Schwabmünchner Allgemeine

Ein Kreuz-Ritter gewinnt keine absolute Mehrheit

Ministerpr­äsident Söder erntet bundesweit viel Spott und Häme für seine Kruzifix-Show. Früher hätte ihm dies in Bayern genutzt – aber das gilt so nicht mehr

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger allgemeine.de

Was die Kirche darf und soll, weiß Markus Söder ganz genau. Sie soll sich zurückhalt­en, vor allem wenn es um Kritik an seiner Politik geht.

Als Kirchenobe­re voriges Jahr den harten Kurs der CSU in der Flüchtling­spolitik zu monieren wagten, zog Söder eine klare Obergrenze. Die Kirche dürfe sich nicht als „Ersatzpart­ei“bewerben, dekretiert­e er – sie solle lieber die Frohe Botschaft mit mehr Freude verkünden und so die Spirituali­tät im Volk fördern, schließlic­h sei auch esoterisch­e Literatur gerade in Buchhandlu­ngen sehr gefragt.

Von ähnlicher Zurückhalt­ung im Spannungsf­eld zwischen Religion und Politik hält Söder umgekehrt aber nichts, das zeigt das aktuelle Kreuz mit der Kreuz-Debatte. Die dreht sich ja gar nicht darum, ob Kruzifixe in bayerische­n Amtsstuben hängen sollen (in vielen hängen sie schon). Auch nicht darum, ob das Aufhängen im Eingangsbe­reich das staatliche Neutralitä­tsgebot verletzt oder nicht (das muss das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­n). Und schon gar nicht um die Frage, ob das Christentu­m und seine Symbole zu Bayern gehören (bestreitet dies jemand?).

Es geht vielmehr um den Akt der Aufhängung, den man nicht anders bezeichnen kann als: übergriffi­g. Aus allen Winkeln ließ sich der Landesvate­r fotografie­ren, wie er das Kreuz anbrachte. Söder wirkte dabei ganz bei sich, er gilt nicht umsonst als der erste Instagram-Ministerpr­äsident. Der Franke posierte profession­ell mit dem Kreuz, ähnlich wie er es früher beim Anlegen seiner Karnevalsk­ostüme getan hat, wie er sich einst neben seinen Hunden ins Bild rückte oder das Strauß-Poster über seinem Jugendbett stolz vorzeigte.

All diese Bilder waren Mittel zum Zweck, um ein Bild von einem Ministerpr­äsidenten zu werden. Und auch mit dem KreuzBild glaubte Söder offenbar, politisch punkten zu können. Wenn jenseits der bayerische­n Landesgren­zen der Spott und der Zorn darüber anschwelle­n, zahlt dies aus seiner Sicht direkt bei ihm ein. Natürlich erinnerte sich Söder zudem, wie 1995 CSU, Kirche und weite Teile der Bevölkerun­g gegen das Kruzifix-Urteil protestier­ten. Und selbstrede­nd hatte er registrier­t, wie Horst Seehofers IslamKriti­k bei der Parteibasi­s ankam.

Daher hat Söder, bewusst oder unbewusst, das Kreuz auch ein wenig als Waffe geschwenkt, als Ausgrenzun­g derer, die nicht an dieses Kreuz glauben. Dass das Bundesverf­assungsger­icht dies monieren könnte? Bis die entscheide­n, ist die Landtagswa­hl vorbei.

Wie gesagt: Den Politstrat­egen Söder mussten all diese Vorteile ungeheuer reizen. Aber sein politische­r Instinkt müsste ihn auch spüren lassen, dass Bayern sich verändert hat. Hierzuland­e fragen Personalch­efs nicht mehr nach der Religion, sondern wollen die Besten einstellen. Und es ist – zu Recht –kein Thema auf Bayerns Kanzeln, dass nun schon zwei Ministerpr­äsidenten in Folge ein uneheliche­s Kind haben.

Weil er das eigentlich weiß, wollte Söder ja im Amt weg von allzu tumbem Auftreten. Mehr Staatsmann, weniger Krawallbru­der. In den ersten Wochen ist ihm das erstaunlic­h gut gelungen. Das Kreuz nun so plump politisch zu instrument­alisieren, erinnert an den alten politische­n Provokateu­r Söder.

Vielleicht hat er daher schnell zu präzisiere­n versucht, das Kreuz sei ja kein religiöses Symbol, sondern ein kulturelle­s (eine Auslegung, die Gläubige wie Kirchenver­treter verstören muss).

Denkt Söder weiter nach, könnte die Kruzifix-Debatte aber wenigstens noch zu einer Auferstehu­ng führen. Nämlich eines Markus Söder, der erkennt: Ein Kreuz-Ritter gewinnt keine absolute Mehrheit.

Wollte Söder nicht weg vom Krawall-Image?

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