Am Hauptbahnhof wird kaum geflirtet
Wie verhalten sich Menschen an deutschen Bahnhöfen? Augsburg kommt bei einer Studie schlecht weg
Der Augsburger Hauptbahnhof ist nicht gerade sexy, sofern sich das überhaupt von einem Bahnhof sagen lässt. Absperrungen, Lärm und in Container ausgelagerte Geschäfte tragen nicht zu seiner Attraktivität bei. Vielleicht ist das der Grund, warum der Hauptbahnhof in einer Umfrage schlecht abschneidet.
Geht es nämlich um den Flirtfaktor an den Hauptbahnhöfen von 30 deutschen Städten, dümpelt Augsburg weit hinten auf Platz 28 herum. Nur Kiel und Braunschweig lässt die Fuggerstadt hinter sich. Nürnberg hingegen schafft es auf Platz 7, München auf Rang 6. Am besten flirten lässt es sich offenbar am Dortmunder Hauptbahnhof. Wie es zu dem Ergebnis kommt? Das will man über die Dating-App „Jaumo“herausgefunden haben. Das FlirtProgramm, das nach Angaben der Betreiber in Deutschland über zwei Millionen Nutzer hat, lässt sich auf Smartphones installieren. Man kann dort ein Profil erstellen und in seiner näheren Umgebung nach einem Flirtpartner suchen. Vier Wochen wurden die Aktivitäten angemeldeter Singles an den 30 Hauptbahnhöfen analysiert.
In Augsburg kam es in der Zeit nur zu 349 „Treffern“, in Dortmund waren es über
2700. H. Gülmez, die in einem der Ladencontainer am Hauptbahnhof Backwaren verkauft, wundert das Abschneiden Augsburgs nicht: „Es ist hier gerade einfach nicht schön.“Die Baustelle vermiese vielen die Laune. „Die Leute ärgern sich, weil sie das Gleis oder das Reisezentrum nicht finden. Wie soll da Flirtlaune entstehen?“Sophia Potthoff wartet vor dem Bahnhof auf eine Freundin. Hier zu flirten, kommt für die 23-Jährige nicht in Frage. Das liegt aber eher an ihren persönlichen Plänen. „Im Juli gehe ich für ein Jahr nach Australien. Da spare ich mir das Flirten lieber.“Die 17-jährigen Freunde Daniel Manntz und Bully Probst würden gar nicht auf die Idee kommen, sich am Hauptbahnhof umzusehen. „Das ist hier kein Hotspot. Da ist der Plärrer besser.“Cecilia S. findet Reisen schön. „Aber in Augsburg ist es eher trostlos“, sagt die 36-Jährige. Flirtlaune könne hier nicht aufkommen, weil Gelegenheiten zum Verweilen fehlen. „Gäbe es Cafés, würde das zur Laune beitragen.“
Für Roland Kaschner liegt das Problem woanders: „Die Züge sind so getaktet, dass man am Bahnhof nicht mehr viel Aufenthaltsdauer hat.“Um länger Blickkontakt zu halten oder jemanden anzusprechen, bliebe nicht genügend Zeit. „Da halte ich den Flirtfaktor im Zug für wesentlich höher“, sagt der 51-Jährige. Das sieht Beatrix Weinrich, Sprecherin von „Jaumo“, anders. Die Auswertung habe ergeben, dass Zug-Verspätungen den Flirtfaktor erhöhen. Und da gebe es genügend Wartezeit. Ausschlaggebend sei auch, ob es sich um einen klassischen Umsteigebahnhof handelt, von dem aus man in viele Richtungen weiterfahren kann. „Dortmund etwa ist so ein Bahnhof.“Während des Erhebungszeitraums der Daten dort seien über die App 336500 „Likes“an andere Nutzer vergeben worden. Im Vergleich dazu hießen in Augsburg nur 35313 Nutzer andere für gut. Ob der Umbau des Bahnhofs den Flirtfaktor erhöht? Wer jetzt schon erfolgreich flirtet, könnte bis zur Fertigstellung jedenfalls längst verheiratet sein.