Was dürfen Bayerns Polizisten?
Die CSU will der Polizei erheblich mehr Kontrollbefugnisse geben. Opposition und Verbände laufen Sturm. Sie fürchten die totale Überwachung. Was der Innenminister dazu sagt
Mit einem neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG) will die CSU die Befugnisse der bayerischen Polizei erheblich ausweiten. Das Gesetz soll am 15. Mai im Landtag verabschiedet werden. Doch ein breites Bündnis fürchtet einen Überwachungsstaat und will das verhindern. Mehr als 40 Parteien, Verbände, Vereine und Organisationen haben sich am Freitag zusammengeschlossen. Sie rufen zu Bürgerprotesten auf.
Anlass für die Änderungen sind die neue EU-Datenschutzrichtlinie und das sogenannte BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016. Die Richter hatten Befugnisse des Bundeskriminalamts im vorbeugenden Kampf gegen den Terrorismus teilweise als verfassungswidrig kassiert. Doch die CSU will bei dieser Gelegenheit der Polizei deutlich mehr Kontrollbefugnisse und größere Macht geben. Schon bei einer abstrakt „drohenden Gefahr“soll es den Beamten möglich sein, präventiv Telefone abzuhören, Computer und online gespeicherte Daten auszulesen oder verdeckte Ermittler einzusetzen. Bisher muss eine „konkrete Gefahr“vorliegen, wenn die Polizei so massiv im Vorfeld eingreifen will.
Zudem will Bayern diese Maßnahmen nicht nur zur Terrorabwehr nutzen, sondern auch dann, wenn bedeutende Rechtsgüter in Gefahr sind, wie es im Juristendeutsch heißt. Dazu gehören Leben, Gesundheit und Freiheit, aber auch Dinge, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse sind, Strommasten zum Beispiel.
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf soll die Polizei auch Informationen aus DNA-Spuren zur Fahndung verwenden dürfen, die neben dem Geschlecht auf die Haar-, Augenund Hautfarbe schließen lassen. Außerdem soll sie neben Handgranaten und Maschinengewehren künftig auch Sprenggeschosse einsetzen dürfen.
Das Gutachten eines Juristen bescheinigt dem 200-seitigen Gesetzentwurf die umfassendsten polizeilichen Eingriffs- und Kontrollrechte seit 1945. Jetzt macht ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Verbände gegen das neue PAG mobil. Mit dabei sind SPD und Grüne, die im Landtag kaum mehr eine Chance sehen, das Gesetz zu stoppen – auch wenn SPD-Chefin Natascha Kohnen Anzeichen für ein Umdenken bei Ministerpräsident Markus Söder erkannt haben will.
Außerdem unterstützen FDP, ÖDP, Linke, einzelne Gewerkschaften, Fußballfans und der Bayerische Journalistenverband das Bündnis „#noPAG“, das für den 10. Mai eine Großkundgebung auf dem Münchner Marienplatz angekündigt hat. Bündnis-Sprecher Simon Strohmenger rechnet mit 7000 Teilnehmern. Er wirft der CSU vor, die Polizei zunehmend zu einem „Überwachungsapparat“aufzurüsten.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann verteidigt das Gesetz vehement: „Die Behauptung, der Freistaat sei auf dem Weg zum Überwachungsstaat, ist natürlich grober Unfug“, sagte der CSU-Politiker unserer Zeitung. Hauptziel der Reform sei vielmehr, „dass unsere Bürger auch in Zukunft in Bayern sicher und frei leben können“. Mehr polizeiliche Maßnahmen als bisher bedürften der Zustimmung eines Richters, betonte Herrmann.
Die Aufregung um die präventiven Eingriffsrechte für die Polizisten versteht der Innenminister überhaupt nicht: „Gefahrenabwehr und Prävention sind Kernaufgaben der Polizei.“Empört zeigt sich der Minister über „Falschbehauptungen“der Kritiker. „Auch künftig darf niemand ohne die Entscheidung eines Richters länger als bis zum Ablauf des nächsten Tages eingesperrt werden“, beteuerte Herrmann.
Wie Uli Bachmeier das neue Polizeigesetz bewertet, lesen Sie im
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„Die Behauptung, der Freistaat sei auf dem Weg zum Überwachungsstaat, ist natürlich grober Unfug.“Bayerns Innenminister Joachim Herrmann