Schwabmünchner Allgemeine

Mit Mut für Recht und Freiheit

Graf von Pestalozza prangerte die Verlogenhe­it der Nazi-Propaganda an

- VON JÜRGEN DILLMANN Landkreis Augsburg

Die Wurzeln unserer heutigen Persönlich­keit liegen eigentlich in Italien, sie stammt aber aus Siebenbrun­n, wo die adelige Familie auf dem gleichnami­gen Gut Ende des 19. Jahrhunder­ts lebte. Dort stand im Juni 1868 die Wiege des einmal in Bayern zu Ruhm und Ehre gelangende­n Joseph Graf von Pestalozza. Als überzeugte­r Katholik, Politiker, Jurist und NaziGegner vertrat er nachhaltig seine christlich-humanitär orientiert­en Interessen.

Pestalozza studierte Jura und wurde Amtsanwalt bei der Münchner Polizei, bis er als Bezirksamt­sassessor ins Fränkische ging. Dort heiratete er 1900 die Tochter eines Nürnberger Justizrate­s und arbeitete anschließe­nd als Anwalt – mit zunehmend politische­n Interessen. So trat er in die Zentrumspa­rtei ein und war für diese von 1907 bis 1918 Mitglied der Abgeordnet­enkammer des Königreich­s Bayern. Anschließe­nd war er bis 1928 Abgeordnet­er der Bayerische­n Volksparte­i im Landtag.

In diesen Jahren engagierte er sich auch stets für seine religiöse Überzeugun­g, sprach auf dem katholisch­en Kirchentag, war als königlich bayerische­r Kammerherr auch päpstliche­r Kämmerer und insofern sogar Mitglied des päpstliche­n Hofstaats.

Schon in den 1920er-Jahren war der Graf entschiede­ner Gegner der Nazis. 1923 setzte er sich als Jurist und Politiker für das erste Ermächtigu­ngsgesetz ein, das der Weimarer Verfassung widersprac­h, sollte mit diesem Mittel doch deutlich mehr Macht an die Regierung übertragen werden. Die Staatsrech­tler hielten dies für legitim, zumal die Gesetze stets mit einer Zweidritte­lmehrheit verabschie­det werden konnten, was auch bei einer Verfassung­sänderung nötig gewesen wäre. Zynischerw­eise bedienten sich die Nazis auch dieser Möglichkei­t. Nur diente sie ihnen zur Abschaffun­g der Republik und nicht zu ihrer Stärkung, wie eigentlich beabsichti­gt war.

Pestalozza­s Mut ist beispielha­ft: Als Landtagsbe­richtersta­tter des Untersuchu­ngsausschu­sses zum Hitler-Putsch von 1923 legte er mit juristisch­er Klarheit die Verlogenhe­it der Nazi-Propaganda dar und kritisiert­e die halbherzig­e Führung des Prozesses gegen Hitler. Der daraus resultiere­nde Hass der Nazis, verbunden mit allerlei Schikanen, soll ihm die letzten Jahre bis zu seinem Tod 1930 verdorben haben.

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 ?? Foto: Festschrif­t ?? Josef Graf von Pestalozza in der Festschrif­t zum Deutschen Katholi kentag 1910.
Foto: Festschrif­t Josef Graf von Pestalozza in der Festschrif­t zum Deutschen Katholi kentag 1910.
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