Ein Kreuz-Ritter gewinnt keine absolute Mehrheit
Ministerpräsident Söder erntet bundesweit viel Spott und Häme für seine Kruzifix-Show. Früher hätte ihm dies in Bayern genutzt – aber das gilt so nicht mehr
Was die Kirche darf und soll, weiß Markus Söder ganz genau. Sie soll sich zurückhalten, vor allem wenn es um Kritik an seiner Politik geht.
Als Kirchenobere voriges Jahr den harten Kurs der CSU in der Flüchtlingspolitik zu monieren wagten, zog Söder eine klare Obergrenze. Die Kirche dürfe sich nicht als „Ersatzpartei“bewerben, dekretierte er – sie solle lieber die Frohe Botschaft mit mehr Freude verkünden und so die Spiritualität im Volk fördern, schließlich sei auch esoterische Literatur gerade in Buchhandlungen sehr gefragt.
Von ähnlicher Zurückhaltung im Spannungsfeld zwischen Religion und Politik hält Söder umgekehrt aber nichts, das zeigt das aktuelle Kreuz mit der Kreuz-Debatte. Die dreht sich ja gar nicht darum, ob Kruzifixe in bayerischen Amtsstuben hängen sollen (in vielen hängen sie schon). Auch nicht darum, ob das Aufhängen im Eingangsbereich das staatliche Neutralitätsgebot verletzt oder nicht (das muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden). Und schon gar nicht um die Frage, ob das Christentum und seine Symbole zu Bayern gehören (bestreitet dies jemand?).
Es geht vielmehr um den Akt der Aufhängung, den man nicht anders bezeichnen kann als: übergriffig. Aus allen Winkeln ließ sich der Landesvater fotografieren, wie er das Kreuz anbrachte. Söder wirkte dabei ganz bei sich, er gilt nicht umsonst als der erste Instagram-Ministerpräsident. Der Franke posierte professionell mit dem Kreuz, ähnlich wie er es früher beim Anlegen seiner Karnevalskostüme getan hat, wie er sich einst neben seinen Hunden ins Bild rückte oder das Strauß-Poster über seinem Jugendbett stolz vorzeigte.
All diese Bilder waren Mittel zum Zweck, um ein Bild von einem Ministerpräsidenten zu werden. Und auch mit dem KreuzBild glaubte Söder offenbar, politisch punkten zu können. Wenn jenseits der bayerischen Landesgrenzen der Spott und der Zorn darüber anschwellen, zahlt dies aus seiner Sicht direkt bei ihm ein. Natürlich erinnerte sich Söder zudem, wie 1995 CSU, Kirche und weite Teile der Bevölkerung gegen das Kruzifix-Urteil protestierten. Und selbstredend hatte er registriert, wie Horst Seehofers IslamKritik bei der Parteibasis ankam.
Daher hat Söder, bewusst oder unbewusst, das Kreuz auch ein wenig als Waffe geschwenkt, als Ausgrenzung derer, die nicht an dieses Kreuz glauben. Dass das Bundesverfassungsgericht dies monieren könnte? Bis die entscheiden, ist die Landtagswahl vorbei.
Wie gesagt: Den Politstrategen Söder mussten all diese Vorteile ungeheuer reizen. Aber sein politischer Instinkt müsste ihn auch spüren lassen, dass Bayern sich verändert hat. Hierzulande fragen Personalchefs nicht mehr nach der Religion, sondern wollen die Besten einstellen. Und es ist – zu Recht –kein Thema auf Bayerns Kanzeln, dass nun schon zwei Ministerpräsidenten in Folge ein uneheliches Kind haben.
Weil er das eigentlich weiß, wollte Söder ja im Amt weg von allzu tumbem Auftreten. Mehr Staatsmann, weniger Krawallbruder. In den ersten Wochen ist ihm das erstaunlich gut gelungen. Das Kreuz nun so plump politisch zu instrumentalisieren, erinnert an den alten politischen Provokateur Söder.
Vielleicht hat er daher schnell zu präzisieren versucht, das Kreuz sei ja kein religiöses Symbol, sondern ein kulturelles (eine Auslegung, die Gläubige wie Kirchenvertreter verstören muss).
Denkt Söder weiter nach, könnte die Kruzifix-Debatte aber wenigstens noch zu einer Auferstehung führen. Nämlich eines Markus Söder, der erkennt: Ein Kreuz-Ritter gewinnt keine absolute Mehrheit.
Wollte Söder nicht weg vom Krawall-Image?