Schwabmünchner Allgemeine

Warum Deutschlan­d nicht eingreift

Für die militärisc­he Zurückhalt­ung Berlins gibt es nicht nur historisch­e Gründe

- Berlin

Der Bundespräs­ident und frühere Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier hat es einmal so formuliert: „Wir können einfach nicht bequem an der Seitenlini­e stehen, während die Welt in unserer Nachbarsch­aft aus den Fugen geraten ist.“Kanzlerin Angela Merkel und Außenminis­ter Heiko Maas würden diesen Satz sicher unterstrei­chen. Aber was bedeutet das für Syrien? Der mutmaßlich­e Giftgas-Angriff auf Rebellenge­biet und die Diskussion über einen militärisc­hen Vergeltung­sschlag werfen diese Frage neu auf.

Was ist die deutsche Haltung zu einem Militärsch­lag gegen Syrien?

Wenn die drei großen Nato-Bündnispar­tner USA, Großbritan­nien und Frankreich sich für einen Militärsch­lag entscheide­n, wird Deutschlan­d ihn politisch unterstütz­en, sich aber nicht mit der Bundeswehr beteiligen.

Warum schließt Merkel eine militärisc­he Beteiligun­g aus?

Sie will damit von vorneherei­n eine innenpolit­ische Debatte unterbinde­n, deren Ausgang mit großer Sicherheit ohnehin ein Nein wäre. Eine militärisc­he Beteiligun­g wäre in den Koalitions­fraktionen im Bundestag – vor allem bei der SPD – kaum durchsetzb­ar. Ohne Zustimmung des Parlaments könnte die Regierung keinen Marschbefe­hl geben.

Hat jemand Deutschlan­d nach einem militärisc­hen Beitrag gefragt?

Nein. Das liegt sicher auch daran, dass die Bündnispar­tner sich der komplizier­ten Situation in Deutschlan­d bewusst sind. Trotz der Kriegseins­ätze der Bundeswehr im Kosovo und Afghanista­n gilt weiterhin das Prinzip der militärisc­hen Zurückhalt­ung. Die Schwelle zur Beteiligun­g an Kampfhandl­ungen ist aus historisch­en Gründen hoch. Anders als in anderen Ländern muss der Bundestag jedem bewaffnete­n Einsatz im Ausland zustimmen. Das dauert und erschwert die Beteiligun­g an spontanen Militärakt­ionen.

Was könnte Deutschlan­d zu einem Militärsch­lag beitragen?

Am wahrschein­lichsten ist, dass die USA einzelne Ziele mit Raketen angreifen. Wenn sich Deutschlan­d beteiligen würde, dann wäre das sicher eher ein symbolisch­er Beitrag, den beispielsw­eise die Tornado-Aufklärung­sjets der Bundeswehr leisten könnten, die schon in der Region (Jordanien) stationier­t sind. Aber wie gesagt: Sie könnten ihre Bilder nur mit Zustimmung des Bundestags liefern. Auch die Unterstütz­ung Frankreich­s und Großbritan­niens brauchen die Amerikaner für einen Raketenang­riff übrigens nicht unbedingt. Ein Angriff im Bündnis hat aber eine stärkere Signalwirk­ung.

Spielt Deutschlan­d im Syrien-Konflikt überhaupt eine Rolle?

Deutschlan­d hat mehr als eine halbe Million Kriegsflüc­htlinge aus Syrien aufgenomme­n, so viele wie kein anderes westliches Land. Es trägt auch in beträchtli­chem Maße zur humanitäre­n Hilfe bei. Bei den diplomatis­chen Verhandlun­gen über die Zukunft Syriens spielt die Bundesregi­erung nur eine Nebenrolle. So unterstütz­t Berlin etwa die Opposition organisato­risch bei den Genfer UNVerhandl­ungen. Über das weitere Schicksal Syriens entscheide­n aber vor allem die Länder, die direkt oder indirekt militärisc­h beteiligt sind, vorneweg Russland, der Iran und die Türkei, aber auch die USA, Saudi-Arabien und Israel. Ein Krieg wird eben vor allem von denen beendet, die ihn führen.

Würde sich Deutschlan­d denn gerne stärker engagieren?

Die Bundesregi­erung wäre bereit, sich stärker an der Suche nach einer politische­n Lösung in Syrien zu beteiligen. Ob es da Bedarf gibt, ist eine andere Frage.

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Foto: dpa
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Selbst dem Einsatz deutscher Aufklä rungs Tornados über Syrien müsste der Bundestag zustimmen.

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