Leben ist nicht der Rand ums Smartphone
In Königsbrunn warnt Staatssekretärin Carolina Trautner Jugendliche vor zu viel Ablenkung durchs Handy. Doch die fragen zurück, wie es die Erwachsenen handhaben. Was bleibt, ist der Appell an die Vernunft
Die heikelste Frage an die Podiumsteilnehmer kam gestern zum Schluss: „Haben Sie schon einmal im Straßenverkehr ihr Smartphone benutzt?“, wollte ein Schüler wissen. Sechs hochkarätige Teilnehmer standen auf der Bühne mit Appell an die Schüler „Augen auf die Straße“. Mitten unter ihnen Carolina Trautner. Für die heimische Landtagsabgeordnete war es mehr als ein Heimspiel auf vertrautem Boden. Erstmals kam sie als KultusStaatssekretärin ans Gymnasium.
Zu einem Aktionstag hatte am Mittwoch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus Schüler der zehnten Klassen im Gymnasium eingeladen. Staatssekretärin Carolina Trautner ist ein häufiger Gast in der Brunnenstadt, doch in ihrer neuen Funktion als Vertreterin der Staatsregierung war es eine Premiere. Entsprechend groß war ihre Begleitung.
Der Tourbus des Ministeriums zur Aktion „Augen auf die Straße“fährt durch ganz Bayern und machte nun auch hier halt. „Wir gehen überall hin, wo man uns die Türen öffnet“, versichert Ministerialrätin Maria Wilhelm am Rande der Veranstaltung. Zielgruppe seien die 16-Jährigen, die bald mit dem Auto am Straßenverkehr teilnehmen werden. Sie sollen dafür sensibilisiert werden, wie gefährlich Ablenkungen sein können – besonders durchs Handy.
„Den verschwommenen Rand um das Smartphone herum, nennt man Leben“, zitierte Trautner ironisch, einen Internetscherz aufgreifend. Doch das Leben sollte nicht Nebensache sein, schon gar nicht im Straßenverkehr. Schon ein kurzer Blick auf das Handy könne das Leben kosten. Ihr Fazit: „Augen auf die Straße und auf das Leben um euch herum, ich bin mir sicher, das lohnt sich.“
Dass die Ablenkung vielfältig sein kann, hob Polizeipräsident Michael hervor. Er beobachtet Verkehrsteilnehmer, die essen, Musik via Kopfhörer hören, telefonieren und mal schnell auf dem Smartphone herumtippen. Autofahrer, die innerorts zwei Sekunden auf ihr Handy schauen, fahren 30 Meter im „Blindflug“. In der Schule bekommt jeder eine zweite Chance, so Schwald, im Straßenverkehr unter Umständen nicht.
Auch Bürgermeister Franz Feigl wand sich direkt an die Schüler: Mit 16 Jahren dürfen sie „grausliche“Filme anschauen, sie müssten nun aber auch Verantwortung übernehmen, in dem sie „bei der Sache“seien und nicht schon mit den GedanSchwald ken woanders. Nach diesen Eingangsstatements richteten die Schüler ihre Fragen an die Teilnehmer. Einige wollten es genau wissen.
Von Staatsanwältin Melanie Ostermeier und Richterin Elke Worthmann etwa, wie oft man sich am Smartphone erwischen lassen dürfe, bevor der Führerschein „futsch“ist. Das käme auf die Situation und die Folgen an, waren sich die Juristinnen einig, unter Umständen schon beim ersten Mal.
Wie hoch der Prozentsatz von Unfällen aufgrund Handy-Nutzung sei, war eine andere Frage, die Schwald nicht konkret beziffern konnte: „Denn niemand gibt zu, dass er zum Unfallzeitpunkt auf sein Smartphone schaute“. Aber bei einem Drittel aller tödlichen Unfälle kommen die Fahrzeuge aus nicht geklärtem Grund von der Fahrbahn ab. Da liege es nahe, dass die Fahrer übermüdet oder abgelenkt waren.
Nach einer Umfrage, die Wilhelm vor dem Treffen bei den Schülern machte, gaben 65 Prozent an, schon einmal mit einem Fahrer unterwegs gewesen zu sein, als dieser während der Fahrt sein Handy benutzte. Da lag es auf der Hand, dass die Schüler von den Podiumsteilnehmern wissen wollten, wie sie es mit dem Autofahren und Smartphone so halten: Schulleiterin Focht-Schmidt hält den Wagen an, wenn es klingelt. Richterin Worthmann lässt ihre Kinder den Anruf entgegennehmen, beim Polizeipräsidenten Michael Schwald ist das Handy auf lautlos gestellt, sodass er das Läuten nicht mitbekommt, und der Rest der Teilnehmer telefoniert über die Freisprechanlage. „Aber auch das kann gefährlich sein, wenn man durch das Gespräch abgelenkt ist“, gibt Trautner zu bedenken.
Der theoretische Teil wurde musikalisch umrahmt von der Big Band und dem Vokalensemble, bevor es hinausging, an die verschiedenen Stationen mit Fahrsimulator, Rauschbrillen, Videoclips, Verkehrsquiz und vielem Informationsmaterial, mit dem die Schüler sich der Gefahr im Straßenverkehr durch Ablenkung bewusst machen sollten.