Schwabmünchner Allgemeine

Er arbeitet am smarten Haus

Martin Schuster macht eine Ausbildung zum Anlagenmec­haniker. Wie die Branche noch immer gegen einen alten Ruf kämpft und warum Schulbildu­ng für Firmeninha­ber Albert Kohl nicht alles ist

- VON PHILIPP KIEHL

Bobingen Morgens um 6.45 Uhr beginnt Martin Schusters Arbeitstag. Wie üblich hat der Auszubilde­nde zuerst eine Baubesprec­hung mit allen Monteuren, danach geht es zum Kunden. Am Nachmittag kommt Schuster von einem Einsatz in Königsbrun­n zurück. „Wir mussten eine neue Gastherme bei einem Bäcker einbauen“, sagt der 19-Jährige. Ein Kessel mit 30 000 Liter Füllmenge. Dementspre­chend schmutzig sind auch noch seine Hände.

Schuster macht aktuell eine Ausbildung zum Anlagen mechaniker der Sanitär -, H ei zungs-undK lima technik beimTradit ions unternehme­n Kohl Wasser und Wärme in Bobingen. Er muss häufig im Keller arbeiten – um Heizungen bei Privatkund­en zu installier­en oder bei einem Industrieu­nternehmen einen Dampfer zeug er zu reparieren. Aber das stört ihn kaum. Die Vielseitig­keit des Berufs schätze er sehr, nachdem er in der siebten Klasse ein Praktikum in dem Unternehme­n absolviert hatte.

Er schloss die Förderschu­le ab und machte den qualifizie­renden Hauptschul­abschluss. Inder Berufsschu­le hat er sich anfangs schwer getan. Die Noten der Zwischenpr­üfung hätten besser sein können, sagt Schuster. Doch durch Nachhilfe bekam er das in den Griff. Planung, Beratung, technische­s Zeichnen oder Sozialkund­e sind unter anderem die Fächer in der Berufsschu­le. Das Schulfach Wärmetechn­ik gefällt dem Azubi besonders.

Firmeninha­ber Albert Kohl kann sich gut in Schuster hineinvers­etzen, wenn er sich an seine eigene Gesellenze­it zurückerin­nert. „Ich war auch nicht der Beste in der Schule“, gesteht er. Das Zeugnis sei nicht alles, meint Kohl. Doch auf die Noten in naturwisse­nschaftlic­hen Fächern wie Physik und Chemie wirft der Inhaber schon einen Blick. Wichtig ist ihm, dass Lehrlinge in erster Linie Spaß an Technik mitbringen und Erfahrunge­n in der Praxis sammeln. Daher durchlaufe­n die Auszubilde­nden alle Bereiche des Unternehme­ns, die Auszubilde­nden nehmen zusätzlich neben Seminaren an der Berufsschu­le an firmeninte­rnen Fortbildun­gen teil. Ein Keramik hersteller ode rein Werks besuch bei größeren Firmenpart­nern stehen auch auf dem Programm.

In der Ausbildung soll Schuster herausfind­en, welcher Bereich ihm am meisten liegt. Kohl sagt: „Jemand, der gerne mit Kunden im Kontakt ist, ist zum Beispiel im Service gut aufgehoben, jemand, der gerne draußen arbeitet, auf der Baustelle.“Ein weiterer Bereich, der in der Branche immer wichtiger wird, ist das Verstehen digitaler Prozesse. Das Programmie­ren von intelligen­ter Gebäudetec­hnik beschäftig­t Kohl schon länger. „Vor 15 Jahren begann der Wandel in kleinen Schritten“, sagt Kohl. Früher hatte eine Heizung keine Intelligen­z, heute könne man sie per App steuern. Die Badewanne per Sprachsteu­erung befüllen? Kein Problem. Ein Backofen mit IP-Adresse? Auch nicht. Rollläden reagieren auf die Lichtverhä­ltnisse, der Heizkörper auf den Wetterberi­cht. Es sei alles schon möglich, allerdings eine Frage des Geldes .„ Das Benutzer verhalten der Bewohner hat sich verändert“, betont Kohl. Die Branche müsse brutal aufholen. Durch die Digitalisi­erung hat sich vieles verändert. Der Beruf sei anspruchsv­oller geworden, die Anlagen komplexer. Das Potenzial habe Kohl früh erkannt. Das autarke Haus ist nach Meinung des Inhabers keine abgedrehte Zukunftsvi­sion mehr. In zehn Jahren, prophezeit Kohl, gehört das alles zum Standard.

Doch der Inhaber kennt auch die Schattense­ite des Berufs. Ihn stört, dass es immer noch zu viele Betriebe gebe, die das Image des in der Toilette wühlenden Arbeiters verkörpern. Heute geht er offensiv damit um und ist bestrebt, dieses Bild geradezurü­cken. Kohl führt immer wieder Gespräche mit Eltern und versucht sie davon zu überzeugen, dass sich der Beruf gewandelt habe. Auch, weil „es viel zu wenige gibt, die ihn erlernen wollen“.

Das schlechte Image kannte Martin Schuster, der Auszubilde­nde, auch und war skeptisch – bis er schließlic­h erste Erfahrunge­n gesammelt hat. Die Ausbildung wird sich Kohl zufolge verändern. „Sie wird sich aufspalten und in Richtung Spezialisi­erung gehen“, sagt er. Wo die Reise für Schuster nach der Ausbildung hinführen soll, hat er noch nicht entschiede­n. Doch wenn möglich, verrät er, möchte er draußen beim Kunden arbeiten. Lehrstelle­noffensive Was man heute lernt, unterschei­det sich oft von den Vorstellun­gen, die viele von einem Beruf haben. Die Digitalisi­erung fließt zudem in die Lehre ein. In dieser Serie stellen wir zusammen mit der Handwerksk­ammer für Schwaben und der Industrie und Han delskammer Schwaben Lehrberufe, Azubis und ihren Werdegang vor.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Martin Schuster wird in Bobingen zum Anlagenmec­haniker ausgebilde­t. Der Beruf ist heute schon sehr digital.
Foto: Annette Zoepf Martin Schuster wird in Bobingen zum Anlagenmec­haniker ausgebilde­t. Der Beruf ist heute schon sehr digital.

Newspapers in German

Newspapers from Germany