Ein Tabuthema mit Chancen
Spezialisten können bei Stuhlinkontinenz helfen, wenn der Patient zum Arzt geht. Obwohl sie als Volkskrankheit gilt, wird darüber immer noch kaum gesprochen
Mit mehr als fünf Millionen Betroffenen in Deutschland gilt die Inkontinenz als Volkskrankheit. Deshalb hat es sich die vor 30 Jahren gegründete Deutsche Kontinenz Gesellschaft zur Aufgabe gemacht, Patienten und Ärzte besser zu informieren, um die Behandlung und Versorgung von Menschen mit Stuhl- und Harninkontinenz zu verbessern. Die moderne Medizin bietet mehrere Möglichkeiten, aber sie erreicht die Menschen oft nicht, weil die Krankheit immer noch ein großes Tabu ist. Dr. Joanna Eisenbach, Funktionsoberärztin der Allgemeinund Viszeralchirurgie der Wertachkliniken, tritt gegen dieses Tabu an, und informiert zum Thema Stuhlinkontinenz. Wir haben mit ihr über dieses Tabuthema gesprochen.
Wann spricht man von Stuhlinkontinenz? Dr. Eisenbach: Man unterscheidet bei
Stuhlinkontinenz verschiedene Schweregrade, sie reichen von geringer Verschmutzung der Unterwäsche bis hin zum Abgang von Winden mit flüssigem, breiigem oder festem Stuhl. Häufigste Ursache ist eine Schädigung des Schließmuskels oder eine Schwäche der gesamten Beckenbodenmuskulatur. Ebenso können Durchfallerkrankungen, chronische Verstopfung oder eine Darmmobilitätsstörung eine Inkontinenz hervorrufen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eisenbach: Jeder, der Probleme mit dem Halten von Stuhlgang oder auch einen unwillkürlichen Abgang von Winden hat, sollte zu einem Spezialisten gehen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Formen von Störungen bei der Stuhlentleerung, die häufig von Patienten hingenommen und ertragen werden, ohne eine medizinische Abklärung. Hierzu gehört zum Beispiel das Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung. Auch in diesen Fällen sollte man einen spezialisierten Arzt konsultieren.
Welche medizinischen Möglichkeiten gibt es bei einer Stuhlinkontinenz?
Eisenbach: Zunächst sollten eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte und eine zielgerichtete Untersuchung erfolgen. Dazu gehören eine Enddarmspiegelung, eine Druckmessung der Schließmuskelkraft und manchmal eine Ultraschalluntersuchung des Enddarmes. Die Therapiemöglichkeiten umfassen dann viele konservative Ansätze, etwa eine Stuhlregulierung, gezielte Beckenbodengymnastik oder ein Bio-Feedback-Training, bei dem der Übungserfolg optisch angezeigt wird. Als operative Maßnahme wird häufig eine Nervenstimulation im Kreuzbeinbereich durchgeführt. Dabei werden über eine implantierte Sonde elektrische Impulse abgeder geben, um die Schließmuskelkraft zu verstärken, ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher.
Was ist das größte Problem der Inkontinenz?
Eisenbach: Sowohl für die Patienten als auch für uns Mediziner ist das größte Problem, dass Kontinenz ein Tabuthema ist. Es gibt verschiedene Behandlungsmethoden, aber egal, ob der Patient 70 Jahre alt ist und viele andere Erkrankungen mitbringt, oder ob er Mitte 40 und Leistungssportler ist, nur wenn sich Betroffene einem spezialisierten Arzt anvertrauen, können sie richtig behandelt werden. (wido)
OTabuthema: Stuhlinkontinenz mit Dr. Joanna Eisenbach, Funktions oberärztin der Allgemein und Viszeralchi rurgie der Wertachkliniken, am Mitt woch, 25. April, ab 19.30 Uhr im Ferdi nand Wagner Saal in Schwabmün chen, Fuggerstraße 20, Eintritt frei