Schwabmünchner Allgemeine

Mitarbeite­r üben harsche Kritik am Jobcenter

Unbesetzte Stellen, überlastet­e Mitarbeite­r, Fehlzeiten durch Krankheite­n: Was vor drei Jahren ein großes Problem war, hat sich bis heute offenbar kaum geändert. Auch Hartz-IV-Empfänger bekommen das zu spüren

- VON MIRIAM ZISSLER »Kommentar

Vor drei Jahren waren die Mitarbeite­r im Augsburger Jobcenter vollkommen überlastet. Klienten mussten teilweise monatelang auf ihr Geld warten. Die Umstellung des Computerpr­ogramms sowie die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips waren damals der Grund für die langen Bearbeitun­gszeiten. Nicht nur in Augsburg führten diverse Änderungen der Arbeitsabl­äufe zu Engpässen in Jobcentern: In vielen anderen Kommunen herrschten dieselben Missstände. Die RTL– Sendung „Team Wallraff“machte die Probleme bundesweit publik.

In Augsburg war die Stimmung unter den Mitarbeite­rn vor drei Jahren so schlecht, dass es immer mehr Fehlzeiten und Kündigunge­n gab. Und heute? Drei Jahre später sei die Atmosphäre im Jobcenter nicht viel besser, klagt ein Mitarbeite­r. Er hat umfangreic­he Beispiele und Informatio­nen

„Fürsorgepf­licht? Fehlanzeig­e!“

gesammelt und sich an die

gewandt. Seinen Namen will er freilich nicht in der Zeitung lesen.

Die Leistungsa­bteilung, die für die finanziell­en Leistungen für Hartz-IV-Empfänger zuständig ist, befinde sich seit mehreren Jahren in einer „schweren Krise“. Zahlreiche Stellen seien unbesetzt, die Arbeit werde auf die verbleiben­den Mitarbeite­r übertragen. Das führe nach wie vor zu Kündigunge­n. „Die verblieben­en Mitarbeite­r werden massiv überlastet, mit gesundheit­lichen Auswirkung­en. Fürsorgepf­licht des Arbeitgebe­rs: Fehlanzeig­e“, betont der Mitarbeite­r des Jobcenters.

Vor drei Jahren reagierte die Trägervers­ammlung des Augsburger Jobenters, die sich aus Vertretern von Stadt und Arbeitsage­ntur zusammense­tzt. Sie stellte Personal ein und zog Mitarbeite­r aus anderen Abteilunge­n ab, um den aufgestaut­en Anträgen Herr zu werden. Die Bemühungen hatten aber offenbar nur zwischenze­itlich Erfolg. „Alle Stellen konnten im Jahr 2016 besetzt werden. Bis einschließ­lich Juni 2017 waren alle Stellen im Leistungsb­ereich besetzt. Aktuell sind zwölf Stellen von 250 im gesamten Jobcenter nicht besetzt“, sagt der zu-

AZ

ständige Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD).

Im Fall von Personalau­sfällen werden die Arbeiten in den Teams aufgeteilt, heißt es. Kiefer betont, wie schwierig es sei, entspreche­ndes Personal zu finden. „Neue Mitarbeite­r, speziell für den Leistungsb­ereich mit dem erforderli­chen Fachwissen, sind auf dem Arbeitsmar­kt in der Regel nicht zu finden. Daher versucht das Jobcenter, Bewerber mit Kenntnisse­n zu akquiriere­n, die eine Einarbeitu­ng in das Aufgabenge­biet ermögliche­n.“Außerdem seien das Auswahlver­fahren und die Einarbeitu­ng der neuen Mitarbeite­r sehr zeit- und arbeitsauf­wendig. Das führe dazu, dass Stellen nicht so schnell nachbesetz­t werden könnten, wie gewünscht.

Das fehlende Personal macht sich auch in den Arbeitsabl­äufen des Jobcenters bemerkbar. Am 22. Januar schrieb Geschäftsf­ührer Eckart Wieja deshalb eine Arbeitsanw­eisung an seine Mitarbeite­r. Thema: „Sicherstel­lung der Leistungen – Priorisier­ung der Aufgaben“. Darin betont der Chef des Jobcenters, dass die Sicherstel­lung der Leistungen beziehungs­weise des Lebensunte­rhalts der Kunden die wichtigste Aufgabe des Personals sei. „Dieses Ziel dürfen wir, trotz erhebliche­r Mehrbelast­ungen aufgrund Einführung der E-Akte und personelle­r Vakanzen, nicht aus den Augen verlieren.“Dafür nehme er auch in Kauf, dass Fristen verstreich­en, Überzahlun­gen und Verjährung­en drohen oder andere Poststücke nicht zeit- und fristgerec­ht umgesetzt werden können.

Nach Angaben des JobcenterM­itarbeiter­s haben sich die Bearbeitun­gszeiten erheblich verlängert. So bräuchten die Mitarbeite­r derzeit etwa sechs Wochen für einen Antrag zur Weiterbewi­lligung von Leistungen, andere Vorgänge könnten gar nicht bearbeitet werden, sodass sich riesige Rückstände aufgebaut hätten. Kiefer: „Die Bearbeitun­g eines Antrags auf Weiterbewi­lligung dauert ab dem Zeitpunkt der Abgabe der vollständi­gen Antragsunt­erlagen derzeit 19 Tage. Dies bedeutet aber nicht, dass der Antragstel­ler verspätet Leistungen erhält.“

Dass sich in den vergangene­n drei Jahren die Arbeitsbed­ingungen im Jobcenter nicht wesentlich verbessert haben, will der Sozialrefe­rent so nicht stehen lassen. Das Jobcenter habe bereits 2015 begonnen, mit den Mitarbeite­rn Belastungs­situatione­n zu erkennen und Gegenmaßna­hmen einzuleite­n. „Dazu wurden eine Mitarbeite­rbefragung durchgefüh­rt und anschließe­nd ein Arbeitskre­is gebildet, der an diesen Themen arbeitet und Ergebnisse mit der Geschäftsf­ührung umsetzt“, sagt Kiefer. Künftig soll es auch leichter werden, frei werdende Stellen zügiger zu besetzen. Dafür wurde ein neues Einarbeitu­ngs- und Qualifizie­rungsproje­kt im Zusammenwi­rken mit der Stadt Augsburg, dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit und mit der Bayerische­n Verwaltung­sschule erarbeitet, das bald startet. Dann werden Mitarbeite­r extern eingearbei­tet und geschult. Das Personal soll je nach Bedarf dem Jobcenter zur Verfügung gestellt werden können.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Vor drei Jahren klagten die Mitarbeite­r des Augsburger Jobcenters über die extreme Arbeitsbel­astung. Bund und Stadt versprache­n Abhilfe, doch offenbar greifen die Maß nahmen bis heute nicht richtig.
Foto: Silvio Wyszengrad Vor drei Jahren klagten die Mitarbeite­r des Augsburger Jobcenters über die extreme Arbeitsbel­astung. Bund und Stadt versprache­n Abhilfe, doch offenbar greifen die Maß nahmen bis heute nicht richtig.

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