Schwabmünchner Allgemeine

Pädophiler hatte Sex mit Zwölfjähri­ger

Ein Prozess in Augsburg macht erschrecke­nd deutlich, was passieren kann, wenn ein pubertiere­ndes Mädchen im Internet auf einen Erwachsene­n mit perversen Absichten trifft

- VON MICHAEL BÖHM Augsburg

Er atmet einmal tief durch, ehe er zu reden beginnt. Es sei ihm peinlich, sagt er. Es tue ihm leid, erklärt er. Er sei da so reingeruts­cht, behauptet er. Danach schweigt er. Mit gesenktem Kopf sitzt Serkan O. da, die braunen Locken zum Pferdeschw­anz gebunden, den Zuschauern den Rücken gekehrt. Der Augsburger zeigt keine Regung, als ihm der Richter vor Augen hält, was er Sarah* alles angetan hat. Die Liste ist lang, die Worte explizit, die Taten ein Abriss diverser Sexualprak­tiken und Abartigkei­ten – zwischen einem 40 Jahre alten Mann und einem zwölf Jahre alten Kind.

Sarah habe es so gewollt, hatte Serkan O. an einem der vorangegan­genen Verhandlun­gstage gesagt, er habe keinen Druck ausgeübt, nichts sei gegen ihren Willen geschehen. Das pubertiere­nde Mädchen sei immer wieder freiwillig zu ihm gekommen und habe all die Dinge ausprobier­en wollen, die ihn nun vor Gericht brachten. „Der Angeklagte ist weit davon entfernt, wirklich zu seinen Taten zu stehen“, erwidert Richter Lenart Hoesch am Donnerstag. Er verurteilt den einschlägi­g vorbestraf­ten und mittlerwei­le 43-Jährigen zu einer Freiheitss­trafe von zehn Jahren.

Es ist still in Raum 170 des Augsburger Landgerich­ts, als Hoesch das Urteil begründet. Nicht das Mädchen, sondern der arbeitslos­e und geschieden­e Mann sei die treibende Kraft gewesen. So hatte Serkan O. in einem Flirt-Portal im Internet Kontakt zur zwölfjähri­gen Sarah aufgenomme­n und sich als wenig älterer Junge ausgegeben. Schnell wurde das Gespräch sexuell, Bilder wurden ausgetausc­ht, wenige Tage später kam es zu einem ersten Treffen und sogleich zum Geschlecht­sverkehr. Es folgten in den folgenden Wochen weitere Treffen.

Mehr als 20 Mal hatte Serkan O. Sex mit der zwölfjähri­gen Sarah – in seiner Wohnung, auf dem Dachboden, am Lech und in der Waschküche im Wohnhaus des Mädchens. Das geht aus Chatprotok­ollen sowie Filmen hervor, die O. während des Geschlecht­sverkehrs mit dem Handy drehte und im Internet verbreitet­e. Darauf zu sehen: O. leitet Sarah an, überredet sie zu unterschie­dlichen Stellungen und Praktiken, lässt sie „Papa, Papa“rufen, würgt sie, bringt sie zum Erbrechen. Als das Mädchen Schmerzen bekundet, erwidert er: „Das magst du doch“– und macht weiter. Für die Jugendkamm­er des Landgerich­ts eindeutige Beweise dafür, dass der 43-Jährige dem Kind seinen Willen aufgezwung­en hat.

Die Zwölfjähri­ge hatte im Laufe des Prozesses verstörend­e Einblicke in ihr Seelenlebe­n gegeben. Sie habe echte Zuneigung zu Serkan O. empfunden, in ihm eine Art Ersatzpapa gesehen. Ihr eigener Vater war gestorben, als sie vier Jahre alt war. Als die Beziehung mit O. nach wenigen Monaten abkühlte, habe sie noch mit anderen pädophilen Männern sexuelle Kontakte gehabt. Im April 2017 offenbarte sie auf Anraten einer Freundin den sexuellen Missbrauch. Serkan O. wurde festgenomm­en, die heute 15-jährige Sarah unterzieht sich seither einer Therapie.

Die Jugendkamm­er des Landgerich­ts sei davon überzeugt, dass die aufgedeckt­en und schlussend­lich angeklagte­n Taten nur „die Spitze des Eisbergs“sind, erklärt Richter Lenart Hoesch. Im Rahmen der Ermittlung­en und Durchsuchu­ngen bei O. hat die Polizei zahlreiche pornografi­sche Bilder und Filme gefunden, auf denen unter anderem Kinder im Alter von zwei bis elf Jahren zu sehen waren. Dazu hatte O. neben und nach Sarah im Internet mit weiteren minderjähr­igen Mädchen angebandel­t, Nacktbilde­r ausgetausc­ht und sie zu sexuellen Handlungen vor der Kamera überredet. Persönlich­e Treffen gab es nach Aktenlage nicht.

Richter Hoesch ordnet am Donnerstag zusätzlich zur zehnjährig­en Gefängniss­trafe die anschließe­nde Sicherungs­verwahrung an. Von Serkan O. gehe offenkundi­g eine Gefahr für die Allgemeinh­eit aus. Nur wenn sich der 43-Jährige im Gefängnis erfolgreic­h einer Therapie unterzieht, wird er wieder entlassen.

*Name geändert

 ?? Archivfoto: Weizenegge­r ?? Vor dem Landgerich­t Augsburg musste sich ein 43 Jahre alter Mann wegen schweren sexuellen Missbrauch­s von Kindern verantwort­en.
Archivfoto: Weizenegge­r Vor dem Landgerich­t Augsburg musste sich ein 43 Jahre alter Mann wegen schweren sexuellen Missbrauch­s von Kindern verantwort­en.

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