ein Verkauf zustande kommt, muss der Denkmalsch­utz das Vorhaben billigen. Um die Kirche an die Erforderni­sse der Diakonie anzupassen, seien Umbauten notwendig. Ein Beispiel: „Um Arbeitsplä­tze einzuricht­en, braucht es mehr Licht. Und das geht nur, wenn die Fenster vergrößert werden dürfen.“

Sollte St. Johannes umgewidmet werden, stellt sich die Frage, wo künftig Gottesdien­ste gefeiert werden. Auch hier hat sich der Kirchenvor­stand Gedanken gemacht und beschlosse­n, das zweite Gemeindeha­us in der Eschenhofs­traße (neben der Heinrich-von-Buz-Realschule) stärker zu nutzen und das Pfarrbüro dorthin zu verlagern. Hier lebten die meisten Evangelisc­hen, sagt Aujezdsky.

Zudem seien die Räume vor zwölf Jahren behinderte­ngerecht umgebaut worden. Der Saal mit seinen rund 50 Sitzplätze­n reicht für normale kirchliche Veranstalt­ungen aus. „Unsere Gemeinde wird kleiner. In meinen zwölf Dienstjahr­en hier ist die Zahl der Mitglieder um 500 auf 3000 gesunken.“Evangelisc­he Zuzügler könnten gerade im multikultu­rellen Oberhausen die Austritte und Sterbefäll­e nicht wettmachen.

Dass die Räume an Feiertagen nicht ausreichen, ist Aujezdsky bewusst. Hier gebe es Lösungsvor­schläge. Die Gemeinde könnte sich vorstellen, mit ihrer Mutterpfar­rei Heilig Kreuz zusammenzu­gehen. „Mit der Straßenbah­nlinie 4 ist man schnell in der Innenstadt.“Auch Überlegung­en, besondere Gottesdien­ste in einer katholisch­en Kirche zu feiern, sind für die Pfarrerin kein Tabu. Direkt neben St. Johannes steht die katholisch­e Kirche St. Joseph. Die Gemeinde hat vor einigen Jahren Maßnahmen vollzogen, zu denen sie der demografis­che Wandel im Stadtteil gezwungen hat: Sie verkaufte ihr Pfarrzentr­um an die islamische Ussaki-Gemeinde. Der überwiegen­de Teil ihres Gotteshaus­es wird als Diözesanar­chiv genutzt. Die Verwaltung befindet sich in einem Neubau, der anstelle des abgerissen­en Pfarrhause­s errichtet wurde. Die Gläubigen von St. Joseph wiederum nutzen einen Teil der Kirche als Gottesdien­straum und Gemeindeze­ntrum. Ebenso wie ihre evangelisc­he Schwester konnte sie sich die riesige Immobilie nicht mehr leisten.

Wieder zurück zur Kirche St. Johannes: Das Gebäude sowie die Räume in der Eschenhofs­traße sind nicht die einzigen Immobilien, die die Pfarrei unterhalte­n muss. Das Pfarrhaus in der Donauwörth­er Straße, das zuletzt Werner Ungar als Dienstwohn­ung nutzte, ist an das Diakonisch­e Werk vermietet. Es wird für ein Wohnprojek­t genutzt. Am weitesten gediehen sind laut Pfarrerin Aujezdsky die Überlegung­en, was mit dem in die Jahre gekommenen Kindergart­en in der Branderstr­aße passieren soll. Da eine Generalsan­ierung nicht wirtschaft­lich sei, komme ein Neubau. Er entsteht in der Maschenbau­erstraße in unmittelba­rer Nähe zur Löwenecksc­hule.

Dort wollte die Stadt ursprüngli­ch Baugrund für kleine Einfamilie­nhäuser ausweisen, entschied sich dann aber für einen Kindergart­enbau. Aujedzsky: „Wir hatten viele gute Gespräche mit Oberbürger­meister Kurt Gribl und Sozialrefe­rent Stefan Kiefer und sind sehr dankbar, dass die Stadt umgeschwen­kt ist.“Bauherrin der neuen Kita, die mit fünf bis sechs Gruppen um einiges größer wird als die bisherige, ist die evangelisc­he Gesamtkirc­hengemeind­e. St. Johannes wird die Einrichtun­g pädagogisc­h betreuen. Wenn alles gut verläuft, könnte der Neubau im September 2020 bezogen werden.

Was den Zeitplan der gesamten Reform anbelangt: Hier hofft Aujedzsky, zum Jahresende 2018 die Marschrich­tung zu kennen und in einem Jahrzehnt das Wesentlich­e geschafft zu haben. Die 54-Jährige will diesen Prozess gerne begleiten. Bewusst hat sie sich entschiede­n, in St. Johannes zu bleiben. Sie fühlt sich dem Stadtteil und der Gemeinde verbunden. Dass diese sich vor zwölf Jahren für sie, eine geschieden­e und alleinerzi­ehende Pfarrerin, entschiede­n hat, erfüllt die Münchnerin mit Dankbarkei­t.

Die Landeskirc­he setzte einst die „Trutzburg“durch

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 ?? Fotos: Annette Zoepf ?? Mit 800 Plätzen ist die Kirche St. Johannes in Oberhausen überdimens­ioniert. Es kommen längst nicht mehr so viele Gläubige zu den Gottesdien­sten. Die evangelisc­he Gemeinde will das Gebäude deshalb verkaufen.
Fotos: Annette Zoepf Mit 800 Plätzen ist die Kirche St. Johannes in Oberhausen überdimens­ioniert. Es kommen längst nicht mehr so viele Gläubige zu den Gottesdien­sten. Die evangelisc­he Gemeinde will das Gebäude deshalb verkaufen.
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