Beute Jet fehlten zehn Pferdestärken
Vor 100 Jahren endete das erste Kapitel der Luftfahrt auf dem Fliegerhorst Lechfeld. Ein anderes Kapitel begann vor 60 Jahren. Der Platz birgt einige Geheimnisse
Die Freude bei den Angehörigen der 54th Disarmament Squadron der amerikanischen Streitkräfte war groß, als sie im Mai 1945 auf dem Fliegerhorst Lechfeld flugfähige Düsenflugzeuge vom Typ Me 262 des Herstellers Messerschmitt vorfanden. An dem ersten in Serie gefertigten Düsenjäger der Welt, der im Lechfeld von März 1943 bis Kriegsende getestet und geflogen wurde, hatte die amerikanische Luftwaffe höchstes Interesse. Groß war allerdings die Enttäuschung, dass die vorhandenen Maschinen nicht gestartet werden konnten. Wehrmachtsangehörige hatten zuvor zwei kleine, aber entscheidende Teile je Flugzeug ausgebaut, in Ölpapier verpackt und unversehrt vergraben: die Anlasser für die Strahltriebwerke. Ohne diesen 16 Kilogramm schweren und eine Leistung von 10 PS erzeugenden Riedel-Anlasser, benannt nach seinem Erfinder Norbert Riedel, konnte das modernste Kampfflugzeug seiner Zeit nicht abheben.
Dennoch wurde die Me lange Zeit zu einem begehrten Forschungsprojekt, sogar Nachbauten dieser Kriegswaffe wurden angefertigt, um Flugfähigkeit dieses ersten Serien-Jets zu testen. Diese Geschichte ist nur eine von vielen, die Werner Bischler, Historiker und Mitbegründer der in dieser Form einzigartigen militärgeschichtlichen Sammlung auf dem Lechfeld aus der über 100-jährigen Geschichte der dortigen Fliegerei zu berichten weiß.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 fand im Lechfeld die militärische Luftfahrt erstmals ein jähes Ende. Erst 1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, rückte das Lechfeld mit dem Gründungsbefehl der „Bombenschule“, später als „Kampffliegerschule Lechfeld“bezeichnet, wieder in den Fokus der Fliegerei. Auf verschiedenen Flugzeugmustern bildete der Standort Lechfeld mit dem Flugplatz Schleißheim die sogenannten Leithorste – mit entsprechender materieller und personeller Kapazität für die gesamte Region München.
Viermotorige Bomber des Typs Boeing B-17 der amerikanischen Luftwaffe, auch „Flying Fortress“(fliegende Festung) genannt, setzten in Kriegszeiten dem Platz sehr zu. Insgesamt 14 Mal war der Flieger- horst in der Ebene des Lechs das Ziel der amerikanischen Bomber. Darunter litten auch die umliegenden Orte sehr.
Nach dem Krieg wurde der US– Verband, der beim Angriff am 18. März 1944 den Flugplatz Lechfeld erheblich beschädigte, sogar auf dem Lechfeld stationiert – jedoch mit einem ganz anderen, streng gedie heimen Auftrag. Unter dem Decknamen „Project Casey Jones“hatten die Piloten in ihren umgerüsteten Maschinen Luftaufnahmen von Europa, insbesondere von den unbekannten Bereichen Osteuropas, zu fertigen, um die Bilder in aktuelles Kartenmaterial umzusetzen.
Erst 1958, zwei Jahre nach Aufstellung der Bundeswehr, wurde der Flugplatz der deutschen Luftwaffe übergeben, die hier seit 1. Juni 1858 mit dem Jagdbombergeschwader 32 ihren ersten Kampfverband auf bayerischem Boden betrieb. Die Flugzeuge, beispielsweise die F-104 G „Starfighter“, kamen aus Amerika, bevor später mit dem PA 2000 „Tornado“ein Flugzeug in europäischer Kooperation lange Zeit den Himmel über dem Lechfeld dominierte.
Vor fünf Jahren, Ende März 2013, endete mit der Auflösung des JaboG 32 die Ära der eigenen fliegenden Verbände am Lechfeld. Der Flugplatz wird derzeit nur noch als Ausweichplatz betrieben, der Schwerpunkt des Bundeswehrstandortes mit der Lechfeld- und der Ulrichskaserne liegt jedoch in der Ausbildung von hoch qualifiziertem Personal in ganz unterschiedlichen technischen Bereichen.