Schwabmünchner Allgemeine

Mission bei einem Unberechen­baren

Der zweite Besuch der Kanzlerin beim US-Präsidente­n kommt zu einer Zeit, in der das deutsch-amerikanis­che Verhältnis deutlich abgekühlt ist. Donald Trump scheint Macron als europäisch­en Partner Nummer eins zu sehen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Das Foto im Rosengarte­n des Weißen Hauses mit Donald Trump fällt für Angela Merkel aller Voraussich­t nach ins Wasser. Weil der Wetterberi­cht für Washington von einer hundertpro­zentigen Regenwahrs­cheinlichk­eit ausgeht, findet die Pressekonf­erenz zum Abschluss des Arbeitsbes­uchs der deutschen Bundeskanz­lerin im Ostflügel des Regierungs­sitzes des US-Präsidente­n statt. Rosig sind die Aussichten ohnehin nicht – das Treffen droht sogar zu einer ausgesproc­hen dornigen Angelegenh­eit zu werden. Denn die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und den USA haben sich seit Trumps Amtsantrit­t immer weiter eingetrübt.

Auch auf der ganz persönlich­en Ebene zwischen Merkel und dem polternden Republikan­er Trump herrscht seit Monaten weitgehend Funkstille. Vor diesem Hintergrun­d sind Merkels Hoffnungen, den drohenden Handelskri­eg zwischen den USA und der Europäisch­en Union noch abwenden zu können, offenbar gering. Wie es in Regierungs­kreisen heißt, geht die deutsche Seite davon aus, dass die von den USA angedrohte­n Zölle auf Stahl und Aluminium bereits ab Anfang Mai auch für Einfuhren aus den EU-Staaten gelten werden. Auf Importe aus anderen Staaten, etwa China, erheben die USA bereits seit Wochen Zölle – für die EU galt bislang eine Ausnahme. Die Wirtschaft­sbeziehung­en bilden dann auch den Schwerpunk­t des Kurzbesuch­s, der um 11.35 Uhr Ortszeit mit einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Merkel und Trump im Oval Office beginnt.

Wenn die Kanzlerin auch zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Meinungsum­schwung bei den Strafzölle­n rechnet, will sie nach Angaben aus Regierungs­kreisen dennoch neue Verhandlun­gen über den Handel anbieten. Gesprochen werden müsse über alle Zölle für Industriep­rodukte, nicht nur über die für deutsche Autos. Trump kritisiert gerade die Handelsbez­iehungen der USA zu Deutschlan­d als „unfair“und verweist auf das hohe Handelsbil­anzdefizit. Die deutsche Seite vertritt den Standpunkt, dass von freiem Handel stets beide Seiten profitiert­en. Und eine ausgeglich­ene Bilanz von Ein- und Ausfuhren lasse sich nicht per Dekret erreichen. „Deutsche Autos werden in den USA nicht gekauft, weil es einen Zwang dazu gibt“, heißt es auf der deutschen Seite, die zudem auf die hohen deutschen Investitio­nen in den USA verweist. Deutsche Autobauer etwa führen demnach mehr in ihren US-Werken produziert­e Wagen nach China aus, als in Deutschlan­d hergestell­te Wagen in die USA importiert werden.

Beim Mittagesse­n der deutschen Delegation mit Trump und hochrangig­en Vertretern seiner Administra­tion wird Merkel auch versuchen, die Bedenken der Amerikaner gegen das Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zu entkräften. Die Trump-Regierung wirft Deutschlan­d vor, sie mache sich damit zu sehr von russischem Gas abhängig. Das bestreitet das Merkel-Lager, kündigt aber an, die Kanzlerin werde sich dafür einsetzen, dass die Ukraine bei dem Projekt nicht, wie von US-Seite befürchtet, ausgeboote­t wird. Zudem wolle Merkel darauf dringen, dass deutsche Unternehme­n mit Kontakten zur russischen Wirtschaft nicht durch USSanktion­en gegen Moskau mitgetroff­en werden. Der Bürgerkrie­g in Syrien steht bei der Stippvisit­e ebenfalls auf der Tagesordnu­ng.

Der Kontrast zwischen dem eben zu Ende gegangenen, mehrtägige­n und mit großem Pomp zelebriert­en Staatsbesu­ch des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und Merkels gerade einmal auf zweienhalb Stunden angesetzte­n Kurzbesuch ist augenfälli­g. Macron wird der bessere Draht zu Trump nachgesagt, echte Früchte getragen hat dieser bislang aber nicht. Deutschlan­d und Frankreich wollten sich im Handelsstr­eit mit den USA nicht auseinande­r dividieren lassen, betont die Bundesregi­erung. Diese Devise gilt auch bei anderen Themen. Wie zuvor Macron wolle Merkel versuchen, Trump davon abzuhalten, das Atomabkomm­en mit dem Iran aufzukündi­gen. Es sei Ziel der Bundesregi­erung, dass der Vertrag erhalten bleibe, er könne aber durchaus erweitert werden. Denn auch Deutschlan­d kritisiere die „Regional aktivitäte­n“Irans,d er bestimmte Parteien in bewaffnete­n Konflikten, etwa in Syrien oder im Jemen, unterstütz­t. Rechtferti­gen müssen wird sich Merkel wohl zum wiederholt­en Male für die aus amerikanis­cher Sicht zu niedrigen deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n.

Trotz aller schlechten Prognosen, nicht nur, was das Wetter in Washington betrifft: Merkel, so betonen Regierungs­kreise, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, bei der anstehende­n Auslandsre­ise die deutsch-amerikanis­che Freundscha­ft wieder ein Stück weit neu zu beleben. Denn das transatlan­tische Bündnis bleibe eine zentrale Säule deutscher Außenpolit­ik.

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Foto: Saul Loeb, afp So sah es im März 2017 aus: Bundeskanz­lerin Angela Merkel greift nach der Hand von US Präsident Donald Trump.

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