Immer für das eigene Schicksal gesorgt
Anna Rusczyk kann mit ihrem 100. Geburtstag ein Versprechen einlösen und feiert mit Kindern, Ur- und Ur-Ur-Enkeln
„Ich habe dir versprochen, dass ich 100 werde“, sagte Anna Rusczyk damals zu Gerwin Pootemans, Leiter des Seniorenheims St.Afra, nach ihrem Krankenhausaufenthalt vor drei Jahren. Heute kann sie ihr Versprechen einlösen: Zusammen mit der Familie, den Heimbewohnern und dem Bürgermeister Stefan Kiefer wird sie einen Kuchen aus der hauseigenen Konditorei schlemmen.
Und auch Musik wird es geben. Früher habe sie gerne Walzer getanzt, aber dieses Jahr sei ihr rechter Fuß mitgenommen, weshalb sie sich als Tänzerin diesmal lieber zurückhalte. Trotz des hohen Alters ist Anna Rusczyk aber erstaunlich flink: Mit ihrem Rollator flitzt sie zielgerichtet die Flure entlang. Obwohl Anna Gesellschaft grundsätzlich genießt, ist ihr der Rückzug manchmal sehr wichtig. „Ich möchte mich zurückziehen, allein sein, denken und dann handeln“, sagt sie. Das sei auch des Rätsels ganze Lösung für ihr Alter, erzählt sie. Man solle sich nicht unterdrücken lassen, man solle sich durchsetzen. Das hat sie schon früh gelernt.
Anna Rusczyk kam am 7. April 1918 in Halderwang bei Burgau als Tochter einer wohlhabenden Familie zur Welt. Aber der Krieg zerstörte ihre ganze Existenz: Das Vermögen wurde der Familie genommen und sie verlor ihren Mann. Und die drei Frauen – ihre Mutter, ihre zehn Jahre jüngere Schwester Johanna und sie – sorgten selbst für ihr Glück. Sie zog alleine ihre Kinder Reinhard und Ruth groß und kümmerte sich noch als Pflegemutter um bedürftige Kinder und sorgte dafür, dass „Kinder an Ort und Stelle kommen“. Später arbeitete sie als Platzanweiserin in einem Augsburger Kino.
Rusczyk hat eine große Familie: Sieben Enkelkinder und mittlerweile fünf Ur-Ur-Enkelkinder hat sie. Die Ur-Ur-Enkelin Daniela ist heute als Überraschungsgast da. Die Tochter Ruth Seibold sagt, sie freue sich jedes Mal, wenn die Ur- oder Ur-Ur-Enkel zu Besuch kommen.
Seit 2012 ist sie im Pflegeheim, aber von ihrer selbstbestimmten Art hat sie nichts verloren, wie die Pflegekräfte sagen. Und Eigenständigkeit scheint bis heute ihr Motto geblieben zu sein: „Verlasse dich auf niemanden und sorge für dein eigenes Schicksal.“
Sie lässt sich auch mit nun 100 Jahren immer noch nichts sagen. So wählt sie jeden Tag selbst ihre Garderobe aus, wie beispielsweise ihr blaues Lieblingskostüm – zur Feier des Tages.