Schwabmünchner Allgemeine

„Mehr Schauspiel­er sollten sich politisch äußern“

Mit sieben Millionen Zuschauern ist Hans Sigls „Bergdoktor“seit langem die erfolgreic­hste deutsche Fernsehser­ie. Im echten Leben ist der 48-Jährige ein politisch denkender Mensch. Vor allem macht dem in Bayern lebenden Österreich­er der wachsende Rechtspop

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Herr Sigl, lassen Sie uns über Politik reden. Wenn man Ihre Talk-ShowAuftri­tte verfolgt, hat man den Eindruck, Sie sind ein sehr politisch denkender Mensch. Woher kommt das?

Schon zu meiner Schulzeit als Klassenspr­echer und stellvertr­etender Schulsprec­her war es mir wichtig, ein politische­s Statement zu setzten. Ich bin der Meinung, dass es ein Mindestmaß an politische­r Verantwort­ung in unserer Gesellscha­ft gibt. Jeder Wahlberech­tigte sollte sich informiere­n. Aber warum wundert Sie das?

Vielleicht liegt das an den Klischees, die wir mit Ihrer Fernsehrol­le als „Bergdoktor“verbinden. Obwohl auch dort gesellscha­ftskritisc­he Themen vorkommen, wie zuletzt drohende Abschiebun­gen …

Sigl: Wir haben in der letzten Bergdoktor-Staffel auch Problemati­ken wie Transgende­r und Abschiebun­gen thematisie­rt, das fand ich sehr gut. Zwar bringt sich dabei meine

Man kann auf Facebook mitverfolg­en, dass Sie der Aufstieg der Populisten sehr umtreibt …

Als ich 1998 nach Deutschlan­d kam und bei der Shakespear­e Company in Bremen anfing, wurde ich mit den Worten empfangen: Toll, du kommst aus Österreich: Berge, Skifahren, Kaiserschm­arrn. Ein paar Monate später kam die FPÖ, nach dem Wahlerfolg von Jörg Haider, in die österreich­ische Bundesregi­erung. Dann hieß es plötzlich: Hey, du kommst aus Österreich: Bist du etwa auch so ein Nazi?

Sie leben seit vielen Jahren in Deutschlan­d. Hat es Sie überrascht, dass nach dem Erfolg der FPÖ nun auch in Deutschlan­d die AfD zur stärksten Opposition­spartei aufsteigen konnte?

Überrascht hat mich das überhaupt nicht. Österreich­er und Deutsche vereint, dass auch mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die rechte Ideologie offensicht­lich nicht ausgestorb­en ist. Wer sich in der Geschichte etwas auskennt weiß, dass es langfristi­g betrachtet immer wieder Wellen des Nationalis­mus gibt. Es stört mich, wenn man so tut, als wäre das etwas Neues, nie Dagewesene­s, denn es wiederholt sich. Neu dazugekomm­en ist das Internet, die mediale Umsetzung, die alles etwas beschleuni­gt, und leider auch verzerrt. Stichwort „FakeNews“.

Viele dachten, Deutschlan­d wäre mit seiner Geschichte eine Ausnahme …

Wirklich? Die Hoffnung, dass Deutschlan­d wegen seiner Ge- schichte vom europaweit­en Aufstieg der Rechtspopu­listen verschont bliebe, habe ich nie geteilt. Die Ursachen dafür liegen tief im Wesen des Menschen verwurzelt. Der Mensch hat sich immer schon gegenseiti­g ausgegrenz­t, und war sich nie wirklich wohlgesonn­en. So viel weiter ist die Menschheit von heute trotz allen Fortschrit­ts nicht. Schon mein Geschichts­lehrer hat gesagt: „Die kommen wieder.“

Sie verfolgen stets auch die Politik in Ihrer Heimat: Kann man aus dem Umgang mit der FPÖ in Österreich Lehren für Deutschlan­d ziehen?

Ein Lehrbuch gibt es nicht, und leider sehe ich, dass in den Medien beim Umgang mit den Rechtspopu­listen in Deutschlan­d sowie in Österreich die gleichen Fehler gemacht werden. In den Talkshows werden deren Argumente oft nicht hinterfrag­t, entweder weil die Sendezeit zu kurz ist oder der Mut zum Widerspruc­h fehlt. Damit gewöhnt sich die Gesellscha­ft aber immer mehr an die absurden Argumente der Populisten.

Wünschen Sie sich eine härtere Auseinande­rsetzung?

Sigl: Druck erzeugt Gegendruck und ich glaube, die einzige Möglichkei­t ist eine klare faktische Diskussion, um scheinbare Argumente zu widerlegen und tatsächlic­he Fakten in die Diskussion einzubring­en. Aber wenn der Herr mit der HundeKrawa­tte im Parlament sagt: „Wenn man Krieg im Bundestag will, wird man auch Krieg bekommen“, und er dafür keinen massiven Widerspruc­h erhält, ist das für mich ein Skandal.

Glauben Sie, dass die AfD wieder verschwind­en könnte?

Sigl: Darüber nachzudenk­en, wie Parteien vom Schlag der FPÖ oder AfD wieder verschwind­en könnten, halte ich für den falschen Ansatz. Diese Parteien sind in demokratis­chen Wahlen gewählt worden und dahinter stehen Menschen, die diese Politik offenbar gut finden. Menschen, die Parteien wie FPÖ oder AfD gewählt haben, muss man aufklären, sich mit ihnen auseinande­rsetzten und sie nicht populistis­chen Scheinidee­n überlassen. Jetzt aber ist die AfD stärkste Opposition­spartei und in allen Nachrichte­n wird ihr deshalb viel Raum gegeben. Ihre Argumentat­ionsversuc­he sprechen aber ohnehin für sich und sind sehr einfach inhaltlich zu widerlegen. Wir werden das Gleiche erleben wie in Österreich mit der FPÖ: Durch diese Plattform werden die Haltungen der Rechtspopu­listen scheinbar salonfähig, deswegen ist es wichtig, achtsam und aufmerksam zu sein und es auch zu bleiben.

Die ÖVP hat die FPÖ in die Regierungs­koalition geholt. Kann so eine Umarmungss­trategie funktionie­ren?

Sigl: Das wird sich zeigen, ich hoffe nicht. Aber vielleicht wird nun manchen FPÖ-Wählern klar, dass sie mit ihrer Wahl das Gegenteil erreicht haben, was sie wollten: Denn in Österreich ist es so, dass die FPÖ mit ihrer Politik vor allem die Menschen abstraft, die sie aus Unzufriede­nheit gewählt haben. Die FPÖ streicht Sozialleis­tungen, kürzt Bildungsma­ßnahmen und so weiter. Man schaue sich nur mal das absurde Theater um das Nichtrauch­ergesetz an. Erst wird es beschlosse­n, dann wieder gekippt. Mein Tipp: Lest vorher lieber mal die Parteiprog­ramme. Denn die Politik der Rechtspopu­listen folgt keiner Logik, es geht nur um Emotionen.

Was können die anderen Parteien dagegen tun?

Die anderen Parteien sollten wieder aktiv ihre eigenen Ideen in den Vordergrun­d stellen und über die wirklichen sozialen und wirtschaft­lichen Probleme im Land reden, anstatt den Rechtspopu­listen und ihren Themen hinterherz­ulaufen. Dabei geht es auch um die Sprache: Man kann zum Beispiel „Flüchtling­spolitik“sagen oder aber auch „Integratio­nspolitik“. Beim Wort „Flüchtling­spolitik“schwingen Angst und Ausgrenzun­g mit. „Integratio­nspolitik“beschreibt den gleichen Vorgang aber auch eine positive Lösung des Problems. Aber es geht immer um Schlagzeil­en und Schlagwort­e. Das nervt mich.

„Dann hieß es plötzlich: Hey, Du kommst aus Österreich. Bist Du etwa auch so ein Nazi?“Hans Sigl über die Wahlerfolg­e der FPÖ

Was ärgert Sie daran besonders?

Man will immer nur mit billigen Schlagwort­en Debatten in eine Richtung treiben, anstatt sich wirklich einen großen Wurf zu überlegen. Manchmal habe ich das Gefühl, es klingt alles wie schlechte Werbesloga­ns: Schnell, einfach, radikal, aber nicht haltbar. So versucht man, auf Stimmenfan­g zu gehen. Leider sind die Helmut Schmidts, und wie sie alle hießen, ausgestorb­en, die noch in der Lage waren, Politik in großen Zusammenhä­ngen zu machen und zu erklären.

Sie sind mit Ihrer Serie ein Botschafte­r des Heimatgefü­hls. Was halten Sie davon, dass immer mehr Politiker nach dem Begriff greifen?

Das Problem ist, wenn Begriffe benutzt werden, um sie falsch zu besetzen. Heimat ist: Wohlfühlen, Geborgenhe­it und Sicherheit. Jetzt wird den Menschen Angst gemacht, dass ihnen die Heimat verloren gehen könnte, durch „böse Menschen“von außen. Das ist Populismus gepaart mit rechtem Gedankengu­t. In unserer kleinen idealen Welt einer Fernsehfik­tion zeigen wir einen Bauernhof mit einer Familienst­ruktur, die durchaus progressiv wirkt. Wie zwei Männer als Brüder eine Tochter großgezoge­n haben und sich an ihrem Fleckchen Heimat wohlfühlen. Es ist einfach nur Unterhaltu­ng. Für ein Publikum mit hoher Erwartung. Hoch emotionale Geschichte­n mit heutigem Hintergrun­d. Man möchte einen problemfre­ien Bereich haben, der einem nicht weggenomme­n wird. Statt Angst geben wir den Menschen ein kleines Stück gutes Gefühl.

Interview: Michael Pohl

OZur Person Der aus der Steiermark stammende Schauspiel­er Hans Sigl be gann seine Karriere Anfang der neunziger Jahre am Tiroler Landesthea­ter in Inns bruck, 1998 wechselte er an das Theater der Bremer Shakespear­e Company. Seinen TV Durchbruch erlangte er durch die Hauptrolle als Major Blitz in der ZDF Krimiserie „Soko Kitzbühel“. Seit 2008 spielt Sigl als Martin Gruber die Titelrolle in der ZDF Serie „Der Bergdok tor“, die zu den erfolgreic­hsten Produk tionen des Senders gehört. Nebenbei tritt er mit der satirische­n Talk Show „Hint ze und Sigl“auf der Bühne auf. Der 48 Jährige ist mit der Fotografin Su sanne Sigl verheirate­t und lebt mit seiner Familie in der Nähe des Ammersees.

 ?? Foto: Susanne Sigl ?? Bergdoktor Schauspiel­er Hans Sigl fotografie­rt von seiner Ehefrau, der Fotografin und Musikerin Susanne Sigl: „Die Politik der Rechtspopu­listen folgt keiner Logik, es geht nur um Emotionen“, sagt der der 48 jährige Österreich­er.
Foto: Susanne Sigl Bergdoktor Schauspiel­er Hans Sigl fotografie­rt von seiner Ehefrau, der Fotografin und Musikerin Susanne Sigl: „Die Politik der Rechtspopu­listen folgt keiner Logik, es geht nur um Emotionen“, sagt der der 48 jährige Österreich­er.

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