Schwabmünchner Allgemeine

Kassen setzen auf weniger Notfallkli­niken

Reform könnte manche Krankenhäu­ser massiv treffen, warnt die CSU

- VON BERNHARD JUNGINGER Berlin/Augsburg

Die Reform der Notfallver­sorgung in deutschen Krankenhäu­sern könnte massive Auswirkung­en auf die medizinisc­he Versorgung in der Region haben – bis hin zur Schließung von Kliniken. Nach einem vertraulic­hen Papier aus Fachkreise­n, das unserer Zeitung vorliegt, wollen die Krankenkas­sen die volle Notfallver­sorgung für Erwachsene und Kinder auf sechs von 38 schwäbisch­en Kliniken konzentrie­ren: die Kliniken Augsburg, Augsburg-Süd, Kaufbeuren, Kempten und Memmingen sowie die Rotkreuzkl­inik Lindenberg. 13 weitere Krankenhäu­ser nehmen nach dem Konzept nur an der Notfallver­sorgung für Erwachsene teil: Aichach, Buchloe, Donauwörth, Friedberg, Günzburg, Immenstadt und Krumbach sowie die Hospitäler in Lindau, Mindelheim, Neu-Ulm, Ottobeuren, Schwabmünc­hen und Weißenhorn. Das Augsburger Klinikum Josefinum wäre die einzige reine Kinder-Notfallkli­nik. Die übrigen Häuser spielen demnach keine Rolle mehr im Notfallkon­zept der Kassen – und könnten, so warnt der stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende im Bundestag, Georg Nüßlein (CSU), finanziell­e Einbußen hinnehmen müssen – denn für sie sollen bis zu 50 Euro Kassenzusc­huss pro Fall wegfallen.

Vor wenigen Tagen hat der Gemeinsame Bundesauss­chuss (G-BA), das Selbstverw­altungsorg­an der Ärzte, Krankenhäu­ser und Krankenkas­sen in Deutschlan­d, das Konzept beschlosse­n, nach dem 628 der 1748 deutschen Kliniken keine Notfälle mehr behandeln sollen. Die Idee hinter der Strukturre­form: Notfallpat­ienten sollen möglichst nur in Kliniken behandelt werden, die bestimmte Mindeststa­ndards erfüllen, etwa über Fachabteil­ungen für Chirurgie/Unfallchir­urgie und Innere Medizin verfügen, Fachärzte müssen schnell zur Stelle sein können und die Intensivst­ation mindestens sechs Betten haben.

Kliniken, die diese Anforderun­gen erfüllen, haben höhere Kosten, oft arbeiten sie defizitär. Dass es für sie einen Ausgleich geben soll, sei selbstvers­tändlich, sagt Nüßlein. Doch im Gesundheit­sausschuss des Deutschen Bundestags habe nun eine Vertreteri­n des GKV-Spitzenver­bands dargelegt, wie sie sich die Finanzieru­ng vorstellt: „Als Nullsummen­spiel – die Krankenhäu­ser, die nicht an der Notfallver­sorgung teilnehmen, sollen nicht etwa nur für Notfälle, sondern für jeden Fall, egal ob es sich um eine BlinddarmO­peration oder eine Reha-Maßnahme handelt, heftige Abzüge bekommen. Das kann für viele existenzbe­drohend sein.“Während der offenbar geplante Abzug von 50 Euro pro Fall die betroffene­n Häuser weit überforder­e, sei den Notfallkli­niken mit einem Zuschuss von lediglich zehn Euro pro Fall nur unzureiche­nd geholfen.

Er sei kein Gegner der Strukturre­form schlechthi­n, sagt Nüßlein. Dass etwa Schlaganfa­llpatiente­n in spezialisi­erten Kliniken, an denen es sogenannte „Stroke-Units“gebe, die besten Überlebens­chancen hätten, sei unbestritt­en. Doch das Vergütungs­modell, „das sich bei den Krankenkas­sen durchzuset­zen scheint“, sei für viele Kliniken brandgefäh­rlich. Durch die fehlenden Einnahmen könne etwa im Haushalt das Geld für Arzt- oder Pflegerste­llen fehlen, Häuser, die ohnehin ums Überleben kämpften, müssten möglicherw­eise schließen. Er halte es nicht für ausgeschlo­ssen, so Nüßlein, dass dies den Kassen gar nicht ungelegen käme – möglicherw­eise stecke hinter den Plänen eine Marktberei­nigungsstr­ategie. „Es geht auch darum, die Grundverso­rgung flächendec­kend zu sichern“, sagt er.

Florian Lanz, Pressespre­cher des Spitzenver­bands der gesetzlich­en Krankenkas­sen, sagt auf Anfrage: „Dass einzelne Krankenhäu­ser durch die Neuregelun­g finanziell­e Einbußen erleiden, müssen wir im Zweifelsfa­ll in Kauf nehmen.“

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