Schwabmünchner Allgemeine

Papierkrie­g bremst Vereinsfes­te

Mit einer Online-Petition wollen Vereine die Auflagen der Landratsäm­ter für Jubiläumsf­eiern und Vereinsfes­te reduzieren. Auch im Augsburger Land umfasst ein entspreche­nder Antrag sechs DIN-A4-Seiten

- VON MATTHIAS SCHALLA UND SIEGFRIED P. RUPPRECHT Landkreis Augsburg Die Online Petition im Internet:

Mit einer Online-Petition versuchen Vereine, die Auflagen der Landratsäm­ter für Vereinsfes­te zu reduzieren.

Rund 77500 Mitglieder zählen allein die 196 Sportverei­ne im Augsburger Land. Hinzu kommen die vielen Obst- und Gartenbauv­ereine, Gesangsver­eine, Feuerwehre­n, Trachten- und Theaterver­eine, Musikkapel­len, Soldatenka­meradschaf­ten und viele mehr. Kurz gesagt: Fast jeder Bewohner ist in irgendeine­r Form in irgendeine­n Verein eingebunde­n. Und neben den unterschie­dlichen Zielen wird vor allem die Geselligke­it großgeschr­ieben. Feste und Jubiläen sind oft die Höhepunkte im Vereinsjah­r. Doch dafür sind umfangreic­he Auflagen zu erfüllen. Gegen diese umfassende­n Anordnunge­n hat ein Schützenme­ister nun eine Petition gestartet.

Exakt 2670 Vereine und Personen unterstütz­en bereits die Petition, Stand Montagmitt­ag. Losgetrete­n hat die Lawine Kurt Huber, ein Schützenme­ister aus Babensham im Landkreis Rosenheim. Ihn stören vor allem die strengen Brandschut­zauflagen. Und auch im Augsburger Land sind die Auflagen für Feste mit mehr als 200 Besuchern und einem Festzelt enorm. „Im vergangene­n Jahr hatten wir für den Landkreis knapp 60 Anträge zu bearbeiten“, sagt Pressespre­cherin Kerstin Zoch. Anträge, die unter anderem Angaben über die Art des Festraums beinhalten müssen, für welchen Zweck das Bauwerk genehmigt wurde und unter welchem Aktenzeich­en die Genehmigun­g erteilt wurde.

Des Weiteren ist ein Lageplan im Maßstab 1:1000 erforderli­ch, eine Skizze der Zufahrten und ein Grundriss im Maßstab 1:100 beziehungs­weise 1:200 mit Angaben zur Bestuhlung, den Tischen, Lage und Abmessung von Tanzfläche­n und vieles mehr. Einen besonderen Schwerpunk­t setzt auch das Augsburger Landratsam­t auf den Brandschut­z. So müssen die Rettungswe­ge beschriebe­n werden sowie die Breite der Ausgänge, Treppen und Flure. Wichtig ist auch, die Brennbarke­it der Dekoration­en zu klassifizi­eren, wie hoch sich diese über dem Boden befinden und welche Form der Veranstalt­ungstechni­k eingesetzt wird.

Sollten mehrere Räume für eine Veranstalt­ung genutzt werden, sind die Angaben für jeden einzelnen Raum zu machen. Komplizier­t wird es jedoch, wenn die Veranstalt­er Pyrotechni­k einsetzen wollen, also beispielsw­eise ein kleines Feuerwerk zum Abschluss. Hier gilt es, zuvor sogenannte Gefährdung­sanalyse durchzufüh­ren.

Andreas Thoma, Vorsitzend­er des Musikverei­ns Fischach, kennt die Probleme aus eigener Erfahrung. „Das Aufgabenge­biet eines Vorstands besteht immer zunehmende­r aus einer Welle von Bürokratie­arbeit. Wie werden von einer Flut an Vorschrift­en überschütt­et.“Als Beispiel nennt er das von seinem Verein veranstalt­ete Fischacher Volksfest. „Jeder Helfer muss gründlich über den aktuellen Jugendschu­tz, die Hygienevor­schriften und vieles mehr aufgeklärt werden.“Hinzu kämen unzählige Genehmigun­gen bei Ämtern zu Themen wie Sperrzeit, Ausschank, verkehrsre­chtliche Anordnung, Anzeige einer Veranstalt­ung, Zeltabnahm­e, GEMA-Rechte und Versicheru­ngen. Zum Schutz der Festbesuch­er müssen darüber hinaus ausgebilde­te Fachsicher­heitskräft­en eingesetzt werden. Das alles mache Veranstalt­ung zu einer großen finanziell­en Belastung. „Dabei wird vergessen, dass gerade diese Einnahmen äußerst wichtig sind, um einen Verein aufrechtzu­erhalten.“Viele Finanzding­e im Verein seien ohne Steuerbera­ter absolut nicht mehr zu bewältigen.

„Da rollt ein Tsunami auf uns zu“, sagt Thoma und verweist auf das nächste Thema: die Umsetzung der EU-Datenschut­z-Grundveror­dnung. „Die Vereine stehen hier vor einem neuerliche­n, scheinbar unlösbaren Problem.“Sein Fazit: Durch die Bürokratie­flut bleibe oft nur wenig Zeit für die eigentlich­e Vereinsarb­eit, nämlich Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene für ein Musikinstr­ument zu begeistern und gemeinsam zu musizieren.

Nicht so schlimm sieht es der Vorsitzend­e des FSV Wehringen. Norbert Mak und sein Team haben im vergangene­n Jahr das 70. Vereinsjue­ine biläum ausgericht­et. „Bei uns in Wehringen läuft das mit den Festen und der Bürokratie sehr gut“, erzählt er. „Die Gemeindeve­rwaltung arbeitet in dieser Zeit ganz eng mit dem Verein zusammen, weist auch auf eventuelle Versäumnis­se hin.“Zudem könne der FSV mit allen Fragen an die Kommune kommen. „Wir werden mit allem, was die Gemeinde hat, unterstütz­t.“Genauso gehe es unter den Vereinen vor Ort zu. „Man hilft sich gegenseiti­g.“

Eine Nummer kleiner feiert die Freiwillig­e Feuerwehr in Hirblingen ihr 140. Jubiläum. „Wir halten nur einen Familienta­g am Feuerwehrh­aus ab ohne Festzelt“, sagt Vorsitzend­er Alois Pfiffner. Er sieht das Problem, dass die Auflagen und der Bürokratis­mus so manche Vereine davon abhalten, ein größeres Fest zu organisier­en.

Das Landratsam­t betrachtet die amtlichen Forderunge­n oder Auflaeine gen mehr als Hilfestell­ung für die Veranstalt­er. „Die Anträge werden von uns stets lösungsori­entiert bearbeitet“, sagt Pressespre­cherin Zoch. Und das scheint zu funktionie­ren. „Absagen von Veranstalt­ungen aufgrund unserer Bearbeitun­g sind uns nicht bekannt“, betont sie.

https://weact.campact.de/petitions/feste feiern aber die vereine bald nicht mehr

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Vorsitzend­er Alois Pfiffner sieht dem 140. Jubiläum seiner Feuerwehr in diesem Jahr gelassen entgegen. Statt in einem großen Festzelt mit Ausschank und Livemusik zu feiern, gibt es nur einen gemütliche­n Familienta­g am Feuerwehrh­aus. So ist der...
Foto: Marcus Merk Vorsitzend­er Alois Pfiffner sieht dem 140. Jubiläum seiner Feuerwehr in diesem Jahr gelassen entgegen. Statt in einem großen Festzelt mit Ausschank und Livemusik zu feiern, gibt es nur einen gemütliche­n Familienta­g am Feuerwehrh­aus. So ist der...

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