„Die CSU spaltet Bayern“
Natascha Kohnen, Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin der Bayern-SPD, geht mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hart ins Gericht. Sie wirft ihm vor, auf Symbolpolitik und abgehobene Prestigeprojekte zu setzen
Frau Kohnen, Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder ist in seiner ersten Regierungserklärung mit einem wuchtigen Aufschlag gestartet. Man könnte fast sagen, er verspricht allen alles. Da kommen die SPD und die anderen Parteien im Landtag doch nicht mehr mit, oder?
Kohnen: Im Landtag sind doch die Unterschiede sehr deutlich geworden: Wir stehen für einen starken Staat, der sich um die alltäglichen Probleme wie Wohnungsbau, Kinderbetreuung, Pflege und Weiterbildung kümmert. Für ein Bayern, in dem Freiheit und Menschlichkeit ganz vorne stehen. Söder macht Symbolpolitik, präsentiert abgehobene Prestigeprojekte und in der Innenpolitik marschiert er in Richtung Überwachungsstaat. Aber es ist in der Tat so: Söder gibt das Geld mit vollen Händen aus und verspricht fast allen alles. Glaubwürdig ist das nicht. Er steht unter dem extremen Druck, das Wahlergebnis von Seehofer 2013 wieder zu erreichen.
Aber die SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit hat doch nicht wirklich Argumente gegen ein bayerisches Familiengeld, gegen ein Pflegegeld, gegen mehr Lehrer und mehr Polizisten?
Kohnen: Söder ist offensichtlich gezwungen, seine eigene Politik der letzten Jahre zu korrigieren. Das Psychiatriegesetz ist das neueste Beispiel, da kommt die Kehrtwende innerhalb von Wochen. Selbstverständlich brauchen wir mehr Personal bei der Polizei. Das fordern wir seit Jahren. Unsere Polizistinnen und Polizisten schieben Berge an Überstunden vor sich her. Aber wir brauchen die Polizei bei uns auf den Straßen und nicht in einer bayerischen Grenzpolizei, die in Wirklichkeit gar keine Grenzpolizei ist. Für die Grenze ist Bayern gar nicht zuständig, sondern der Bund.
Der Frage nach dem Familiengeld sind Sie jetzt ausgewichen.
Wir fordern seit langem mehr Unterstützung für Familien. Aber das von Söder vorgeschlagene Familiengeld soll es nur für die ersten zwei Lebensjahre geben. Danach ist dann Schluss. Wir wollen dagegen eine eigenständige Grundsicherung für Kinder und kostenfreie Kitas. Das hilft vor allem Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen langfristig. Der Freistaat muss Geld gezielt einsetzen, um das Leben der Menschen zu verbessern, nicht mit der Gießkanne übers Land verteilen.
Wie sieht es mit den vielen kleinen Versprechen und Ankündigungen Söders aus. Haben Sie sich das schon genauer angesehen? Ist das erfüllbar?
Die vielen kleinen Versprechen sollten wohl verdecken, woran der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung schweigend vorübergegangen ist – an der Vereinbarkeit von Job und Familie, an den 245 000 Kindern, die in Bayern von Armut bedroht sind, an Altersarmut, die hauptsächlich Frauen trifft. Kein Wort dazu!
Hat Ihnen noch etwas in der Regierungserklärung gefehlt?
Das Thema Zusammenhalt in Bayern. Viele Menschen haben das Gefühl, dass Gemeinschaft verloren geht und der Ton immer rauer wird. Darauf muss ein Ministerpräsident eine Antwort haben. Aber das ist für Herrn Söder kein Thema. Im Gegenteil: Mit der schrillen Tonlage beim Thema Integration und Religionen spaltet die CSU Bayern.
Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Glaubt man den Umfragen, dann ist die BayernSPD drauf und dran, ihre Stellung als größte Oppositionspartei einzubüßen. Können Sie in den wenigen Monaten bis zur Wahl auf Rückenwind ihrer Bundespartei hoffen?
Die letzten Monate waren für die SPD auf Bundesebene ausgesprochen schwierig. Aber jetzt setzen wir in Berlin Schritt für Schritt die Dinge um, die wir für die Menschen erkämpft haben: sozialer Wohnungsbau, Solidarrente, Rückdas kehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, faire Finanzierung der Krankenversicherung und vieles mehr. Das bewegt mich und das treibt mich an. Und ich kann Ihnen nur sagen: Die Menschen bewegt das auch.
Höre ich da heraus, dass Sie mit Andrea Nahles und ihrem Start als SPDVorsitzende nicht so ganz zufrieden sind?
Andrea Nahles hat eine starke Bewerbungsrede gehalten. Sie stellt Solidarität in den Mittelpunkt und will unseren Sozialstaat bürgernäher, emanzipativer und gerechter machen. Das ist der richtige Weg. Ich bin zuversichtlich, dass die schwierige Phase jetzt abgeschlossen ist und wir uns Schritt für Schritt wieder nach vorne arbeiten.
Noch einmal zu Bayern: Es gibt Umfragen, nach denen im nächsten Land- tag neben CSU, SPD, Freien Wählern und Grünen auch AfD, FDP und Linke vertreten sind. Wenn es so kommt, könnte die CSU sehr wahrscheinlich nicht alleine regieren. Bleiben Sie dabei, dass die SPD als Koalitionspartner auf keinen Fall zur Verfügung steht? Und wenn ja, warum?
Kohnen: Grüne, Freie Wähler und FDP bewerben sich alle als Juniorpartner für eine Koalition mit der CSU. Die SPD tut das nicht. Wir gehen ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Wir wollen Zusammenhalt und Gemeinschaft stärken, die CSU spaltet und grenzt aus. Die Menschen in unserem Land haben also mit uns eine echte Alternative.
Sie treten im Vergleich zu dem letzten SPD-Spitzenkandidaten Christian Ude nicht mit dem Wahlziel an, die CSU in die Opposition zu schicken. Wie muss man sich einen Wahlkampf vorstellen, in dem alle anderen Parteien gegen die CSU antreten, obwohl fast alle mit ihr koalieren wollen?
Wie die anderen Parteien das machen wollen, die auf eine Koalition mit der CSU hoffen, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe dieses Problem nicht. Wir zeigen Alternativen auf: ein solidarisches Bayern mit mehr Gemeinschaft und Zusammenhalt, Freiheit und Toleranz und mit einem neuen politischen Stil.
Was ist Ihr persönliches Wahlziel?
Ich will, dass in der bayerischen Politik ein neuer Stil einkehrt. Dass sich die Menschen ihr Dach über dem Kopf leisten können, dass wir Familien entlasten und die Menschen auf die digitale Arbeitswelt von morgen vorbereiten. Je stärker die SPD im Oktober wird, desto mehr wird sich in dieser Richtung bewegen. Und mein ganz persönliches Ziel: Dass alle Parteien diesen Wahlkampf so ehrlich, sachlich und anständig führen, dass wir uns nach der Wahl im Oktober noch in die Augen schauen können. ● ist 1967 gebo ren und in München aufgewach sen. Seit 2001 ist die studierte Biolo gin und Lektorin Mitglied in der SPD. Im vergangenen Jahr wurde sie zur Landesvorsitzenden der Bay ern SPD gewählt.